Von Kai Rebmann
In einer Anfrage an das Bundesgesundheitsministerium wollte die Union wissen, wie vielen Impfstoff-Dosen zu welchem Stichtag der Verfall droht. Die Antwort birgt einigen politischen Sprengstoff und macht einmal mehr deutlich, warum sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch immer nicht damit abfinden kann, dass seine Impfpflicht im Bundestag keine Mehrheit gefunden hat. Schon bis Ende Juni könnten 10 Millionen Impfstoff-Dosen verfallen, im Laufe des dritten Quartals, also bis spätestens Ende September, könnten bis zu 50 Millionen weitere Impfstoff-Dosen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.
Tino Sorge (CDU), der gesundheitspolitische Sprecher der Union, fand gegenüber der „Welt am Sonntag“ deutliche Worte für Lauterbachs Corona-Politik: „Der Minister kennt bei den Impfstoffbestellungen keine Grenzen mehr. Er ordert, was immer da ist – der tatsächliche Bedarf und die Kosten spielen für ihn keine Rolle mehr.“ Ob das für Lauterbach jemals eine Rolle gespielt hat, darf getrost bezweifelt werden, wenn man einen Blick auf die aktuellen Lagerbestände sowie die verbindlichen Bestellungen für die nächsten Monate und Jahre wirft.
Bis Ende 2023: 677 Millionen Impfstoff-Dosen allein für Deutschland
Das Bundesgesundheitsministerium bestätigte, dass Deutschland zum 4. April 2022 rund 77 Millionen Impfstoff-Dosen auf Lager hatte. Diese Zahl war zuvor in einem „WamS“-Bericht genannt worden. In der Antwort auf die Unionsanfrage im Bundestag hieß es weiter, dass Deutschland im Zeitraum von Anfang 2021 bis Ende 2023 insgesamt 677 Millionen Impfstoff-Dosen bestellt habe, allein 375 Millionen davon bei Biontech/Pfizer. Rein rechnerisch könnten damit also jedem Bundesbürger – vom Säugling bis zum Greis – etwas mehr als acht Dosen verabreicht werden. Bis zum Ende der KW 12 (10.4.2022) sind von den verschiedenen Herstellern folgende Mengen Impfstoff an Deutschland geliefert worden:
- Biontech/Pfizer: 143,3 Millionen
- Moderna: 35,6 Millionen
- Astrazeneca: 14,4 Millionen
- Johnson & Johnson: 5,4 Millionen
- Novavax: 1,7 Millionen
Insgesamt: 200,4 Millionen
Bei seinem Amtsantritt im Dezember 2021 klagte Karl Lauterbach noch darüber, dass es in Deutschland zu wenig Impfstoff gebe. Damals sagte der Bundesgesundheitsminister im ZDF: „Die Impfung ist nur abgeschlossen, wenn man dreimal geimpft wurde.“ Warum der wendige Minister in den folgenden Wochen und Monaten dann in einen regelrechten Kaufrausch verfiel, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Ebenso scheint Lauterbach entgangen zu sein, dass die Impfkampagne der Bundesregierung seit Jahresbeginn stetig an Fahrt verloren hat und inzwischen nahezu vollständig zum Erliegen gekommen ist. Während zu Spitzenzeiten über eine Million Impfungen pro Tag verabreicht wurden, waren es zuletzt nur noch wenige Zehntausend. Wer sich bisher noch nicht hat impfen lassen, wird dies wohl trotz aller Appelle des Bundesgesundheitsministers auch in Zukunft nicht tun.
Patientenschützer kritisiert mangelnde Transparenz der Bundesregierung
Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, griff die Anfrage der Union auf und forderte von der Bundesregierung und ihrem Gesundheitsminister mehr Transparenz bezüglich der Zahlen und insbesondere der Kosten. „Noch im Dezember ließ der neue Bundesgesundheitsminister Zweifel aufkommen, ob genügend Impfstoffe vorhanden seien. Jetzt droht Millionen Dosen die Vernichtung. Deshalb muss Karl Lauterbach unverzüglich für Transparenz sorgen“, verlangte der Patientenschützer gegenüber dem RND. Wo es um Milliarden öffentlicher Gelder gehe, sei es “inakzeptabel, die Kosten nicht offenzulegen“. Auch die internationale Impfstoffinitiative Covax würde kaum noch Vakzinspenden entgegennehmen, so Brysch.
Viel bringt viel, das scheint also das Motto von Karl Lauterbach gewesen zu sein, als es um die Bestellung von Impfstoff für die nächsten Monate und Jahre gegangen war. Angesichts der enormen Lagerbestände bei einer gleichzeitig immer weiter sinkenden Zahl potenzieller Abnehmer erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich der Schaden für den Steuerzahler bis Ende des Sommers auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag summiert haben wird. Bei den „Geheimverhandlungen“ der EU mit den Herstellern der Impfstoffe im Spätjahr 2021 setzten Biontech & Co deutliche Preiserhöhungen in Höhe von bis zu 25 Prozent durch, so dass die mit Abstand am häufigsten verimpften Vakzine ab diesem Zeitpunkt zu einem Preis von 19,50 Euro (Biontech/Pfizer) bzw. 21,60 Euro (Moderna) eingekauft wurden und werden.
Mit seinen Hamsterkäufen von Impfstoff befindet sich Lauterbach jedoch in sehr guter Gesellschaft. Die EU hat für eine Bevölkerung von rund 450 Millionen Bürgern bei den verschiedenen Herstellern nicht weniger als 4,6 Milliarden Dosen geordert. Geht es nach dem Willen der Europäischen Kommission, sollen die Menschen in Europa offenbar mit mindestens zehn „Piksen“ beglückt werden. Es wird spannend sein, zu sehen, ob die Politiker Verantwortung übernehmen werden für ihr maßloses Handeln bei der Bestellung von nicht benötigten Impfstoff-Dosen und die sich deswegen abzeichnende Verschwendung von Steuergeldern in Milliardenhöhe.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
Bild: nitpicker/ShutterstockText: kr