Zum sechsten Mal keine Antwort – was verbirgt Regierung bei PCR-Tests? Diesmal war es Wieler, der nicht beantwortete

Sehen Sie hier das Video zur heutigen Bundespressekonferenz – mit allen sechs (Nicht-)Antworten.

Vielleicht bin ich manchmal etwas zu kritisch. Aber wenn mir die Regierung in sechs Anläufen kein einziges Mal eine Frage zu einem ganz zentralen Punkt ihrer Corona-Test-Strategie beantwortet, dann macht mich das mehr als misstrauisch. Umso mehr, als mein Anliegen eines ist, das in meinen Augen sehr einfach zu beantworten wäre. Der Hintergrund; in einer neuen „Informationsnotiz“ stellt die Weltgesundheitsorganisation WHO im Januar noch einmal klar, was ihre Anleitung bzw. Unterweisung („guidance“) zu den PCR-Tests vorschreibt: „Wenn die Testergebnisse nicht mit der klinischen Darstellung übereinstimmen, sollte eine neue Probe entnommen und mit derselben oder einer anderen NAT-Technologie erneut getestet werden.“ Wenn also keine Symptome da sind, und trotzdem ein positives Testergebnis, soll neu getestet werden. Laut Anleitung der WHO. Schwarz auf weiß.

Auch heute verweigerte mir die Regierung wieder geradezu demonstrativ eine Antwort auf die Frage, wie es in Deutschland um diese Zweittests bestellt ist. Unten die Details. Aber der Reihe nach.

Am 22. Januar fragte ich deshalb Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Christian Drosten auf der Bundespressekonferenz nach dieser Information – also wie es um Zweittests in Deutschland bestellt ist. Denn immer wieder gab es Klagen, Privilegierte wie Fußball-Profis könnten sich nach einem positiven PCR-Test mit einem zweiten Test quasi „freitesten“ lassen – während das für Otto Normalverbraucher kaum möglich sei. Spahn delegierte die Frage an Drosten, der ging inhaltlich nicht darauf ein und sagte, die entsprechende Notiz der WHO sei nur für Länder, in denen das Laborniveau nicht ausreichend sei. Das steht so aber nicht in der Notiz. Und ganz unabhängig davon – die Regierung muss der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen, wie sie es mit Zweittests hält.

Dass sie dies nicht tut, dass sie sich der Blöße aussetzt, sechs Mal vor einer Antwort regelrecht zu fliehen, statt einfach klipp und klar zu sagen, was Sache ist, ist zumindest ein Indiz dafür, dass es hier etwas zu verbergen gibt. Tatsächlich hängt an der Thematik eine massive Dramatik: Es steht zumindest die Frage im Raum, ob hunderttausende Menschen in Deutschland unnötig in Quarantäne waren, weil sie keinen Zweittest erhielten – obwohl sie keine Symptome hatten, als der PCR-Test bei ihnen anschlug. Zudem steht die Frage im Raum, wie aussagekräftig die Statistiken des Robert-Koch-Institutes sind, wenn bei der Erfassung anders gehandelt wurde, als dies die WHO empfiehlt. Und diese Statistiken sind die Grundlage für den Lockdown und die ganzen Grundrechtseinschränkungen. Kurzum und etwas zugespitzt: Die Frage könnte durchaus eine Sollbruchstelle der deutschen Corona-Politik sein. Könnte. Sie kann es auch nicht sein. Aber warum legt die Bundesregierung dann nicht einfach transparent dar, warum sie es nicht ist – und hüllt sich lieber in ein extrem peinliches Schweigen? Mehr noch: In dem Hetz-Artikel der Süddeutschen Zeitung gegen mich wird genau diese Frage verächtlich gemacht und diskreditiert. Warum? Statt selbst kritische Nachfragen dazu zu stellen, diffamiert die auch vom Staat üppig bedachte Süddeutsche lieber einen Kollegen, der kritisch nachfragt. Interessant ist auch, wie viel Wut man sich auf Twitter zuzieht für das hartnäckige Nachfragen. Das belegt den alten Spruch des großen Journalisten Karl Kraus: „Was trifft, trifft zu“.

