Von Alexander Wallasch
Mitte Dezember verabschiedete der Deutsche Bundestag die einrichtungsbezogene Impfpflicht. Danach müssen bis zum 15. März 2022 Arbeitende in Pflegeberufen ihrem Arbeitgeber einen Nachweis über eine abgeschlossene Impfung, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorlegen. Das Abstimmungsergebnis war eindeutig: 570 Abgeordnete stimmten der Impfpflicht für bestimmte Berufe zu, 79 sagten nein, davon 70 Abgeordnete der AfD.
Jetzt stellt diese gesetzliche Vorgabe in ihrer Umsetzung auch die Einrichtungen, die es betrifft, vor große Herausforderungen. Reitschuster.de hatte zuletzt einen Fall aus Heidelberg aufgegriffen, der viele Leser empört hat. Und der geeignet ist aufzuzeigen, welche drastischen Folgen solche Maßnahmen für Mitarbeiter haben können, deren Unternehmensführung – um es höflich auszudrücken – mit der Umsetzung der neuen Gesetze mindestens überfordert ist.
Im Heidelberger Fall konnte man es gar nicht abwarten, man setzte Mitarbeiter mit einem zynisch zu nennenden Begleitschreiben vor die Tür und strich ungeimpfte Angestellte von der Lohnliste.
Reitschuster.de hatte ausführlich darüber berichtet. Nach der Veröffentlichung erreichten uns weitere Zuschriften von Betroffenen der kommenden Impfpflicht für Pflegeberufe.
Aus Heidelberg schrieb uns eine Mitarbeiterin einer Einrichtung, dass Menschen aus Pflegeberufen und solche, die sich mit ihnen solidarisch erklären, jetzt jeden Mittwoch auf die Straße gehen, Reden halten und auch regelmäßig zum St. Josefskrankenhaus spazieren, um dort eine Gedenkminute einzulegen.
Im Schreiben aus Heidelberg heißt es weiter:
„Das Haus brüstet sich damit, dass es nur 8 Mitarbeiter (jetzt wohl nur noch 7) betrifft, unterschlägt aber die vielen Mitarbeiter, die unter massivem Druck der Spritze zugestimmt haben, damit sie ihr Leben weiter finanzieren können. Und auch bei 8 Menschen steht hinter jedem ein Schicksal, eine Familie, eine Existenz. Wir werden nun seit 5 Wochen ignoriert, keine Berichte seitens der Polizei, kein Interesse der hiesigen Medien, obwohl wir uns von 300 letzte Woche auf 800-1000 Teilnehmer gesteigert haben. Letzte Woche haben wir aktiv die Presse eingeladen, sie war da, aber der Bericht fiel natürlich nicht nur nicht objektiv aus, es gibt überhaupt kein Verständnis für die Situation der Mitarbeiter. Wir werden weiter auf der Straße und vor dem St. Josefskrankenhaus sein, weiter gegen die allgemeine Impfpflicht und gegen die für Gesundheitsberufe kämpfen und nicht aufgeben.“
Tatsächlich gab es relevante Medien wie die Rhein-Neckar-Zeitung, die berichtete, sich aber im Wesentlichen darauf konzentriert hatte, fehlende Masken der Spaziergänger zu zählen oder die sich mit der Protestbewegung solidarisch erklärende Heidelberger Prominenz zu diskreditieren.
Betroffen ist aber nicht nur Heidelberg, die Impfpflicht kommt für ungeimpfte Tätige in Einrichtungen im gesamten Bundesgebiet. Beispielsweise aus Tübingen erreichte Reitschuster.de ein Schreiben mit folgender (hier leicht gekürzter) Anmoderation:
„Ich schreibe Ihnen im Namen von knapp 200 Mitarbeitern der Universitätsklinik Tübingen, die sich wegen der angekündigten Impfpflicht für Krankenhauspersonal zusammengetan haben. Ich möchte Sie noch über zwei für uns unglaubliche Erlebnisse mit unserer regionalen Zeitung informieren – diese haben uns alle geschockt. Wir denken, dass das an die Öffentlichkeit gehört.“
Dann wird davon berichtet, dass sich das Schwäbische Tagblatt geweigert hätte, eine Jobanzeige von Ungeimpften zu veröffentlichen. Die Anzeige soll folgenden Inhalt gehabt haben:
„11 exam. Krankenschwestern, qualifiziert und motiviert, suchen ab 15.03.22 neuen Wirkungskreis. Voraussetzung: respektvoller Umgang, kein COVID-19-Impfabonnement. Chiffre“.
