Ein Gastbeitrag von Dr. med. Friederike Kleinfeld
Professor Lauterbach erklärte auf der Bundespressekonferenz, dass bereits weitere SARS-CoV-2-Mutationen im Umlauf wären und in naher Zukunft neue Corona-Ausbrüche bevorstünden. Mit Omikron habe nicht, wie von vielen Wissenschaftlern angenommen, der Übergang in eine endemische Situation begonnen. Vielmehr wären die zu erwartenden Mutationen in alle denkbaren Richtungen verschieden von den bisher bekannten SARS-CoV-2-Varianten. Auch die bei Omikron eher moderate Virulenz würde nichts über die Virulenz der „nächsten“ SARS-CoV-2-Mutationen aussagen.
Bei Omikron handelt es sich um einen stark infektiösen Keim, dessen Entstehung von Wissenschaftlern auf das erste Halbjahr 2020 geschätzt wird. Um die Infektiösität zu messen, gibt es den R0-Wert. Dieser Wert gibt an, wie viele andere Menschen durch einen bereits infizierten Menschen weiter angesteckt werden. Für Delta gibt das RKI einen R0 von 6 bis 7 an; aktuellen Schätzungen zufolge liegt der R0 für Omikron bei 10 bis 12. Das bedeutet, dass eine mit Omikron infizierte Person weitere 10 bis 12 Personen ansteckt. Wie konnte ein so infektiöses Virus so lange Zeit im Verborgenen bleiben?
Die Wissenschaft bietet aktuell drei mögliche Erklärungsmodelle dazu an:
Die erste Theorie besagt, dass sich Omikron über einen längeren Zeitraum als chronische Corona-Infektion in einem mit HIV infizierten Menschen entwickelt haben könnte. Beobachtungen zufolge haben sich sogar verschiedene Omikron-Mutationen in immunsupprimierten HIV-Patienten gebildet. Laut Christian Drosten ist diese Theorie für die Herkunft von Omikron eher unwahrscheinlich, weil die Virus-Mutationen, die sich in derart von AIDS-immunsupprimierten Menschen bildeten, sich normalerweise nicht so stark verbreiten könnten wie Omikron.
Die zweite Theorie betrachtet Omikron als SARS-CoV-2-Mutation tierischer Herkunft. In Iowa, USA, sind 80 Prozent aller Weißwedelhirsche als SARS-CoV-2-Träger identifiziert worden. Da Omikron sich unter Menschen allerdings so erfolgreich vermehrt, wird die tierische Herkunft nicht als sehr wahrscheinlich angesehen.
Die dritte Theorie besagt, dass Omikron sich in einer vom Rest der Welt abgeschottet lebenden Bevölkerungsgruppe gebildet hat. Über diese Theorie gibt es aktuell weder wissenschaftliche Belege noch Gegenbelege.
Bei der Betrachtung des Omikron-Genoms fällt auf, dass mehr als 30 Mutationen im Spike-Protein stattgefunden haben.
Würde die Entstehung Omikrons nicht auf die erste Jahreshälfte von 2020 geschätzt werden, könnte diese extrem starke Mutationsrate im S-Protein als Reaktion auf die Impfung gewertet werden; als würde das Virus sich trotz der Impfung weiterhin vermehren wollen.
Im ersten Halbjahr 2020 war allerdings noch nicht viel Spike-Protein-Impfung in Umlauf. Welchen Trigger sollte das SARS-CoV-2-Virus zu dem Zeitpunkt gehabt haben, derart oft im S-Protein zu mutieren, wenn es sich ohnehin sehr gut vermehren konnte?
