Von Daniel Weinmann
Wer finanziert die Europäische Union? Und: Wer profitiert am meisten? Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) ging dieser Frage in seiner vor wenigen Tagen erschienenen Studie nach und hat die Finanzflüsse zwischen den EU-Mitgliedstaaten und dem EU-Haushalt unter die Lupe genommen. Das Ergebnis vermag kaum zu überraschen: Die Bundesrepublik überweist mit deutlichem Abstand den größten Betrag in die EU-Haushaltskasse.
Deutschland steht mit einem Betrag von 21,4 Milliarden Euro auf der Pole Position der größten Nettozahler im Jahr 2021. Damit spendierte Berlin dem EU-Haushalt satte 5,9 Milliarden Euro aus Steuergeldern mehr als 2020. Es folgen Frankreich mit 10,9 und die Niederlande mit knapp 4,1 Milliarden Euro.
Unter den 17 Empfängerländern darf sich Polen mit 12,9 Milliarden Euro über die meisten Zuwendungen freuen, gefolgt von Griechenland mit 4,7 und Ungarn mit 4,3 Milliarden Euro. Wie deutlich Deutschland vor den anderen EU-Ländern liegt, zeigt diese Grafik (Quelle: IW):
„Die Finanzströme zwischen den Mitgliedstaaten und dem EU-Haushalt bilden zwar nur einen Teil der EU-Politik ab, gleichwohl einen wichtigen“, schreiben die Studienautoren Berthold Busch, Björn Kauder und Samina Sultan.
Kaum nachvollziehbar erscheint, dass die Europäische Kommission die Zahlen nicht mehr selbst veröffentlicht. Bis in das Berichtsjahr 2019 veröffentlichte die Kommission jährlich, welche Mitgliedstaaten unterm Strich Gelder überweisen und wer Unterstützung aus den Steuertöpfen erhält. „Diese Nettozahler- und Nettoempfänger-Sichtweise wird der Komplexität des EU-Budgets nicht gerecht und kann daher in dieser Form nicht mehr angewandt werden“, lieferte EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung, Johannes Hahn, eine eher fadenscheinige Begründung.
Der Ampelkoalition würde eine Portion Thatcherismus gut zu Gesicht stehen
Die IW-Forscher sehen dies anders: „Ungeachtet der Debatte um die Angemessenheit des Nettobeitrags der Mitgliedstaaten ist anzumahnen, dass die EU in Zukunft die Nettopositionen wieder offiziell ausweist“, mahnt das Autoren-Trio. Dies sei aus Gründen der Transparenz geboten, nicht zuletzt, weil es um die Verwendung von Steuermitteln gehe. Eine Veröffentlichung durch die Europäische Kommission würde diesen Zahlen ein offizielles Siegel geben, so die Autoren.
Betrachtet man die Nettopositionen relativ zum sogenannten Bruttonationaleinkommen (BNE), so verschiebt sich das Bild zwar ein wenig. Doch auch in dieser Betrachtung bleibt Deutschland der größte Nettozahler mit 0,58 Prozent des BNE. Es folgen die Niederlande mit 0,48 Prozent, Schweden mit 0,46 sowie Frankreich und Dänemark mit jeweils 0,43 Prozent. Bei den Nettoempfängern liegt Kroatien mit 3,08 Prozent des BNE an der Spitze, vor Litauen und Ungarn mit 3,05 bzw. 2,89 Prozent.
Der Ampelkoalition würde angesichts dieser Zahlen zumindest ein wenig Thatcherismus gut zu Gesicht stehen. „I want my money back“, forderte die damalige Premierministerin Margaret Thatcher 1979 in ihrem Kampf um den britischen EU-Beitrag. Das Vereinigte Königreich dürfe nicht mehr Geld an die Union überweisen, als von dort zurückfließe. Und siehe da: Thatcher handelte den „Britenbonus“ aus, der sich zwischen 1985 und 2014 auf mehr als 111 Milliarden Euro belief. Den Briten war dies offenbar nicht genug. Vor sechs Jahren stimmten sie für den Brexit.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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