Reitschuster.de erreicht den Anzeigenleiter de Blattes, der zunächst wissen möchte, warum wir von den Damen überhaupt kontaktiert wurden. Der Kollege meint, es sei formal richtig gewesen, die Anzeige abzulehnen.
Und weiter: Wenn wir Journalisten wären, dann wüssten wir ja, dass die Zeitungen in Deutschland keinen Kontrahierungszwang hätten. Also die Anzeige nicht aufnehmen müssten. Das allerdings sehen einige Presserechtler anders, wenn die besagte Zeitung eine Monopolstellung hat. Weitere Nachfragen werden nicht mehr beantwortet, es wird um eine schriftliche Anfrage gebeten.
Reitschuster.de fragt also: „Ist es richtig, dass Sie eine bestimmte Anzeige von ungeimpften Personen aus Pflegeberufen nicht veröffentlicht haben? Wenn ja, welche? Und warum?“
Die Antwort kommt etwa sechs Stunden später:
„Genau! Es ist durchaus so, dass wir, treu unserer Prüfungspflicht, Anzeigen nicht veröffentlichen, wenn wir zur Überzeugung gekommen sind, dass deren Wahrheitsgehalt nicht gegeben bzw. nicht nachvollziehbar ist.“
Das reicht uns nicht, wir fragen nach: „Was wäre denn der fehlende Wahrheitsgehalt?“
Die Antwort des Anzeigen- und Verkaufsleiters:
„Von einem fehlenden Wahrheitsgehalt gehen wir aus, wenn es sich mit Sicherheit oder zumindest allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht um „echte“ und als solche ernst gemeinte Stellengesuche handelt, sondern um gefakte Anzeigen mit einem anderen Hintergrund als der ernsthaften Suche nach einer neuen Arbeitsstelle. Aufgrund weiträumig oder gar bundesweit abgestimmter Anzeigenaktionen identischen Wortlauts in verschiedensten Medien sowie durch sonstige Umstände wird der wahre Hintergrund erkennbar. Die Süddeutsche Zeitung hat diesem Thema am 25. d. M. einen großen Artikel gewidmet.“
Interessant dürfte diese abgelehnte Zeitungsannonce schon deshalb sein, weil die Motivation aus verschiedenen Richtungen kommen kann: Zum einen kann sie politischer Natur sein, besagte Zeitung ist tendenziell linkspopulistisch verortet, was heute dafür steht, den Kurs der Regierung zu vertreten. Oder es ist die Sorge der Zeitung/des Verlages, bei Veröffentlichung einer Stellenanzeige von Ungeimpften Nachteile zu erfahren.
Andere Zeitungen allerdings druckten Stellengesuche von Ungeimpften sogar in größerer Zahl ab. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) nahm sich der Sache an und kam zum Schluss, dass es sich um eine abgesprochene Aktion von Gegnern der Corona-Impfung handeln könnte. Dass sich die Betroffenen dafür möglicherweise zusammengetan haben, dafür allerdings bedarf es keiner besonderen gedanklichen Verrenkungen.
Dass die Zahl der Betroffenen hoch ist, steht ebenfalls außer Frage. Laut Zeit sprach Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) von bis zu 15 Prozent Ungeimpften in Pflegeheimen. Und in Krankenhäusern und Arztpraxen sollen zwischen 3 und 5 Prozent der Beschäftigten noch ungeimpft sein.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“
Bild: privat
Text: wal
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