Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen
Erinnern wir uns noch daran, wie Theresa May unter Tränen die Downing Street verließ? Ein tragischer, menschlicher Augenblick, in dem die Premierministerin dafür Verantwortung übernahm, dass sie für ihr Brexit-Abkommen keine Mehrheit im britischen Unterhaus bekommen hatte.
Bis zuletzt hatte sie dafür gekämpft, ihre alternativlose Vertragslösung durchsetzen zu können. Aber sie scheiterte krachend, so sehr sie auch betonte, dass die Alternative nur sein könne, dass die Briten die EU ohne Nachfolgevertrag verlassen müssten.
Schon am nächsten Tag gab es deutliche Absetzbewegungen aus verschiedenen Bundesländern und ebenfalls von diversen Kommunen.
Jetzt wollte jeder seinen eigenen Weg!
In Deutschland blühten plötzlich Modellprojekte auf kommunaler und auf Landesebene, und die altbekannten Kanzlerflüsterer (und Zero-Covid-Fanatiker) waren entsetzt. Willkommen im Pluralismus!
Die zwangsläufige Antwort auf eine „suboptimale Top-Down-Politik“ von Angela Merkel.
Wer sich gegen diesen „Wettbewerb der Methoden“, mit der Pandemie zu leben, empört, sind natürlich die Zentralisten, die in unserem föderalen System vor allem die Defizite sehen. Absurderweise sind das gerade die Grünen, die über genau diesen Föderalismus Schritt um Schritt aufgestiegen sind und jetzt in Berlin die Macht riechen können.
Genau diese Grünen forderten einen bundeseinheitlichen Ansatz der Pandemiebekämpfung, unterstützt von so illustren Linken wie Bodo Ramelow, der die Kanzlerin um einen mächtigen Stufenplan anflehte, der das ganze Land (im Fünf-Jahres-Plan) aus der Pandemie führen sollte.
Lässlich, Leute wie Lauterbach und Drosten zu erwähnen, die eigentlich nur das eine, ziemlich linke Konzept haben: „Alles dichtmachen!“ Die Leute bleiben gefälligst zu Hause und bewegen sich nicht.
Inzwischen ist eine ironische Kampagne von gebeutelten Schauspielern durchgelaufen, die sich auch #allesdichtmachen nannte. Sie wurde von den Medien in der Luft zerrissen.
Dieses qualitativ diktatorische Konzept folgt einem psychologischen Mechanismus, den wir „Try-Harder-Cycle“ nennen. Wenn der bestehende Lockdown keine Wirkung zeigt, dann muss er eben verschärft werden, bis sich nichts mehr bewegt. „Try it harder“, versuche es noch mehr, noch härter und noch schlimmer. Dieser Reflex, der von den Medien übernommen und beworben wurde, ist immer noch auf Hegemonie-Kurs, obwohl er unsinnig und vor allem unflexibel ist.
Das voraussichtlich verfassungswidrige, bundesweite Notbremse-Gesetz der Kanzlerin befindet sich mitten in diesem „Try-Harder-Cycle“.
Wenn ein Konzept nicht funktioniert, dann wechselt man es gefälligst und versucht es nicht ins Extreme zu überdehnen. Das ist in der linken Hälfte unserer Gesellschaft leider nicht bekannt, weshalb sie zu diktatorisch-autoritären Problemlösungen neigt. Gemeint sind Linke, Grüne und SPD, ganz explizit, und die Kanzlerin gehört dazu!
Modellversuche auf der föderalen Ebene sind dringend erforderlich!
Denn wenn es kein wirksames Konzept gibt, die Pandemie zu kontrollieren, braucht es ein Brainstorming, und genau das passiert nun unterhalb der Berliner Schwelle. Teststrategien, moderate Öffnungsansätze, Hygienestrategien und Lockdowns auf kommunaler Ebene, wenn sie nicht zu vermeiden sind. So öffnen Städte, Gemeinden und Länder und können damit scheitern, aber auch gewinnen.
Natürlich, denn es sind ja Modelle, die aber dringend erforderliche Methoden ermitteln, wie wir uns erfolgreich gegen das Virus schlagen können, ohne weiterhin das Leben einzustellen.
Genau der richtige Weg, wenn man den Weg nicht kennt.
Ausprobieren und verwerfen und wieder ausprobieren. Dabei darf man sich auch streiten!
Das ist der Segen des Pluralismus, der politischen Diversität, welche jetzt ausgerechnet von denen, die diese Begriffe in ihren Programmen stehen haben und ständig auf den Lippen tragen, strikt bekämpft wird.
Deutschland ist zurzeit ein Lehrbeispiel, wie echter Pluralismus gegen linken Totalitarismus (mit der Kanzlerin an der Spitze) kämpft.
Es ist sehr zu hoffen, dass Merkel zur Einsicht kommt, oder aber, wie Theresa May in Großbritannien, unter Tränen das Kanzleramt verlässt. Die Kanzlerin ist nämlich zum Teil des Problems geworden und schleift einen politischen Hofstaat der Schleimer und Ja-Sager mit sich, auch wenn sie keine adäquaten Antworten mehr hat.
Dies sollte, in einer funktionierenden Demokratie, eigentlich der Schlusspunkt für einen Regierungschef sein, gern auch „unter Tränen“.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“
Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.
Text: Gast