Über die wissenschaftlichen Erklärungsmodelle hinaus besteht theoretisch zu jedem Zeitpunkt die Erklärungsmöglichkeit, dass Menschen bei der Entwicklung von Omikron nachgeholfen haben. Ein befreundeter Arzt hat dies wie folgt kommentiert:
Da ist eine unwahrscheinliche Variante genau mit den richtigen Eigenschaften zur rechten Zeit in die Welt gekommen. Nicht wenige sagen hinter vorgehaltener Hand, dass auch Omikron aus einem Labor kam, um der Pandemie mit seinen absolut unwahrscheinlichen und passgenauen Eigenschaften ein Ende zu setzen. Und wenn Herr Lauterbach ehrlich wäre, würde er zugeben, dass wir schon in der Endemie sind und kein Mensch diesen Omikron-Impfstoff benötigt.
Im Vergleich zum Coronavirus sind wir bei Influenza seit vielen Jahren an die jährlich auftretenden Mutationen gewöhnt. Diese Mutationen entwickeln sich im Laufe der Zeit, nämlich einmal im Jahr. Sie sind nicht – wie Lauterbach es bei Corona annimmt – bereits alle vorhanden und verbreiten sich zum passenden Zeitpunkt.
Der Grund dafür ist, dass das Virus diese Mutationen als Vermehrungsstrategie benutzt.
Eine für uns bereits bekannte Influenza-Variante wird meistens effektiv von unserem Immunsystem bekämpft, hat also keine guten Konditionen für Vervielfältigungen in uns. Entsteht eine neue Virusvariante durch eine Mutation, muss unser Immunsystem diese neue Variante erst „kennenlernen“ und Antikörper dagegen produzieren, bevor es das Virus gut bekämpfen kann. In der Zwischenzeit hat das Virus bessere Konditionen, um sich zu vervielfältigen. Diese „Strategie“ nutzen einige Viren – deshalb können wir auch immer wieder erkältet sein. Dabei braucht das Virus uns als Wirt. Das Ziel einer neuen Mutation wäre also nicht, uns zu töten, da auch in Zukunft weitere Virusvermehrungen in uns möglich sein sollen.
Daher ist es nicht als wahrscheinlich anzusehen, dass sich bereits alle Corona-Mutationen gebildet haben – dies würde dem Ziel der Virusvermehrung keine Rechnung tragen. Würden alle Mutationen gleichzeitig bei uns Menschen ankommen, wäre zwar davon auszugehen, dass dies eine Belastung für die menschliche Gesundheit darstellen würde. Allerdings würde so ein Szenario nicht der Natur eines Virus entsprechen, dessen Ziel die langfristige eigene Vermehrung ist.
Der Hamburger Nanowissenschaftler Roland Wiesendanger sieht einen Laborunfall als wahrscheinlichste Ursache einer Corona-Pandemie an. Er schließt eine tierische Beteiligung bei Corona aus, weil die benötigten „Zwischenwirte“ – die Überträger von Tieren auf Menschen – bislang nicht identifiziert werden konnten. Weiterhin besitzen die SARS-CoV-2-Viren die Eigenschaft, sehr gut an menschliche Zellrezeptoren anzukoppeln und in menschliche Zellen einzudringen. „Ermöglicht wird dies durch spezielle Zellrezeptor-Bindungsdomänen verbunden mit einer speziellen (Furin-)Spaltstelle des Coronavirus-Zacken-Proteins“ – so der Wortlaut in der Pressemitteilung. Diese Eigenschaften seien bislang von früheren Corona-Epidemien wie MERS und SARS nicht bekannt. Weiter heißt es in der Pressemitteilung: „Eine Forschungsgruppe am virologischen Institut der Stadt Wuhan hat über viele Jahre hinweg gentechnische Manipulationen an Coronaviren vorgenommen mit dem Ziel, diese für Menschen ansteckender, gefährlicher und tödlicher zu machen. Dies ist in der wissenschaftlichen Fachliteratur durch zahlreiche Publikationen belegt.“
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Dr. med. Friederike Kleinfeld arbeitet als Ärztin in der Anästhesie und Intensivmedizin, und hat 1,5 Jahre lang Covid-Patienten auf Intensivstation betreut. Ihre Doktorarbeit hat Frau Kleinfeld in der Mikrobiologie geschrieben. Hier schreibt sie unter Pseudonym.
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