Von Alexander Wallasch
Wahlarena zweiter Durchgang, wieder mit den drei hinreichend bekannten Kanzlerkandidaten und wieder ohne weitere Parteien, wieder ohne die AfD in der Rolle des Oppositionsführers.
Dieses Mal nicht bei den Privaten, sondern wie früher beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, jenen Sendeanstalten, die einen großen Teil dazu beigetragen haben, eine Kandidatin der kleinsten Fraktion im Deutschen Bundestag überhaupt erst für die Rolle der Kanzlerkandidatin denkbar zu machen.
Irgendwann wird vielleicht einmal ein fleißiger investigativer Journalist kommen und ausrechnen, welchen Wert diese Sendezeit der letzten vier Jahre in Euro hat. Eine zig Millionen teure Gratis-Werbung jedenfalls für die grüne Annalena Baerbock auf Kosten des Gebührenzahlers.
Gar nicht mehr erwähnenswert ist, dass im darauffolgenden »Anne Will Spezial« wieder nur Vertreter der Parteien der Spitzenkandidaten sitzen – das traut man sich, da kennt man 2021 schon gar keine Scham mehr.
Also los: Maybritt Illner und Oliver Köhr mit den Kanzlerkandidaten von SPD, Union und den Grünen:
Armin Laschet soll gleich mal sagen, ob er auch den Juniorpartner der SPD geben würde. Herrje, vor ein paar Wochen hätte man ihn noch fragen können, ob er sich vorstellen kann, Juniorpartner von Baerbock zu werden – ja, es ist die Zeit der großen Demütigungen, es ist Wahlkampf. Und es gewinnt, wer unter den Schlägen am wenigsten zuckt – Olaf Scholz liegt als alter Masochist auch deshalb so komfortabel vorne.
Laschet will nicht antworten, er will lieber – gähn – „werben um den richtigen Weg für Deutschland“.
„Ich kämpfe mit voller Leidenschaft für den echten Aufbruch“, sagt Baerbock. Wahrscheinlich sollte man die ersten Minuten gar nichts schriftlich festhalten, diese Phrasendrescherei nutzt sich einfach zu schnell ab. „Klimaschutz, Digitalisierung, Familie“ seien die Themen der Zukunft.
Mensch, da fehlt doch was. Oder läuft Zuwanderung bei Annalena unter Familie und Grundrechte unter Digitalisierung? Diese Digitalisierungsphrasen hängen den Deutschen längst zum Hals raus. Denn damit hat Angela Merkel schon die letzten beiden Wahlkämpfe aus der Phrasendreschmaschine gefüttert.
Sie eiert pflichtgemäß ein paar Sätze lang darum herum, dann ist es raus: Annalena Baerbock will eine grüne Führung notfalls auch mit den Linken. „Selbstverständlich ist das eine demokratische Partei“, sagt die grüne Kanzlerkandidatin. Und die Grünen würden eine aktivere Außenpolitik machen, setzt sie nach – das ist, was den Menschen viel mehr Sorgen machen sollte. Denn grüne Außenpolitik heißt zunächst einmal mehr Zuwanderung und dann noch mehr Zuwanderung – mehr muss man dazu nicht wissen. Wer heute Außenminister Heiko Maas (SPD) verflucht, der hat keine Spucke mehr für das, was dem schlechtesten Außenminister der Bundesrepublik nachfolgen würde – es wäre ein Staffellauf.
„Die AfD steht nicht auf dem Boden des Grundgesetzes“, sagt Baerbock. Aber welches Grundgesetz meint sie? Dieses Rumpfgrundgesetz unter der Knute der politischen Pandemie?
Dann fällt irgendwo im Studio ein Scheinwerfer um und Baerbock versucht sich kurz als Stand-Up Comedian. Sie scheitert. Scholz will mit den Linken, aber nur, wenn die die Natomitgliedschaft nicht anfassen und wenn deutsche Soldaten mit entsprechenden Mandaten weiter ins Ausland dürften.
Olaf Scholz soll sich zur Razzia im Finanzministerium äußern. Er macht das, aber der Zuschauer versteht schon nach wenigen Sätzen nichts mehr, der Fall ist einfach nicht präsent in den Köpfen. Was da tatsächlich passiert ist, versteht man (noch) nicht.