Ich kam dreimal hintereinander bei den wöchentlichen Bundespressekonferenzen mit Wieler und Spahn nicht zu Wort – deshalb musste ich etwas warten mit dem Nachhaken. Nach der Konferenz war Wieler noch im Gespräch mit zwei Kollegen, die sich ebenfalls beklagten bei ihm – allerdings aus anderen Gründen. Ich sagte ihm noch einmal, dass ich trotz sechs Versuchen keine Antwort erhielt. Wieler antwortete wieder nicht. Ich gebe unten zu Dokumentationszwecken alle sechs Versuche auf der Bundespressekonferenz wieder. Vorab der jüngste, heutige Versuch – und danach in chronischer Reihenfolge die vorherigen (auch im Video hier zum Ansehen):

12. März

Meine Frage auf der Bundespressekonferenz: „Eine Frage an Herrn Professor Doktor Wieler, und vielleicht kann noch Frau Doktor Richter-Scheer kurz aus der Praxis da noch etwas dazu sagen. In wie vielen Fällen wird nach einem positiven PCR-Test ein Zweittest durchgeführt und wie oft wird nach einem positiven Test ohne klinische Symptome ein zweiter durchgeführt? Vielen Dank!“

Vorsitzende Buschow: „Ich glaub, die Frage hatten wir schon…“

Wieler: „Herr Reitschuster, tut mir leid, ich habe die Zahl nicht im Kopf, also ich bin…“

Unterbrechung durch die Vorsitzende Buschow: „Das hatten wir schon…“

Wieler: „… kein wandelndes Zahlenlexikon. Aber die Zahlen können wir Ihnen auf Anfrage der Pressestelle geben, was wir an Informationen haben.“

Richter-Scheer: „Da kann ich nur sagen, die liegen dem Gesundheitsamt vor und nicht mir in der Praxis.“

22. Januar

Meine Frage auf der Bundespressekonferenz: „Herr Spahn, Herr Professor Drosten, die Weltgesundheitsorganisation hat vergangene Woche eine neue Informationsnotiz veröffentlicht zum Thema PCR-Test. Ich gehe davon aus, Sie kennen die, weil die WHO ist ja wichtig. Da wird gewarnt davor, dass die Tests leichter als man offenbar bisher annahm, ein falsch-positives Ergebnis ergeben können, heißt es explizit. Es heißt weiter explizit, man müsse sich die Umstände anschauen, auch die Anamnese und all diese Dinge. Nun steht das im Widerspruch; Herr Gülde hat im Oktober, Ihr Sprecher hat im Oktober hier gesagt, die Tests sind fehlerfrei, es ist alles immer sicher. Man hat hunderttausende Leute in Quarantäne geschickt auf Grundlage dieser Tests. Müsste man das jetzt nicht überdenken? Hat sich das geändert? Hat man sich damals geirrt?“

Herr Spahn: „Zum PCR-Test würde ich vorschlagen, weil das ist erstmal eine wissenschaftliche Frage, kann ja Prof. Drosten vielleicht zuerst was …“

Herr Drosten: „Ja, ich glaube, das lässt sich ganz kurz beantworten. Also, die Weltgesundheitsorganisation ist ja wirklich für die Gesundheitsversorgung auf der ganzen Welt zuständig. Auch für Länder, in denen der Ausbildungsstand beispielsweise bei Laborpersonal nicht ganz so hoch ist, und da gibt es also Arbeitsgruppen, die sich auch mit der Qualität von Labordiagnostik befassen. Und die haben so eine Notiz geschrieben, das ist die, die Sie gerade erwähnen. Und da steht im Prinzip nichts weiter drin als ‚Bitte lest auch die Gebrauchsanweisungen für diese Tests durch‘. Mehr steht da nicht. Also es ist tatsächlich so, natürlich kann jeder Labortest auch falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse machen. Aber das ist allenfalls die Einleitung dieser Notiz. Also der Sinn dieser Notiz ist tatsächlich, zu verhindern, dass Dinge verwechselt werden, dass vielleicht nicht gut durchgeführte Laboruntersuchungen in ihrer Auswertung an die Öffentlichkeit gelangen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass irgendein fundamentaler Zweifel an der Aussagekraft der PCR bestünde. Ganz sicher auch nicht bei der Weltgesundheitsorganisation.“ 

Reitschuster: „Für mich liest sich das wie eine Warnung!“

Herr Drosten: „Ich lese das nicht so.“

Herr Spahn: „Das ist ja das Schöne an unserer pluralen Gesellschaft, dass man eine Information gegebenenfalls unterschiedlich bewerten kann.“

27. Januar

Meine Frage an Spahns Sprecher Sebastian Gülde auf der Bundespressekonferenz: „Herr Gülde, die Weltgesundheitsorganisation hat am 13. Januar eine Informationsnotiz veröffentlicht. Darin hat sie sich relativ kritisch mit dem PCR-Test auseinandergesetzt und gesagt, dass es dabei eine Fehlerwahrscheinlichkeit gebe. Die offizielle Position der Bundesregierung war bisher ja: Die gibt es nicht. Ein ganz entscheidender Punkt ist, dass darin gesagt wird: Wenn jemand mit dem PCR-Test positiv getestet ist und keine klinischen Symptome aufweist, dann solle man noch einmal testen. Das ist in Deutschland bisher nicht passiert. Einige Fußballer konnten sich das leisten. Es wurde auch darüber geschrieben, dass sie sich dann ein zweites Mal testen ließen und sich freitesteten.

