Ab einem gewissen Alter gewöhnt man es sich als Kind ab, an den Weihnachtsmann zu glauben. Und auch im Erwachsenenalter erreicht man irgendwann den Punkt, wo man nicht mehr an Wunder glaubt. Und seien es noch so profane. Allerdings bleibt einem – zumindest mir – der Wunsch erhalten, dass doch noch solche Wunder geschehen könnten. Und dieser Wunsch wurde heute sofort bei mir lebendig, als mir ein guter Freund einen Link mit der Nachricht schickte, dass Multimiliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernehmen will.
Nanu, hat der Reitschuster jetzt ein Herz für Multimilliardäre, werden Sie sich vielleicht fragen. Weit gefehlt. Ich teile weder den Hass auf diese und ihre Verteuflung, wie sie bei Rotgrünlila in Berlin zum guten Ton gehört, noch hege ich besondere Sympathien für die Superreichen. Aber in diesem konkreten Fall habe ich riesige Sympathien für das, was ich für das Ziel des gebürtigen Südafrikaners Musk halte, der unter anderem mit dem Bezahldienst Paypal zu unermesslichem Reichtum gekommen ist.
Musk, dem ein guter Draht zum Gottseibeiuns der deutschen Politik und ihrer Begleitmusikanten in den Medien nachgesagt wird, also zu Donald Trump, hat nie einen Hehl aus seiner Kritik an der Einschränkung der Meinungsfreiheit in den sozialen Medien allgemein und bei Twitter im Besonderen gemacht. Tatsächlich war es ein bis dato unvorstellbarer Schritt, dass der Kurznachrichtendienst im Januar 2020 den amtierenden US-Präsidenten einfach aussperrte. Ein bis dato unvorstellbarer Putsch gegen die Meinungsfreiheit aus dem Silicon Valley.
Musk klagte, das stramm „woke“ Netzwerk Twitter untergrabe die Meinungsfreiheit, und kritisiert die teilweise völlig willkürliche, aber ideologisch immer stramm linientreue Löschpraxis des Unternehmens. Der Multimilliardär ist im Gegensatz zu den Lautsprechern in Berlin bekannt dafür, Worten Taten folgen zu lassen. Am 4. April gab er bekannt, dass er rund neun Prozent der Twitter-Aktien halte. Auf einen Sitz im Aufsichtsrat verzichtete er – der hätte es ihm nämlich unmöglich gemacht, mehr als 14,9 Prozent der Anteile zu übernehmen.
In einem Brief an Twitter-Aufsichtsratschef Bret Taylor schrieb Musk jetzt: „Ich habe in Twitter investiert, weil ich an sein Potenzial glaube, die Plattform für freie Meinungsäußerung auf der ganzen Welt zu sein, und ich glaube, dass freie Meinungsäußerung ein gesellschaftliches Muss für eine funktionierende Demokratie ist.“ Sodann ließ Musk eine knallende Ohrfeige folgen: „Seitdem ich meine Investition getätigt habe, ist mir jedoch klar, dass das Unternehmen in seiner jetzigen Form weder gedeihen noch diesem gesellschaftlichen Imperativ dienen wird. Twitter muss als privates Unternehmen umgewandelt werden.“
Um das umzusetzen, bietet Musk allen Aktionären 54,20 Dollar pro Aktie – acht Dollar mehr als der letzte Börsenkurs. Damit geht es um 41 Milliarden Dollar. Musks Ziel: Twitter von der Börse zu nehmen. Besonders pikant: Musk ist befreundet mit Twitter-Gründer Jack Dorsey. Dessen Rauswurf kritisierte er ebenso wie die neue, stramm ideologische Unternehmensführung um Vorstandschef Parag Agrawal. Den Mann, der mehr auf richtige „Haltung“ setzt als auf Meinungsfreiheit, verglich er ganz offen mit Sowjet-Diktator Josef Stalin.
Der Glaubenskrieger Agrawal wird sich denn wohl auch mit Händen und Füßen gegen die Übernahme wehren. Sollte der Widerstand scheitern, hat Musk Großes vor. Er will den Twitter-Algorithmus zu einer „Open Source“ machen, so dass ihn jedermann einsehen und auch damit arbeiten kann. Die bisherige Löschpraxis wegen angeblicher „Falschinformationen“ – der Vorwand für Zensur – würde wohl der Vergangenheit angehören, Auch die Möglichkeit, dass Nutzer Tweets endlich bearbeiten können, was bisher nicht möglich ist, wird diskutiert.
Sollte sich Musk durchsetzen, wäre das ein kleines Wunder – für die Meinungsfreiheit. Warum sollte man nicht zumindest darauf hoffen?
PS: Hier meine neuesten Videos:
Die Corona-Maßnahmen haben unzählige Menschen extrem hart getroffen. Sie haben viele Existenzen gefährdet und vernichtet. Ich möchte Menschen, die betroffen sind, helfen – und veröffentliche deshalb auf meiner Seite Reklame von ihnen. Mit der Bitte an meine Leser, sie wohlwollend zu betrachten.
Bild: privat/TwitterText: br
Mehr zum Thema auf reitschuster.de