„Wir setzen sogar künstliche Intelligenz ein, wir haben eine Unternehmensberatung beauftragt …“ – wirklich merkwürdige Sätze sind das von Scholz. Scholz hält gerne den Rücken hin, steht da wie ertappt. Aber – und das haben wir schon im ersten Durchgang gesehen – Laschet kann trotzdem nicht punkten mit seinem gegen den Himmel ausgestreckten Du-Du-Zeigerfinger.
Baerbock hält sich derweil wieder schlau raus. Und dann darf Laschet auch noch den Wirecard-Skandal aufblättern. „Wenn mein Finanzminister so arbeiten würde wie Sie“, sagt der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zum Bundesfinanzminister, „dann hätten wir ein ernsthaftes Problem.“ Die Herren neutralisieren sich gerade.
Baerbock soll auch auf Scholz einschlagen, wünscht sich die Moderation. Die mag jedoch gar nicht. Sie möchte aber Steuerbetrug verhindern. Klar, grüne Politik braucht viel Geld und viele Steuern würden unter Grün wegbrechen.
„Sie verdrehen hier ganz bewusst, das müssen sie sich vorwerfen lassen Herr Laschet.“; sagt Olaf Scholz. Laschet habe absichtlich einen falschen Eindruck erweckt. „Und das machen Sie aus nicht guten Gründen.“ Niemand versteht mehr, worum gestritten wird.
„Das Ergebnis Ihres Tuns ist, dass die Aufsicht versagt hat.“, wirft Laschet dem Sozialdemokraten in der Frage noch hinterher. Aber selbst wenn Laschet recht hätte, hier wird um das Gestern gestritten, nicht um das, was morgen werden wird – das nutzt keinem außer Baerbock, die bis dahin schon mehrfach den Begriff „Zukunft“ für sich apostrophiert hat.
Annalena Baerbock will Bargeldkäufe im großen Maßstab verbieten. Das ist ihr nur rausgerutscht, aber die Zuschauer haben es gehört. Und auch nicht kriminelle Bürger haben das deutlich als Übergriffigkeit in ihre Geldgeschäfte verstanden.
Dann wird’s es richtig giftig: Moderator Oliver Köhr zieht plötzlich gegen Armin Laschet die Hans-Georg-Maaßen-Karte aus dem Ärmel wie ein Trickbetrüger. Maaßen würde – Köhr sagt es tatsächlich: – „Fake News über Twitter“ verbreiten. Machen ehemalige Journalisten so etwas eigentlich aus Überzeugung oder des Geldes wegen?
Laschet beantwortet es zunächst recht trocken: „Er ist Mitglied der CDU.“ Punkt. Der Wahlkreis hätte sich für Herrn Maaßen entschieden, „das haben wir zu respektieren.“ Da wird dann auch Maybritt Illner ganz aufgeregt und unterbricht versehentlich ihren über seine mutige Frage ganz aufgeregten Mit-Moderator Köhr, der aber gleich weiter bohrt: „Würden Sie Herrn Maaßen ihre Stimme geben?“ Laschet sagt geistesgegenwärtig – oder übt man so etwas im Vorfeld? – er wähle im Wahlkreis Aachen, die Frage stelle sich für ihn daher nicht. „Herr Maaßen wird sich an den Kurs halten müssen, den ich vorgebe als Parteivorsitzender und, wenn ich das Vertrauen habe, auch als Bundeskanzler.“
Das ist allerdings ein recht merkwürdiger Blick auf die nur dem Gewissen verpflichteten Abgeordneten. Oder will er Maaßen etwa einen Ministerposten geben? Das wäre freilich etwas anderes.
Und dann hat Maybritt ja noch ihre Frage, was denn wäre, wenn sich Maaßen über „Massenzuwanderung“ äußern würde. Ob Laschet das kritisieren würde. Es wird also grotesk: Laschet soll schon per se Kritik an der Massenzuwanderung verurteilen?
Aber Armin Laschet liefert schon bereitwillig, was von ihm verlangt wird: Die Entscheidung der Bundeskanzlerin sei 2015 richtig gewesen, „dass sie die Grenzen nicht geschlossen hat.“ Wie kann man so einen Unsinn erzählen, wo es doch die Kanzlerin selbst war, die gesagt hatte, 2015 dürfe sich nicht wiederholen. Und aktuell wird von der Bundesregierung weiter alles getan, dass es sich eben doch wiederholt – die Taliban bekommen quasi Lösegeld für neue Afghanen für Deutschland in dreistelliger Millionenhöhe. Das alles, was an Ressentiments geäußert wird, sei nicht akzeptabel, sagt Laschet sogar noch.