Nun kamen viele hunderttausend Menschen in häusliche Absonderung, wie sich das nennt. Sie alle hatten nur einen Test.

Meine Frage: Wollen Sie das aufgrund dieser Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation ändern? Bekommt jetzt jeder, der keine klinischen Symptome aufweist, die Möglichkeit zu einem Zweittest? Wird das auch mit den Kassen gemacht?

Wie schätzen Sie es ein, dass bisher möglicherweise viele in häuslicher Absonderung waren, obwohl sie es nach diesen Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation gar nicht hätten sein müssen?“

Gülde: „Herr Reitschuster, diese Fragen haben Sie an dieser Stelle bereits in der vergangenen Woche gestellt.“

Ich entgegnete: „Nein!“

Gülde: „Herr Professor Drosten hat Ihnen auch Auskunft dazu gegeben. Dem hätte ich jetzt, im Grunde genommen, nichts weiter hinzuzufügen.

Auch das RKI gibt Empfehlungen zum Umgang mit der PCR-Diagnostik. Diese sehen tatsächlich auch qualitätssichernde Maßnahmen im Falle unsicherer Testergebnisse vor. Es gibt die Möglichkeit der erneuten Testung beispielsweise mit einem anderen Testverfahren. Es gibt auch die Möglichkeit der Validierung durch einen in der PCR-Diagnostik erfahrenen Arzt und weitere Möglichkeiten unter Hinzuziehung eines Antikörpertests.“

Ich fragte nach: „Herr Gülde, die Frage wurde von Herrn Drosten nicht beantwortet, und sie war auch nicht so spezifisch. Daher wiederhole ich es. Sie haben auf die spezifische Frage nicht geantwortet.

In der Information der WHO heißt es explizit: Zweittest erforderlich, wenn keine klinischen Symptome. Noch einmal die Frage: Wird sich die Bundesregierung an diese Empfehlung der WHO halten oder entsprechenden Einfluss nehmen, oder hält sich die Bundesregierung nicht an diese Empfehlung der WHO?“

Gülde: „Es bleibt bei meinen Ausführungen dazu.“

Ich bemerkte: „Also keine Antwort.“

Gülde: „Ich habe Ihnen gerade eine Antwort gegeben.“

29. Januar

Meine Frage an Prof. Wieler: „Eine Frage an Herrn Professor Wieler. Und zwar noch einmal zu der Informationsnotiz der WHO, ich habe da schon zweimal gefragt, aber die Antworten waren nicht befriedigend. Der Herr Professor Drosten sagte, das sei für Länder mit schlechter Diagnostik. Jetzt habe ich aber auch zu Deutschland die Frage, dort heißt es explizit bei der WHO: positiver Test ohne klinische Symptome – nachtesten. Nun heißt es bei Ihnen in Ihrem Lagebericht, das RKI werte alle labordiagnostischen Nachweise unabhängig von der klinischen Symptomatik als Covid-19-Fälle. Die Frage: Seit wann machen Sie zwangsläufig einen Zweittest bzw. seit wann gibt es diese Richtlinie bei nichtklinischen Befunden? Weil, bisher war das ja oft nicht so. Und gibt es jetzt eine allgemeinverbindliche Regelung bei den Ct-Werten oder macht das jedes Labor so wie es das für richtig befindet? Vielen Dank.“

Wieler: „Also die Falldefinition des RKI, ich kann mich nicht erinnern, dass die sich über die letzten Monate geändert hat. Fälle, positiv PCR-bestätigte Fälle sind Fälle. Die haben wir immer so bestätigt. Was wir geändert haben, ist natürlich, seitdem die Antigen-Tests eingeführt wurden, die ja nicht genau so ein, also, die Qualität des Ergebnisses eines Antigen-Tests ist nicht übereinstimmend mit der Qualität einer PCR. Und da haben wir, ich weiß nicht mehr genau wann, vor einigen Monaten, haben wir dann die Empfehlung rausgegeben, dass positive Antigentests mit PCR nachuntersucht werden müssen. Aber die Falldefinitionen haben wir nicht angepasst.“

