Es begann mit Zuckerbrot: „Die Infektionszahlen sinken. Grund dafür ist vor allem das Verhalten der Bürger“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn am Freitag auf der Bundespressekonferenz. Die Menschen im Land hätten Kontakte und Mobilität reduziert, dafür möchte er danken, so der CDU-Politiker. So konnte sich der positive Trend der letzten Woche fortsetzen. Sodann folgte die Peitsche. Spahn warnte vor zu schnellen „Lockerungen“: Den „Trend gilt es zu verstetigen, zu viele öffnen derzeit zu viel. Das trägt auch ein Risiko in sich“, so der Minister mit Blick auf das Ausland.
Weiter warnte Spahn: „Steigende Zuversicht darf nicht dazu führen, dass wir bei der Vorsicht nachlassen.“ Da, wo gelockert werde, sollen nach dem Willen des Ministers die Lockerungen nur im Außenbereich stattfinden. Wichtig sei zudem vor allem auch ein weiteres Testen: „Wenn wir es jetzt schaffen bis Ende Mai, wird das einen entscheidenden Unterschied machen“, so Spahn: „Es handelt sich nur noch um wenige Wochen, Monate. Das Gesundheitssystem war zum Glück nie komplett überfordert.“
Bereits im Herbst hatte die Bundesregierung angekündigt, es ginge nur um wenige Monate beim Herunterfahren des öffentlichen Lebens.
In Sachen Impfen sei unser Land inzwischen auf der „Überholspur“, sagte der Minister: „Deutschland ist gut im Elfmeterschießen“. Spahn sagte, er traue den Ärzten bei der Entscheidung, in welchen Intervallen die Zweitimpfungen stattfinden sollen. Wenn Menschen Anfang Mai sagten, sie hätten keine Lust mehr auf Astrazeneca, wenn sie mit dem Wirkstoff bis August auf ihre Zweitimpfung warten müssten, sei das eine menschliche Reaktion, sagte Spahn.
Zur Freigabe von Astrazeneca, also Verimpfung des Stoffes ohne Priorisierung, sagte Spahn, dass 70 Prozent der über 60-Jährigen bereits eine Erstimpfung erhalten haben. Das seien die allermeisten derjenigen, die sich impfen lassen wollen. Aus diesem Grunde habe sich die Frage gestellt, wie man das Tempo halten könne. Er kenne sehr viele, die bereit seien, sich mit Astrazeneca impfen zu lassen, so der Minister. Gleichzeitig höre er aus vielen Arztpraxen, dass es sehr schwierig sei, die Priorisierung bei Astrazeneca einzuhalten. Deswegen sei die Freigabe schon früher geschehen, als die allgemeine Auflösung der Priorisierung, die im Juni kommen soll.
Spahn sagte, er sei zuversichtlich, dass es wahrscheinlich im Juni eine Zulassung für den Biontech-Impfstoff auch für über Zwölfjährige geben wird. Es sei jetzt schon die Verantwortung zu planen, wie Kinder geimpft werden können, sollte die entsprechende Zulassung kommen, sagte Spahn. Demnach sollen Konzepte in den Ländern erarbeitet werden, wie man mit Hilfe von Kinderärzten und möglicherweise auch in Schulen oder Impfzentren impfen könnte. Das sollte bis Ende August passieren, sollte der Biontech-Impfstoff für Kinder zugelassen werden.
RKI-Chef Lothar Wieler sagte, in allen Altersgruppen sinken derzeit die Sieben-Tage-Inzidenzen. Auf den Intensivstationen gebe es allerdings noch keine Entspannung. Aktuell sei die Belastung immer noch sehr hoch. „Ich kann nur hoffen, dass es nicht zu einer vierten Welle kommt“, sagte Wieler. Dafür könne man sorgen, so der Behördenchef.
Spahn lobte den von ihm gewählten Weg, Lockerungen an die Inzidenz zu koppeln und nicht an ein bestimmtes Datum, wie das andere Länder tun. Da bestehe in dieser Frage grundsätzlich ein Konsens zwischen Bund und Ländern, sagte Spahn; die Strategie bleibe die gleiche.
Die harten Prognosen seiner Behörde seien zwar nicht so eingetreten, sagte Wieler, doch die Verbreitung der Virus-Variante B.1.1.7 sei dennoch so weitreichend gewesen, dass alle Maßnahmen nötig waren. Über Ostern sei es zu einer viel geringeren Mobilität gekommen als gedacht, lobte der Behördenchef. „Die entscheidenden Vorhersagen des RKIs, die erste, die zweite, die dritte Welle, haben gestimmt“, resümierte Wieler. Kritiker sehen das anders.
Bild: Boris Reitschuster
Text: br
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