Minnesota erlaubt Abtreibungen aus jedem Grund und zu jeder Zeit „Brutal, schrecklich und emotional schwierig“

Von Kai Rebmann

Am 24. Juni 2022 hat der Oberste Gerichtshof der USA das bis dato in der Verfassung verbriefte Recht auf Abtreibung gekippt. Dieses höchstrichterliche Urteil wird jetzt durch einen neuen Gesetzesentwurf aus Minnesota ad absurdum geführt. Nachdem der Supreme Court in seiner Entscheidung noch das „uneingeschränkte Recht auf Abtreibung während des ersten Trimesters der Schwangerschaft“ untersagt hatte, erlaubt das von Gouverneur Tim Walz unterzeichnete Papier Abtreibungen „zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft ohne Einschränkungen“.

Demnach darf der Staat die Ausübung des Rechts auf „reproduktive Freiheit“ nicht einschränken, wie es in dem Entwurf heißt. Der Demokrat verteidigte seine Unterschrift: „Die Botschaft, die wir heute an Minnesota senden, ist sehr klar. Ihre Rechte sind in diesem Staat geschützt. Sie haben das Recht, Ihre eigenen Entscheidungen über Ihre Gesundheit, Ihre Familie und Ihr Leben zu treffen.“ Das neue Gesetz (H.F.1) garantiere ein „Grundrecht“ auf Zugang zu Abreibungen, so Walz weiter.

Im Klartext: Minnesota gestattet den Abbruch von Schwangerschaften künftig „aus jedem Grund und zu jedem Zeitpunkt“, im Zweifel bis zur Geburt, wie Cathy Blaeser betonte. Die Vizechefin der „Minnesota Citiziens Concerned for Life“ (MCCL) präzisiert die praktischen Folgen weiter: „Nach diesem Gesetzentwurf genießen selbst Babys, die alt genug sind, um außerhalb der Gebärmutter zu leben und schreckliche Schmerzen zu empfinden, keinen Schutz vor tödlicher Gewalt. Der H.F.1 innewohnende Extremismus stellt Minnesota auf eine Stufe mit Ländern wie Nordkorea oder China.“

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Lebensfähig, aber schutzlos ausgeliefert

Alt genug, um leben zu können, wie Blaeser es zutreffend nennt, heißt natürlich nicht, alt genug, um sich und das eigene Recht auf Leben auch selbstständig verteidigen zu können. Geschützt werden durch das neue Gesetz nach Ansicht der Aktivistin vor allem die „abscheulichsten Kriminellen“. So bezeichnet Blaeser Menschen- und Sexhändler, die sich fortan „hinter den Türen von nicht genehmigten und nicht inspizierten Abtreibungszentren“ verstecken können: „Diese Menschenhändler freuen sich, dass die Legislaturperiode mit Gesetzentwürfen für extreme und uneingeschränkte Abtreibungen voranschreitet, die es ihnen ermöglichen, weiterhin mit ihren Opfern Handel zu treiben.“ Denn: Selbst die Eltern von Minderjährigen haben künftig keinen Anspruch mehr, zu erfahren, dass ihre Tochter schwanger war oder ist, und eine Abtreibung hat vornehmen lassen bzw. selbiges beabsichtigt.

Und auch Cathy Blaeser ist sicher: „Die Menschen in Minnesota befürworten keine freiwillige Abtreibung im dritten Trimester. Sie tun es schlichtweg nicht. Aber das ist es, was dieser extreme Entwurf in das Gesetz unseres Staates schreibt: das Recht, jedes Baby aus jedem Grund und zu jeder Zeit bis zur Geburt abzutreiben.“ Jüngste Umfragen vor der Verabschiedung des Entwurfs im Repräsentantenhaus sowie anschließend im Senat scheinen der Aktivistin Recht zu geben. Demnach sind nur rund 30 Prozent der Bevölkerung Minnesotas der Ansicht, dass Abtreibungen immer legal sein sollten.

Trotzdem sind in den vergangenen Wochen und Monaten gleich mehrere Anträge abgelehnt worden, die H.F.1 entschärft hätten. Dazu gehören Verbot von Abtreibungen im dritten Trimester der Schwangerschaft, ausschließliche Durchführung von Abtreibungen in Krankenhäusern, Möglichkeit der Betäubung der ungeborenen Kinder oder das Verbot von Abtreibungen durch eine sogenannte „Teilgeburt“. Im Gegenzug sind dafür noch weitere Beschränkungen beseitigt worden, die bisher noch dem Schutz Neugeborener dienten, die eine Abtreibung überlebt haben, unter anderem die Gesetze H.F. 91 und S.F. 70.

