Von Daniel Weinmann
Die elektronische Patientenakte feierte 2021 als eines der Kernelemente der Digitalagenda von Gesundheitsminister Karl Lauterbach ihr unrühmliches Debüt. Musste sich seither jeder gesetzlich Versicherte aktiv dafür entscheiden, sollen künftig sämtliche Patienten die digitale Akte automatisch erhalten. Wer dies nicht mag, muss via „Opt-out“-Verfahren aktiv widersprechen.
Angesichts der jüngsten Hackerangriffe erscheint dies höchst fahrlässig. Erst Mitte Juni griffen Kriminelle bei einem Dienstleister der Barmer Krankenversicherung Daten ab. Sie erschlichen sich nicht nur die Vor- und Zunamen vieler Versicherter, sondern auch Krankenversicherungsnummern, Bankverbindungen und Prämienbeträge.
Hacker können diese Daten für Phishing-Attacken nutzen. „Leider können wir nicht ausschließen, dass die abgeflossenen Daten im Internet verwendet werden oder Dritte sich als die betroffenen Personen ausgeben“, warnte die Barmer in dürren Worten die Betroffenen. Nur zwei Wochen zuvor meldete die AOK eine Sicherheitslücke für 19 Millionen Versicherte.
»Die Zugriffe auf Versichertendaten werden immer dreister«
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hält dennoch eisern an der strikten Umsetzung der elektronischen Patientenakte fest – obwohl er erst am 20. Juni dieses Jahres auf der Data for Health Conference 2023 sagte: „Daten sind auch Teil der Menschenrechte. Meine Daten sind meine Daten, gehören zu meinen Menschenrechten.“
Grund genug für den Bayerischen Facharztverband (BFAV), die Bundesbürger gegen das automatische Anlegen der elektronischen Patientenakte zu sensibilisieren. „Die elektronische Patientenakte darf nur mit ausdrücklichem Einverständnis der betroffenen Bürger angelegt werden (OPT IN)“, fordert der BFAV in seiner Petition.
„Die Zugriffe auf Versichertendaten werden immer dreister und für die Betroffenen gleichzeitig gefährlicher“, warnt Gernot Petzold, Augenarzt in Kulmbach und IT-Spezialist im Vorstand des BFAV. Lauterbachs Renitenz ist ihm „völlig unverständlich“. Petzold hält es zudem für problematisch, dass die schweren Hackerangriffe keinerlei adäquaten Nachhall bei den Verantwortlichen im Gesundheitswesen finden. Auch die Medien hätten über diesen Vorfall nur sehr spärlich berichtet.
»Damit wird die Schweigepflicht abgeschafft«'
Das für dieses Jahr geplante Digitalgesetz sieht laut Petition vor, dass die elektronische Patientenakte für alle Bürger automatisch ab Geburt auf zentralen Speichern angelegt wird. Nur Personen, die rechtzeitig davon erfahren, können via Opt-out-Verfahren aktiv widersprechen. Alle anderen stimmen stillschweigend der Speicherung ihrer Daten zu. „Eine solche Widerspruchslösung ist bei der Organspende vom Bundestag abgelehnt worden“, schreibt der Fachärzteverband, „aber bei intimen, medizinischen Daten soll sie eingeführt werden? Das ist nicht akzeptabel!“
Ärzte werden laut BAFV verpflichtet, die Akte mit medizinischen Daten zu füllen – damit werde die Schweigepflicht abgeschafft. „Krankheitsdaten gehören zu den intimsten Informationen über jeden Menschen“, unterstreichen die Mediziner. „Private Gedanken und persönliche Informationen, die im vertrauensvollen Arztgespräch geäußert werden, gehören nicht in einen zentralen Speicher.“
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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