Erstes Fazit also: Keiner der drei Kandidaten will etwas für ein Ende der Massenzuwanderung tun, Laschet ist in diesem Beritt sogar der mit den längsten Sporen, wie er soeben bewiesen hat.
Baerbock soll sich zu Boris Palmer äußern und prahlt damit, dass sie eine Entschuldigung eingefordert hätte, die nicht kam. Da würde sie sich von Armin Laschet unterscheiden, sie will so einen dann nicht mehr.
NSU, Halle, Hanau – Baerbock spielt diese wirklich düsteren Karten tatsächlich gegen Hans-Georg Maaßen. Das ist so schmutzig, wie es klingt, richtiggehend dreckig ist das. Denn Maaßen kann sich nicht wehren und auch Laschet zeigt dem ‚Parteifreund‘ gegenüber keine Loyalität. Barbock will von Laschet, „dass sich die Brandmauer voll und ganz schließt.“ Dann noch: „Ich bin Parteivorsitzender meiner Partei“, verspricht sich Annalena Baerbock, was wiederum erheiternd ist, denn dann wäre doch keine Frau in der Runde der Kanzlerkandidaten.
Laschet weiter: „Die größte Bedrohung für die Demokratie geht von rechts aus.“ Vielleicht stimmt das mittlerweile sogar. Aber es ist ganz falsch formuliert: Die größte Gefahr nicht für die Demokratie, sondern für die links-grün verfärbten etablierten Altparteien geht von rechts aus. Und die Rechten bzw. Konservativen sind auch deshalb so angriffslustig, weil auch sie reklamieren, die Demokratie retten zu wollen. Aber es kann ja nur einer richtig liegen.
„Die Rechten sind am Ende die geistigen Brandstifter, die zu solchen Morden führen“, sagt Laschet ganz eindeutig Richtung AfD. Aber möglicherweise führen am Ende solche üblen Anwürfe und antidemokratischen Auswüchse zu Verwerfungen. Diese nimmt Armin Laschet billigend in Kauf. Er bleibt derselbe Zuwanderungs-Laschet von 2015. Das immerhin ist jetzt deutlich. Denn falls bis hierher noch irgendwelche Träumer dachten, der gute Herr Laschet wäre etwa nicht Teil dieser Machteliten ohne Gewissen und ohne Blick auf das Land und die Menschen, dann haben sie sich getäuscht.
Baerbock freut sich – sie hat Laschet genau da, wo sie ihn haben wollte. Wer sich aber so vorführen lässt, der will nicht gewinnen, der unterstützt mit so einer Schlechtleistung das, was dann kommen wird über Deutschland.
„Bitte lassen sie sich impfen“, mahnt Baerbock. Und Kinder, die noch nicht geimpft werden können, sollen weiter in die Kita und Schulen gehen können. Die Grüne kommt also hier mit einem Appell für das Impfen der 12-17 Jährigen. Und Baerbock legt noch einen drauf: Die Kitas und Schulen müssten offengehalten werden. Und wer sich nicht impfen lassen will … tja, „wir sind ein freies Land.“ Der soll also mit den Kindern zu Hause bleiben?
Olaf Scholz ist sich sicher, die nächste Welle träfe die Ungeimpften, die müssten geschützt werden durch verstärkte Impfangebote. Baerbock will die Frage einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen jetzt endlich angehen. Da würde kein Rumgeeier mehr helfen. Nicht nur der Gesundheits-, auch der Bildungsbereich soll, wenn die Gefahr eines Lockdowns besteht, pflichtgeimpft werden. Und die Grünen wären auch für Pflichttestungen am Arbeitsplatz. Annalena Baerbock möchte „die Jüngsten schützen“. Aber vor was eigentlich? Selbst renommierte Studien bestätigen längst, dass hier eine Impfung vollkommen unsinnig ist. Kinder erkranken nicht, wozu also einem Impfrisiko aussetzen? Das wäre doch schon aus medizinethischer Sicht in hohem Maße verwerflich.
