Von Daniel Weinmann
Nachdem er zunächst feige in Deckung gegangen war und sich an einem geheimen Ort versteckte, zündelt der kanadische Regierungschef Justin Trudeau nun an den Grundfesten der Demokratie. Erstmals seit seiner Verabschiedung im Jahr 1988 kommt das Notstandsgesetz zum Einsatz. Aber nicht, um Terrorgefahren abzuwehren, sondern um tausende Trucker zu vertreiben, die friedlich gegen die Corona-Maßnahmen demonstrieren (reitschuster.de berichtete).
Anstatt die strikten Regeln zu lockern, droht Trudeau der von ihm kürzlich noch als „kleine Randgruppe“ mit „inakzeptablen Ansichten“ belächelten Trucker-Bewegung jetzt mit massiver wirtschaftlicher und sozialer Repression. Schon am Wochenende kam es zu Verhaftungen und drakonischen Bußgeldern gegen Teilnehmer der Truckerblockaden. Nun zündet der Premier die bisher höchste Eskalationsstufe einer westlichen Regierung gegen die eigene Bevölkerung seit dem Ausbruch der Coronakrise vor fast genau zwei Jahren.
„Die Blockaden schaden unserer Wirtschaft und gefährden die öffentliche Sicherheit“, begründete der Hardliner diesen Schritt, „wir können und werden nicht zulassen, dass illegale und gefährliche Aktivitäten fortgesetzt werden.“ Die Maßnahmen würden örtlich begrenzt sein und nur dort greifen, wo sie benötigt werden. Zudem seien sie zeitlich beschränkt. „Es ist jetzt Zeit, nach Hause zu gehen“, forderte der 50-Jährige.
Mit der Ausrufung des Notstands begibt sich Trudeau juristisch auf sehr dünnes Eis. Laut Gesetzestext soll das Notstandsgesetz nämlich nur dann angewendet werden, wenn ein „nationaler Notfall“ vorherrscht, der „die Kapazitäten und Befugnisse der Provinzregierungen überfordert“ und die Souveränität und territoriale Integrität Kanadas „ernsthaft bedroht“.
Einsatz des Militärs als Ultima Ratio
Als ginge es um einen kriegerischen Angriff auf den Ahornstaat, spricht das Kabinett Trudeau Befugnisse zu, die das Parlament der Regierung nicht einmal zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingeräumt hat.
„Wenn Ihr LKW für diese illegalen Blockaden verwendet wird, werden Ihre Firmenkonten eingefroren“, kündigte Finanzministerin Chrystia Freeland an. „Wir erweitern den Geltungsbereich der kanadischen Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, so dass sie auch Crowdfunding-Plattformen und die von ihnen genutzten Zahlungsdienstleister umfassen.“
Konten von Personen, die unter Verdacht stünden, die „Freedom Convoy“-Proteste zu unterstützen, könnten ohne Gerichtsbeschluss vorübergehend eingefroren werden, so Freeland weiter. Darüber hinaus werde die Versicherung der an den Blockaden beteiligten Lastwagen ausgesetzt.
Auch die sofortige entschädigungslose Enteignung der Lastzüge und des privaten Immobilienbesitzes der Trucker ist damit möglich. Ebenso können die Führerscheine der LKW-Fahrer eingezogen und nie mehr gültig gemacht werden – was der faktischen Vernichtung der beruflichen Existenz gleichkommt. Sollte der Premier auch mit derlei Maßnahmen nicht weiterkommen, bleibt ihm als Ultima Ratio der Einsatz des Militärs.
Wie das letzte Aufbäumen eines gescheiterten Despoten
Ganz wie ein feudalistischer Autokrat kann sich Trudeau indes nicht gerieren. Das Notstandsgesetz muss in den nächsten knapp drei Wochen von den beiden Kammern des Parlaments bestätigt werden. Einzelne Provinzregierungen haben sich bereits dagegen ausgesprochen. Zugleich haben mit Ontario, Alberta, Saskatchewan, Quebec und Prince Edward Island gleich fünf große Bundesstaaten angekündigt, die Impfpässe abzuschaffen. Selbst Parteikollegen wie Joël Lightbound zeigen sich unverhohlen kritisch: Der liberale Parlamentsabgeordnete warf dem Premier vor, mit seiner Rhetorik die Gesellschaft zu spalten.
Auch in der Bevölkerung dürfte Trudeau mit seinem Schritt an Unterstützung verloren haben. Bislang hatten die meisten Kanadier den teils sehr rigiden Anti-Corona-Kurs mitgetragen. Doch jüngste Umfragen deuten bereits auf eine mögliche Trendwende hin.
Trudeaus Berufung auf das Notstandsgesetz erscheint wie das letzte Zucken eines gescheiterten Tyrannen, der selbstherrlich einen Krieg führt, den er längst verloren hat.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: arindambanerjee/ShutterstockText: dw