Die „Bild“ sollte so bissig bleiben, wie sie derzeit ist! Eine akzeptable Arbeitsatmosphäre muss allerdings durchgesetzt werden

Von Sönke Paulsen

In der Causa Julian Reichelt ist inzwischen klar, dass zuletzt vor allem der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner, der an seiner Besetzung der „Bild“-Spitze festhielt, unter Beschuss genommen wurde. Das deutete sich im Artikel der New York Times bereits an, wurde aber durch Spiegel-Veröffentlichungen in den letzten zwei Tagen noch einmal deutlicher.

Döpfner wird vom Spiegel vor allem wegen seiner Funktion als Chef-Lobbyist des Bundesverbandes Digitalpublisher und Zeitungsverleger in Berlin attackiert.

Döpfners Anwürfe gegen die deutsche Medienlandschaft, die ihm explizit vorgeworfen wurden, geben zu denken. Weite Teile der Medien seien Propagandisten, in einer Nachricht an einen befreundeten Schriftsteller spricht er von einem „DDR-Obrigkeitsstaat“.

Zeitgleich zu der Entlassung des „Bild“-Chefs Julian Reichelt, wegen einer „hierarchischen“ Beziehung zu einer Mitarbeiterin, fällt ein Amnesty-Bericht auf, der sich mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit während der Pandemie beschäftigt. Dieser Bericht lässt auch Deutschland und die EU nicht aus. Es wird von Politikern und Medien gesprochen, die unerwünschte Informationen unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt als Fake-News abgetan haben. Das ist insofern beunruhigend, als Fake-News inzwischen als schädliche Desinformationen betrachtet werden können und große Internet-Plattformen, auch in der EU, gesetzlich dazu verpflichtet werden, „schädliche und gefährliche“ Desinformation zu löschen.

Man kann also inzwischen, aus der entsprechenden Position heraus, recht leicht Informationen so diskreditieren, dass sie zensiert werden. Ein neuer Umstand, der in der Pandemie weidlich ausgenutzt wurde. Das stellte auch der Amnesty-Report fest.

Die Situation der Pressevielfalt, die ein Demokratiekriterium ist, genau wie die Meinungsfreiheit, steht derzeit auf dem Prüfstand!

Der Angriff gegen den „Bild“-Chef Julian Reichelt und den Springer Vorstandschef Mathias Döpfner dürfte auch ein Angriff auf die Pressevielfalt sein. Es geht darum, kritische Ausnahmen vom Standard-Journalismus zu bekämpfen.

Nun ist die Bildzeitung nicht gerade ein wehrloses Blatt. Auch nach Abberufung des derzeitigen Chefredakteurs bleibt das Format bissig und dürfte auf konkurrierende Medien, die regierungsnahe Berichterstattung betreiben, zukünftig noch etwas schärfer antworten als bisher.
Moderne Arbeitgeberstandards wird Döpfner aber dennoch einhalten müssen. Mobbing, entwürdigendes Verhalten von Vorgesetzten und einen sexuellen Selbstbedienungsladen kann auch die „Bild“ sich nicht leisten. Döpfner steht also vor der Aufgabe, einen Journalisten an die Spitze zu setzen, der kampferfahren und ähnlich angriffslustig wie Reichelt ist, aber die Redaktion nicht im Stil eines Sonnenkönigs regiert.

Das gelingt am ehesten, wenn auch die Redaktion in Teilen auf den Prüfstand kommt, welche teilweise noch durch die ehemalige „Bild“-Chefin Tanit Koch geprägt ist, die aus der Bildzeitung ein harmloses Merkel-Blättchen gemacht hat und danach als Kommunikationschefin von Armin Laschet im Bundestagswahlkampf ebenfalls glücklos agierte.

Wenn Döpfner das gelungen ist, kann die „Bild“ gern so bleiben, wie sie ist. Zum Schrecken ihrer weichgespülten Konkurrenten!

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“. Hier finden Sie seine Fortsetzungsgeschichte „Angriff auf die Welt“ – der „wahre“ Bond.

Bild: Lutsenko_Oleksandr/Shutterstock
Text: Gast

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