Zweites Fazit: Diese Frau ist vor allem deshalb gefährlich. weil sie über keinerlei emotionale Intelligenz verfügt. Sie ist so vollkommen unempathisch, wie es die Psychologie nur von 110%igen Ideologen kennt – das ist die geistige Verfasstheit der grünen Kanzlerkandidatin. Und noch etwas Interessantes fällt hier auf: Baerbock wirkt immer so wenig authentisch, wenn sie versucht zu lächeln. Irgendwer muss ihr empfohlen haben, öfter zu Lächeln, aber es schlägt fehl. Annalena Baerbock kann nicht lächeln!
Oliver Köhr unterbricht Maybritt Illner gefühlt öfter als sich die Kandidaten gegenseitig unterbrechen – aber Illner nimmt es sportlich und der aufgeregte Herr Köhr verliert hier sehr gegenüber der versierten Kollegin.
Während eifrig über Digitalisierung gesprochen wird, ein Blick in die Runde: Baerbock trägt lila Pumps und Scholz und Laschet die gleichen dunkelroten Krawatten. Und was man jetzt überhaupt nicht hören möchte, ist, was die Berater von Laschet ihrem Kandidaten mutmaßlich zum Klimaschutz haben auswendig lernen lassen – auch das alles eine unangenehme Anbiederung an den grünen Wunschpartner.
Olaf Scholz drängelt und will etwas unbedingt noch loswerden, aber Annalena Baerbock ist eigentlich dran. Was hat er zu sagen? „Ich will festhalten, dass ich Armin Laschet nicht zustimme.“ Was für eine überraschende Erkenntnis für die Zuschauer.
Baerbock spricht von Vergangenheitsbewältigung der beiden Mitbewerber, was Klimapolitik angehen würde. Und recht hat sie: denn Laschet und Scholz haben sich auf den Klimazug der Grünen aufgeschwungen, sitzen nun auf den hinteren Plätzen und Baerbock steuert munter die E-Lokomotive.
Baerbock erklärt Laschet dann noch grüne Politik, vergisst aber wohl, dass Millionen zuschauen am Sonntagabend – wenn der »Tatort« deswegen schon ausfällt. „Jedes Verbot ist auch ein Innovationstreiber.“ Ja, das versteht sogar der kleine Max vom Schulhof schon: Aus Schmerzen lernt man. Wer aber immer wieder verprügelt wird beim Nachhause gehen, der nutzt eben den Hinterausgang. Ja, das kann man eine innovative Entscheidung nennen – aber auf dem Abschlussball der Zyniker.
Irgendwann, beinahe am Schluss der Runde, soll noch über Zuwanderung gesprochen werden. Jeder der drei soll sagen, wieviele Menschen denn nun die Obergrenze wären.
Armin Laschet sagt: „Wir brauchen ein neues Klima, das signalisiert, wir laden jeden ein, der einen Beitrag leisten kann, nach Deutschland zu kommen.“ Und es steht zu befürchten, dass er das auch so meint. Denn selbst wenn er weiter ausführt, er sei gegen eine Einwanderung in die Sozialsysteme, so weiß jeder, dass das lückenhafte Einwanderungsgesetz eben genau das via Probezeiten befördert. Aber viel schlimmer noch: Laschet wiederholt, was diesem Land längst zum Verhängnis geworden ist: „Asyl kennt keine Obergrenze.“ Laschet spricht von „Bleibemöglichkeiten“ Gutintegrierter. Von den Abschiebemöglichkeiten der garnicht so gut integrierten selbstredend kein Wort von ihm.
Besonders einprägend dann die Schlussminute von Armin Laschet nur deshalb, weil der CDU-Chef ausgerechnet Annalena Baerbocks Verhalten aus der Ersten Sendung kopiert und nun seinerseits von seinem Pult weg und vor die Kamera tritt.
Baerbock ist dran und erklärt, dass die nächste Regierung nun die letzte sei, die noch aktiv Einfluss auf das Klima nehmen könne. Und das sei die Aufgabe ihrer Generation, stichelt sie gegen die beiden älteren Männer. Es ist leider erbärmlich.
Und dann steht Olaf Scholz als in der Gunst führender Bewerber vor der Kamera und wirkt dabei so alleine. „Dienen“ will er, wie schon im ersten Durchgang. Da steht ein Diener mit einer masochistischen Ader und er steht aktuell am besten da.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger und betreibt den Blog alexander-wallasch.de. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann) schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“ Seit August ist Wallasch Mitglied im „Team Reitschuster“.
Bild: Screenshot Video Pro7Text: wal