Von Alexander Wallasch
Vielleicht liegt es ja an den Ampel-Sondierungsgesprächen und den Medien, die daraus mit viel Aufwand Nachrichten extrahieren, dass ein viel spannenderes Thema überregional liegen geblieben ist, welches vor ein paar Tagen die Medien eigentlich nach Braunschweig hätte blicken lassen müssen.
Dort, mitten in Niedersachsen, wird schon seit vielen Monaten konzentriert an etwas gearbeitet, dass, so könnte man meinen, im Zusammenhang mit der Pandemielage einen gleichwertigen Stellenwert verdient hätte wie die Impfstoffentwicklung: die Entwicklung von Medikamenten gegen COVID-19.
Wenn es nämlich wirksame Medikamente gegen eine COVID-19-Erkrankung gäbe, dann wären Impfkampagnen, wie sie derzeit propagiert werden, unnötiger: Wirksame Medikamente nehmen die Angst. Und wer weniger Angst hat, der lässt sich kaum noch auf experimentelle Impfungen ein.
Mit dem Medikament der Forscher aus Braunschweig verhält es sich allerdings ähnlich wie mit den Totimpfstoffen: Die Entscheidung war früh für die Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gefallen. Über die Motivation dahinter kann man nur mutmaßen: Die Regierung erhoffte sich in dem Zusammenhang womöglich einen Life-Sciene-Technologie-Anschub für den Standort Deutschland, wofür Medikamente oder Totimpfstoffe wohl weniger geeignet erschienen.
Die Braunschweiger brauchten demnach länger um mit ihrem erstaunlichen Medikament in Fahrt zu kommen. Im Dezember 2020 schrieb der Autor hier über ein im Juni 2020 gegründetes Unternehmen namens CORAT Therapeutics GmbH mit besten Verbindungen zur Braunschweiger Universität:
Ausgerechnet bei den Corona-Risikogruppen der Alten und Vorerkrankten wirken Impfungen schlechter. Ein neues Medikament aus Braunschweig soll nun Corona-Viren medikamentös bekämpfen – aber wohl nicht als Alternative zum Impfen.
So ein Medikament ist für bereits Erkrankte von herausragender Bedeutung. Und es braucht keine besonderen pharmazeutischen oder sonstigen Kenntnisse, um zu ermessen, welchen auch monetären Wert so ein erfolgreiches Medikament hätte.
Aber erstaunlicherweise ging es nicht richtig vorwärts in Braunschweig. Jüngst gab es einen Hilferuf, dass man das Medikament leider nicht gut durch die Testphase bringen könnte: aus Mangel an ernsthaft an Corona Erkrankten!
„COR-101“, so heißt das Medikament, liegt also bereit, bereits in der Testphase möglicherweise Leben zu retten, aber es fehlt die entsprechende Zahl an wirklich Kranken.
Und weil das so ist, wurde sogar schon die Zulassung des dringend benötigten Medikamentes COR-101 verschoben. So dringend war es dann wohl doch nicht?
Und hier geht es auch nicht darum, dass etwa die Braunschweiger ein so gesundes Völkchen wären. Nein, der NDR, der hier in Niedersachsen die öffentlich-rechtliche Musik spielt, schrieb dazu noch am vergangenen Freitag:
„Die Braunschweiger Firma CORAT Therapeutics hat ein Corona-Medikament entwickelt. Um es in klinischen Studien zu testen, fehlen in Deutschland aber Probanden. Die Zulassung wurde bereits verschoben.“
Wozu ein Medikament ohne Kranke?
Präziser geht es um die zweite Phase der klinischen Medikamenten-Studie. Dafür benötigte CORAT Therapeutics 400 Probanden. Doch an den Studienstandorten in Braunschweig, Leipzig und Tübingen gab es zu wenige Patienten, die schwer an COVID-19 erkrankt wären.
Aber exakt für diese schwer Erkrankten ist das Medikament nun mal gedacht. Es geht um nicht weniger als darum, Leben zu retten. Die schon bald angepeilte Zulassung wurde aus Mangel an Krankheit erst einmal auf das kommende Jahr verschoben.
Stellt sich das Unternehmen schon die bange Frage, was passiert, wenn es bald noch weniger Krankheitsfälle sind? Oder schützt das Medikament auch gegen schwere Grippen? Vielleicht könnte man die anvisierte Zielgruppe ja modifizieren.
Im Vergleich zu den mRNA-Experimenten ist das Projekt aus Braunschweig vergleichsweise preiswert, das Unternehmen glaubt sich bei 100 Millionen Euro in „trockenen Tüchern“.
Es ist kaum zu glauben angesichts der Alarmrufe der Politik vor der nächsten Corona-Welle, aber das Unternehmen sucht sich seine Probanden, in diesem Falle also schwer an Corona Erkrankte, jetzt schon in der Ukraine, in Rumänien, in Russland und in Vietnam, wie der NDR berichtet.
Auch die Braunschweiger Zeitung berichtet quasi vom Ort des Geschehens: „Es gibt derzeit aber kaum geeignete Test-Patienten mit schweren Corona-Verläufen für das Medikament bei uns. CORAT Therapeutics muss ins Ausland ausweichen.“
Leider ist die Presseabteilung, die vor Monaten noch rasch persönlich fassbar war, mittlerweile schwer dran zu kriegen, vielleicht haben wir einfach Pech gehabt und zur falschen Zeit angerufen – oder die Presseabteilung arbeitet schon von Ho-Chi-Minh-Stadt aus, um den neuen Probanden des Unternehmens näher zu sein.
100 Millionen im Sack – aber keine Probanden
Im März dieses Jahres forderte der örtliche SPD-Kandidat nach einem Besuch bei CORAT Therapeutics in Braunschweig in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu auf, sich für eine Bundesförderung für das Medikament „COR-101“ gegen COVID-19 des Braunschweiger Unternehmens CORAT Therapeutics einzusetzen.
Der SPD-Abgeordnete dachte da an das neue Förderprogramm der Bundesregierung, das für die Entwicklung von Medikamenten ein erfreuliches Volumen von 300 Millionen Euro bereitgestellt hat.
Dann dauerte es trotzdem nochmal Monat um Monat, die einhundert Millionen für CORAT Therapeutics überhaupt zusammenzubekommen.
Und jetzt, wo die Finanzierung steht, mangelt es an Erkrankten, denen das Medikament ein Segen sein könnte? Also entweder funktionieren 3G und 2G in Deutschland schon zu gut oder die Kranken verstecken sich vor dem potentiell lebensrettenden COR-101 aus Braunschweig. Und an Corona Erkrankte kann man sich nun mal nicht backen.
Schwer Erkrankte kann man sich nicht backen
Parallel meldete der Merkur gerade, dass es auch dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca gelungen sei, ein Medikament gegen Corona zu entwickeln.
Bei dem mittlerweile schlechten Ruf des Impfstoffes (Stichwort: Hirnvenenthrombosen) aus demselben Haus sicher keine so schlechte Idee. „AZD7442“, so soll das Medikament heißen, soll laut Unternehmen das Risiko, mit einer COVID-19-Infektion einen schweren Krankheitsverlauf zu haben oder gar daran zu sterben, um bis zu fünfzig Prozent verringern.
Ganz gleich aber, wo das neue Medikament nun hergestellt wird und welches am Ende am wirkungsvollsten ist, für die Zulassungsphase braucht es zwingend Probanden, die schwer erkrankt sind. Und nach der Zulassung erst recht, sonst wäre die Entwicklung ja vollkommen sinnlos gewesen.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: ShutterstockText: wal
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