Das RKI wird heute die Gefahrenlage von „sehr hoch“ auf „hoch“ herunterstufen, kündigte Gesundheitsminister Jens Spahn am Dienstag auf der Bundespressekonferenz an: „Die Lage wird besser, sie wird deutlich besser, aber wir sind noch mitten in dieser Pandemie.“ Es gebe zwar eine Herunterstufung der Gefährdung, aber gleichzeitig sei sie noch hoch: „Wenn alles so weitergeht, kann es ein richtig guter Sommer werden.“ Das hätten wir uns alle gemeinsam hart erarbeitet, so Spahn – etwa durch Verzicht. Erkenntnisse zum Beispiel von Münchner Forschern, dass dieser durch die Bundesnotbremse erzwungene „Verzicht“ nichts brachte, ignorierte der Minister bei seiner Aussage. „Ich bin nach wie vor überrascht, wenn Sie auf die Parameter schauen, wie rasch die runtergegangen sind“, so Spahn – der von einer „beeindruckenden Dynamik“ sprach. Die letzten sechs Wochen hätten gezeigt, dass in kurzer Zeit viel möglich sei. „Aber jetzt nicht übermütig werden“, warnte der Minister. Beispiele in anderen Ländern hätten gezeigt, dass zu schnelle Öffnungen wieder in schwierige Situationen führen könnten. Kritiker verweisen indes darauf, dass die Entwicklung nicht überraschend sei und keine Folge der Politik, sondern jahreszeitbedingt und typisch für den späten Frühling.
Man halte an dem Ziel fest, für 12- bis 18-Jährige Impfungen bereitzustellen, so Spahn; ob dieses Angebot angenommen werde, sei aber die Entscheidung der Betroffenen, ihrer Eltern und der Ärzte. Es sei eine privilegierte Situation, dass wir in Deutschland über das Impfen von 12- bis 18-Jährigen diskutieren könnten, während etwa in Südafrika nur zwei Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft seien. Das sei ihm in Südafrika klar geworden, so der Christdemokrat.
Die Impfkampagne in Deutschland zeige erste Effekte, so Spahn. Das liege daran, dass zuerst die Risikogruppen geimpft worden seien: 80 Prozent aller über 60-Jährigen hätten eine erste Impfung hinter sich, führte der Minister aus. In der zweiten Sommerhälfte werde ein großer Teil der Impfwilligen geimpft sein, so Spahn. Für den Fall, dass Johnson & Johnson viel Impfstoff liefere, werde es noch schneller gehen.
Ein Kollege wollte wissen, warum man die Bundesnotbremse einfach auslaufen lasse und sie nicht weiter behalte, für den Fall, dass sie wieder notwendig sei. Spahn erwiderte auf diese kaum verhohlene Forderung nach einer Beibehaltung der stark einschränkenden Regelung, dass sie von Anfang an eine zeitlich begrenzte Maßnahme gewesen sei. Wie schnell man die Bundesnotbremse dann wieder einführen könne, hakte der Journalist nach. Spahn sagte, das ginge, aber er wolle nicht die Schlagzeile, Spahn verkünde, die Bundesnotbremse könne binnen kürzester Zeit wieder eingeführt werden.
Spahn: Ich will ja nicht der Spielverderber sein, das Virus ist der Spielverderber
„Die Fallzahlen gehen deutschlandweit zurück, die Situation auf den Intensivstationen entspannt sich“, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler: „Wir haben die dritte Welle gebrochen, gemeinsam, das ist ein großer Erfolg. Lassen Sie uns den Sommer nutzen, um die Zahlen weiter zu senken!“ Das Virus werde nicht aus unserem Land verschwinden, es werde endemisch werden. Es gebe nur zwei Wege: Sich impfen zu lassen oder sich ohne Impfschutz infizieren zu lassen. „Das Wettrennen zwischen Impfung und Durchseuchung, das muss die Impfung gewinnen“, sagte Wieler: „Dass sich die Situation so verbessert, haben wir all denen zu verdanken, die sich an die Maßnahmen halten.“ Auch Wieler ging nicht auf die Kritik aus der Wissenschaft ein, dass die Bundesnotbremse keinen nennenswerten Erfolg brachte.
Wieler mahnte, es brauche bei Öffnungen weiter ein Test- und ein Hygienekonzept. Um auf Maßnahmen verzichten zu können, müssten achtzig Prozent der Menschen geimpft sein. Nach aktuellen Umfragen sind aber rund 25 Prozent entschlossen, sich nicht impfen zu lassen; dazu kommen noch einmal mehr als zehn Prozent Unentschlossene. Sowie Kinder unter 12 Jahren, für die es keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Insofern würde Wielers Aussage, strikt zu Ende gedacht, bedeuten, dass man zumindest auf absehbare Zeit bis zu einem kolossalen Sinneswandel in der Bevölkerung nicht auf Maßnahmen verzichten kann.
Auf die Frage, wie konkret sich die Herabstufung der Gefahrenlage auswirke, erklärte Wieler, sie habe vor allem Folgen für die Öffnungsschritte: „Die Möglichkeit, dass sich Menschen in unserem Land anstecken, ist geringer geworden.“ Die Risikoeinstufungen seien vor allem für den Blick von außen wichtig. Weltweit würden die Länder nach Gefahrenlage eingestuft, so der Chef der obersten Bundesbehörde.
Bild: Boris Reitschuster
Text: br
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