Als mir ein Freund, ein gebürtiger Osteuropäer, erzählte, dass die Polizei „ausgewählte Demonstranten“ zum G7-Gipfel mit Bussen in die bayerischen Berge fährt, dachte ich, er mache einen schlechten Scherz. Und bat ihn um einen Link – in der Hoffnung, den werde er mir nicht senden können und es handle sich um ein Gerücht, oder, neudeutsch, Fake-News. Doch prompt kam der Verweis auf einen entsprechenden Artikel im Handelsblatt. Da steht schon in der Überschrift: „Beim G7-Gipfel soll die Polizei Demonstranten in Bussen bis in Sichtweite des Tagungsortes bringen.“
Weiter unten im Text werden dann die Details aufgeführt: „Es ist vorgesehen, dass eine 50-köpfige Delegation von der Polizei in Bussen in Sichtweite des Gipfelortes gebracht wird, um dort eine Kundgebung abhalten zu können.“
Ich rief meinen Freund zurück und meinte mit Galgenhumor: „Das kenne ich eigentlich nur aus sozialistischen oder postsozialistischen Systemen, dass der Staat Leute zu Demonstrationen bringt“. Seine Antwort: „Beleidige den Sozialismus nicht, da machte man das sorgsam verdeckt, und nicht offen, und auch nicht durch die Polizei. Da sah es wenigstens spontan aus.“
Aber Scherze beiseite – begründet wird der staatliche Shuttle-Service für Demonstranten wie folgt – etwa in der „taz“, in schwer lesbarer Gendersprache: „Nur 50 der Aktivist:innen dürfen wirklich ganz nahe an die sieben Staatenlenker im Schloss Elmau heran. Allerdings dürfen die Protestierenden nicht einfach auf eigene Faust dorthin laufen oder fahren. Nein, sie werden aus Sicherheitsgründen von der Polizei begleitet in einem Bus an Ort und Stelle gebracht. Vorher müssen sie sich ausweisen.“
Wie bitte? Tatsächlich hat das Vorgehen der Polizei – oder genauer gesagt der Regierung, die ihr ja die Anweisungen gibt – mit den Demonstranten etwas durchaus Sozialistisches. Nur handverlesene Demonstranten, die vorher identifiziert werden, und von der Polizei begleitet bzw. chauffiert (ganz genau geht das aus den Quellen nicht hervor). Wie die Demonstranten ausgewählt wurden? Unbekannt.
Die taz schreibt: „Eigentlich hält das Protestbündnis die polizeilichen Bestimmungen, den Bus, die Ausweiskontrolle, dieses ganze Vorgehen für einen Skandal. Zum Schluss hat es sich dennoch darauf eingelassen.“
Was für eine Symbiose! Was für ein absurdes Theater! Neben dem betreuten Informieren in den großen Medien und dem betreuten Diskutieren in den sozialen Medien hat unsere Regierung jetzt auch ein betreutes Demonstrieren durchgesetzt. Wieder ein Phänomen mehr, das man sonst eher aus autoritären Staaten kennt und nicht aus freiheitlichen, pluralistischen Demokratien, wie die Bundesrepublik eine war. Bevor Angela Merkel, frühere FDJ-Sekretärin und systemtreue DDR-Bürgerin, anfing, sie gleichzutakten.
Bild: Screenshot Youtube Welt NachrichtensenderText: br
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