Von Kai Rebmann
Im September wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in den sozialen Medien offenbar mehrere hundert rechtsextreme Fake-Accounts betreibt. Mehrere Medien hatten darüber berichtet, unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ und die „Junge Freiheit“. Erklärtes Ziel der dem Bundesinnenministerium unterstellten Behörde ist es demnach, die Bürger und die demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland vor Angriffen von rechts zu schützen. Denn nach wie vor gilt: Extremistische Bedrohungen können für die auf dem linken Auge blinde Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) stets nur aus der rechten Ecke kommen. Erst im Mai hatte die „Antifa“-Gastautorin den Rechtsextremismus als größte Gefahr in Deutschland bezeichnet. An dieser exklusiven Einschätzung dürfte sich auch nach den jüngsten lebensbedrohenden Eskapaden der „Letzten Generation“ nichts geändert haben.
Die AfD-Fraktion ist durch die eingangs erwähnte Berichterstattung auf die nicht nur sehr fragwürdige, sondern insbesondere auch sehr einseitig ausgelegte Ermittlungsstrategie der Verfassungsschützer aufmerksam geworden. Also wandten sich Martin Hess und weitere Abgeordnete der AfD in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung und baten um weiterführende Auskünfte zu Aktivitäten des BfV in den sozialen Medien. Die Parlamentarier wollten unter anderem wissen, wie viele Fake-Accounts betrieben werden und in welchen Phänomenbereichen. Oder wie sich das Posten und Liken verschiedener Beiträge nach Auffassung der Bundesregierung auf die „von Extremismus und Hasspostings im Internet im Hinblick auf verschiedene extremistische Strömungen“ auswirkt. Insgesamt umfasste der von den Abgeordneten der AfD-Fraktion eingereichte Katalog 14 Fragen rund um die vom BfV betriebenen Fake-Accounts. Mit den sogenannten „Phänomenbereichen“ wird politisch motivierte Kriminalität danach unterschieden, ob die Täter zum Beispiel der rechten, linken oder islamistischen Szene zugeordnet werden können.
Nancy Faeser hüllt sich in Schweigen
In ihrer Vorbemerkung hatten die Abgeordneten der AfD aus der vorliegenden Berichterstattung zitiert, wonach ein namentlich nicht genannter Leiter eines Landesamtes des Verfassungsschutzes diese Ermittlungsstrategie als „Zukunft der Informationsbeschaffung“ beschrieben hat. Seit dem Jahr 2019 investiere die Bundesregierung verstärkt in „virtuelle Agenten“, die mit Steuergeldern finanziert würden. Dabei gehe es darum, „selbst ein bisschen rechtsradikal zu spielen“, um dadurch ein Vertrauensverhältnis zu anderen Nutzern aufzubauen. Zu diesem Zweck werde es den Mitarbeitern des BfV gestattet, selbst „Propaganda“ zu betreiben und Straftaten bis hin zur Volksverhetzung zu begehen.
Eine Agentin wird wie folgt zitiert: „Um wirklich glaubwürdig zu sein, reicht es nicht, Aussagen anderer zu teilen oder zu liken, man muss auch selber Aussagen tätigen.“ Nach ihrer Motivation befragt, gab die Agentin an, aus „Idealismus“ zum BfV gegangen zu sein, da sie „etwas gegen Rechtsextremismus“ habe tun wollen. Ebenso wie für die oberste Dienstherrin der Behörde scheinen Bedrohungen der Gesellschaft und Demokratie durch Linksextremismus oder religiösen Fanatismus für die Mitarbeiter, Spione und „virtuelle Agenten“ des BfV schlicht nicht zu existieren. Der alleinige und ausschließliche Fokus ist und bleibt nach rechts gerichtet.
Am 25. Oktober 2022 antwortete das Innenministerium den Fragestellern im Namen der Bundesregierung – zumindest ist das Schreiben als „Antwort“ getarnt. Die AfD-Abgeordneten prallen an einer Mauer des Schweigens ab; auch nur halbwegs brauchbare Auskünfte werden durch diese Bundesregierung nicht erteilt, erst recht nicht an Oppositionelle, die sich nicht „konstruktiv an der Regierungsarbeit beteiligen“ wollen. Zwei Drittel der Fragen (9 von 14) werden pauschal in folgendem Wortlaut beantwortet:
„Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Antwort aus Gründen des Staatswohls nicht – auch nicht in eingestufter Form – erfolgen kann. Durch die Beantwortung der Frage würden spezifische Informationen zur Tätigkeit, insbesondere zur Methodik, zum konkreten Erkenntnisstand sowie zu Aufklärungsschwerpunkten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) offengelegt, wodurch die Funktionsfähigkeit des BfV nachhaltig beeinträchtigt würde. Hieraus könnte eine Gefährdung des Einsatzerfolgs legendierter InternetAccounts folgen. Es könnten entsprechende Abwehrstrategien durch eine Änderung des Kommunikationsverhaltens im Internet entwickelt werden. Dies könnte einen Nachteil für die wirksame Aufgabenerfüllung der Sicherheitsbehörden und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland bedeuten. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt zudem, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung ausscheidet, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens nicht hingenommen werden kann.“
Über Art, Umfang und Gestaltung eventuell bestehender Fake-Accounts fernab des Rechtsextremismus schweigt sich das Bundesinnenministerium also beharrlich aus. Einmal mehr lässt die Bundesregierung durch das Haus von Nancy Faeser lediglich erklären, weshalb sie unbequeme Fragen angeblich nicht beantworten will. Anders als etwa Boris Reitschuster aus der Bundespressekonferenz können die Altparteien die AfD aber nicht einfach aus dem Bundestag werfen. Dennoch wirft ein solcher Umgang mit einer Oppositionspartei, der seit Jahren der ihr zustehende Posten des Bundestagsvizepräsidenten verweigert wird, ein ganz besonders Licht auf das Demokratieverständnis von denen, die diese angeblich mit allen Mitteln verteidigen wollen – wenn auch ausdrücklich nur gegen die Gefahr von rechts.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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