Meine Nachfrage: „Verstehe ich das dann richtig, dass Sie im Widerspruch zu den WHO-Richtlinien sind, weil die sagen ja, dass man nachtesten muss ohne klinische Befunde, und das RKI hat keine entsprechende Regelung?“

Wieler: „Also nochmal, wenn wir im Rahmen von Ausbrüchen, also es gibt ja zwei Gründe, warum man Diagnostik macht. Der eine Grund ist, eine Person ist symptomatisch. Und diese Person soll sich dann testen lassen. Übrigens haben wir zur Zeit rund 2 Millionen Testkapazitäten und wir testen zurzeit rund eine Million, in der letzten Woche war das so. Also die Hausärzte können auch intensiver wieder testen. Das ist vielleicht ein ganz guter Moment, das nochmal zu sagen. Die eine Indikation ist die, man hat ein Symptom. Man ist krank und möchte getestet werden. Das ist klar. Die zweite Indikation ist natürlich die, wenn sie in einem Ausbruch sind, und dann ist es ja klar, dass dann im Rahmen des Ausbruchs und der Kontaktnachverfolgung, dass ein Gesundheitsamt, das ist deren ureigene Aufgabe, natürlich dann auch Leute testet, die nicht symptomatisch sind. Das hängt ja immer vom jeweiligen Ausbruchsgeschehen ab. Das entscheidet dann entsprechend das Gesundheitsamt, dazu gibt es auch Empfehlungen. Das hat dann nichts mit Symptomatik zu tun, sondern die Verhinderung der Ausbreitung eines Virus, und dann werden natürlich, darunter fallen auch Menschen, die asymptomatisch sind.“

1. Februar

Meine Frage an Spahns Sprecher Hanno Kautz auf der Bundespressekonferenz: „Herr Kautz, zum vierten Mal eine Frage zum Thema WHO-Informationsnotiz. Die bisherigen Antworten fand ich nicht ausreichend. Es geht auch um Hunderttausende, die in Quarantäne sind. Dort steht schwarz auf weiß: Wenn jemand positiv getestet ist, er aber keine klinischen Symptome hat, muss nachgetestet werden. Mir ist nicht bekannt, dass das bisher in Deutschland der Fall ist. Ist das geplant? Wenn ja, ab wann? Wenn nicht, warum passiert das nicht? Danke.“

Kautz: „Herr Reitschuster, diese Frage haben Sie jetzt, ich weiß es nicht, viermal, fünfmal gestellt. Diese Frage ist aus berufenem Munde beantwortet worden. Ich würde darauf verweisen. Dem habe ich auch nichts hinzuzufügen; tut mir leid.“

Meine Nachfrage: „Die Frage ist in meinen Augen eben nicht beantwortet worden. Noch einmal die Frage: Wird bei einem positiven Test ohne klinische Symptome noch einmal getestet? Ist das geplant? Ja oder Nein? Sie können die Frage doch beantworten.“

Kautz: „Ich bleibe bei der Antwort, die ich gerade gesagt habe. Zu dieser Geschichte in Bezug auf die WHO ist an dieser Stelle mehr als genug gesagt worden.“

3. Februar

Meine Frage an Spahns Sprecherin Teresa Nauber auf der Bundespressekonferenz: „Wie ist das mit den PCR-Tests gehandhabt, die positiv ausschlagen und bei denen es keine klinischen Symptome gibt? Gibt es da die Möglichkeit für einen Zweittest? Fußballspieler und Prominente machen das ja oft. Wie ist die Regelung, was hat sich da seit Einführung der PCR-Tests geändert?“

Ihre Antwort: „Herr Reitschuster, ich glaube, es ist jetzt das fünfte Mal, dass Sie diese Frage stellen. Herr Drosten, Herr Wieler und Herr Gülde haben ihnen dazu Auskunft gegeben und am Montag haben Sie auch noch einmal Herrn Kautz gefragt. Ich hab dem jetzt wirklich nichts mehr hinzuzufügen.“

Meine Nachfrage: „Es ist tatsächlich das fünfte Mal, dass ich die Frage stelle, und es muss doch möglich sein, dass man beim fünften Mal eine Antwort bekommt. Also noch einmal die Frage: Wie handhaben Sie das?“

Nauber: „Ich habe dem nichts hinzuzufügen.“

Mein Fazit

Ich schließe mich den Worten von Spahns Sprecherin Nauber an: „Ich habe dem nichts hinzuzufügen.“

 

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

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Bild: Boris Reitschuster
Text: br


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