Ärzte mit Gewissenskonflikten

Dass grundsätzlich lebensfähige Kinder ihre eigene Abtreibung überleben, kommt tatsächlich gar nicht so selten vor. Irland gehörte bis zur Verabschiedung des „Health Act 2018“ zu den Ländern mit den weltweit strengsten Gesetzen zum Schutz des ungeborenen Lebens. Inzwischen sind in der Republik auch Spätabtreibungen bis kurz vor dem Geburtstermin erlaubt.

Das University College of Cork hat dazu Ende 2020 eine Studie veröffentlicht, in deren Rahmen Ärzte zu Wort kommen, die derartige Eingriffe durchführen (müssen). Die Organisation „Right to Life“ zitiert einen Mediziner, der den Fetozid als „brutal, schrecklich und emotional schwierig“ beschreibt: „Ich weiß noch, dass mir hinterher schlecht geworden ist auf dem Flur, weil es eine schreckliche, furchtbare Prozedur war.“

Gesetze wie jene in Irland oder jetzt auch in Minnesota bringen Ärzte in einen tiefen Gewissenskonflikt. Ihr Berufseid steht vom Staat erlassenen Gesetzen wie dem Recht auf Abtreibung „aus jedem Grund und zu jedem Zeitpunkt“ diametral entgegen. Laut der Studie sehen sich nicht wenige von ihnen direkt „für den Tod der Babys verantwortlich“. Der Gesetzgeber versucht zwar, derartige Gewissensbisse aus der Welt zu schaffen, scheitert damit aber regelmäßig, wie sich am Beispiel Irland zeigt.

Zum Sterben liegengelassen

Laut „Health Act 2018“ dürfen nur solche Babys spätabgetrieben werden, bei denen eine „fetale Anomalie“ diagnostiziert wird und deren Lebenserwartung bei weniger als 28 Tagen läge. Doch wer soll das entscheiden? Und wie? Ein Arzt berichtet in der Studie von der Abtreibung eines Jungen, der scheinbar an Trisomie 18 gelitten haben soll. Nach der erzwungenen Totgeburt stellte sich heraus: Das Kind wäre kerngesund gewesen. Eine Fehldiagnose mit tödlichen Folgen!

Aber nicht alle Abtreibungen führen zum „gewünschten“ Ergebnis. Was die Ärzte in der Studie über diese Fälle berichten, ist schwer verdauliche Kost. Aus der Studie geht hervor, dass den Ärzten offenbar „jegliche Palliativversorgung“ von lebendgeborenen Kindern untersagt ist und diese „zum Sterben liegengelassen“ werden müssen. Die Babys werden deshalb in Nebenzimmer gebracht, wo sie sich und ihrem Schicksal überlassen werden.

Der Wiener Gynäkologe Peter Husslein beschreibt diese Prozedur gegenüber dem ORF so: Die Abtreibung erfolge durch die Gabe sehr starker Wehenmittel, „in der Hoffnung, dass der Fötus daran stirbt.“ Das sei, wenn man genau darüber nachdenkt, ein qualvolles und stundenlanges Sterben. Wenn der Fötus dann aber trotzdem lebend auf die Welt komme, sei das „eine entsetzliche Situation für alle Beteiligten.“ Schlusswort von Peter Husslein: „Letztlich ist es grausam, wenn man das Kind einfach sterben lässt, und zwar langsam – an Sauerstoffmangel.“

Tim, das 'Oldenburger Baby', das sich weigerte, zu sterben

Bundesweite Bekanntheit erlangte das „Oldenburger Baby“, eines dieser Kinder, das seine eigene Abtreibung überlebt hat. Nachdem die Mutter in der 25. Woche mit der Diagnose Trisomie 21 (Down-Syndrom) konfrontiert worden war, entschieden sich die Eltern gegen das Kind. Noch am selben Tag wurde eine Kalium-Chlorid-Lösung injiziert, um die Abtreibung einzuleiten. Tim kam am 6. Juli 1997 zur Welt, wog 690 Gramm, war 32 Zentimeter klein – und lebte.

Die Mutter wollte ihr Neugeborenes nicht sehen, die diensthabenden Hebammen legten das nackte menschliche Bündel zum Sterben in ihr Schwesternzimmer. Als das Kind am nächsten Morgen – zehn Stunden später und mit einer inzwischen auf 28 Grad abgesunkenen Körpertemperatur – aber immer noch geatmet hatte, entschied sich eine Hebamme der nächsten Schicht, den Jungen doch zu versorgen. Aufgrund der im Laufe des stundenlangen Überlebenskampfes erlittenen Schädigungen gingen die Ärzte von einer maximalen Lebenserwartung von einem Jahr aus.

Tim wuchs in einer Pflegefamilie auf und starb am 4. Januar 2019 im Alter von 21 Jahren an den Folgen einer Lungeninfektion.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

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