Nacktbilder statt Kündigungsschutz Geschichten zum Schmunzeln zwischen den Jahren

Hand aufs Herz: Haben Sie es nicht auch satt, ständig negative Nachrichten zu lesen? Bei denen man denkt, es seien „Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus“? Was sie aber leider nicht sind – denn es sind reale Neuigkeiten aus Deutschland. Über die Feiertage, zwischen den Jahren, möchte ich Ihnen ein Kontrastprogramm bieten, aus meiner Zeit in Russland. Zum Entspannen und Schmunzeln. Voilà:

Russlands Arbeitsrecht bietet Arbeitern und Angestellten jede Menge Sicherheiten und ist sehr sozial. Auf dem Papier. Denn der „Trudowoj kodex“, wie das Regelwerk heißt, hat einen ganz entscheidenden Nachteil: Es wird nur in Ausnahmefällen angewandt. In der Realität herrscht oft eine „Hire and fire“-Mentalität. Viele Arbeitgeber behandeln ihre Angestellte wie einst Feudalherren ihre Leibeigenen. Als jetzt die Krise über das Land kam, sind viele meiner Freunde und Bekannten entlassen oder in unbezahlten Urlaub geschickt worden. Oder ihre Chefs kündigten ihnen einfach das Gehalt, ohne viel Federlesen, um zehn Prozent den Glücklicheren, um 50 Prozent den Unglücksraben.

Kreative Rache nicht ausgeschlossen

Auf Hilfe von oben oder etwa von Interessenverbänden können die Beschäftigten in Russland kaum hoffen: Im einstigen „Paradies der Werktätigen“ ist statt Sozialismus oder sozialer Marktwirtschaft heute Raubtier-Kapitalismus angesagt, nach dem Darwinschen Prinzip – nur die Starken überleben. Anders als in Deutschland sind die großen Gewerkschaften weniger dazu da, die Belange der Arbeiter gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen, als umgekehrt die Arbeiter ruhig zu halten. Doch so schwach der Schutz durch das Gesetz, den Staat und die Organisationen ist – oder gerade wegen dieser Schwäche – wissen sich die Menschen im größten Flächenland der Erde zu helfen, wie jetzt die frühere Gewerkschaftszeitung Trud berichtet. Die Kreativität und der Erfindungsreichtum der Russen sind nicht umsonst legendär – und wenn sie schon nicht auf eine Abfindung hoffen können, kämpfen in diesen Tagen viele Entlassene auf ihre Art um Gerechtigkeit – oder zumindest um Rache.

Auf eher westliche Art reagierte die Ingenieurin Irina, die nach ihrer Entlassung gemeinsam mit 50 Schicksalsgenossen aus ihrer Firma zu einem „Meeting“ aufrief, wie Demonstrationen auf Neu-Englisch heißen. Als die Stunde der Wahrheit näher rückte, verließ laut „Trud“ aber die meisten Entlassenen die Courage – und nur sieben kamen wirklich, um ihren Protest in aller Öffentlichkeit zu bekunden. Die weniger Mutigen wussten offenbar, was sie zu fürchten hatten: Die Organisatorin Irina stand keine fünf Minuten auf der Straße, als die Polizei vorfuhr und sie festnahm.

Wenn weiche Formen des Protests derart drastisch niedergeschlagen werden, verwundert es nicht, wenn manche Entlassene zu heftigeren Mitteln greifen. Wie etwa Olga, die in ihrer Firma für die Reklame zuständig war. Als sie das Kündigungsschreiben bekam, veröffentliche sie das Foto ihres Ex-Chefs auf der Seite einer Internet-Partnervermittlung, Telefonnummer inklusive. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre für den armen Mann, schrieb sie auch noch, dass er weniger an einem attraktiven Vertreter des anderen Geschlechts interessiert sei als an einem des eigenen – für Russland, wo die orthodoxe Kirche Homosexualität als Krankheit diagnostiziert, ein besonders schwerer Schlag unter die Gürtellinie. Der Ex-Chef konnte zwar die Anzeige schnell von der Internet-Seite entfernen lassen. Sein Telefon war aber noch zwei Tage lang ständig am Klingeln – er schien den Geschmack einsamer männlicher Herzen getroffen zu haben.

Zerschlagenes Porzellan, geänderte Passwörter

Viel direkter lebte eine Designerin ihren Frust über die Entlassung aus: Kaum hatte sie im Arbeitszimmer ihres Chefs von dieser erfahren, begann sie, hysterisch Geschirr zu zerschlagen, schmiss alles, was auf den Regalen stand, auf den Boden, und schmiss eine Vase ins Fenster; nur die Mitarbeiter des hauseigenen Sicherheitsdienstes, durch den Lärm aufmerksam geworden und herbeigeeilt, konnten die arme Frau überwältigen, wie „Trud“ berichtet. Sie zeigten sich, typisch für Russland, sehr menschlich, und statt die ohnehin durch die Entlassung gestrafte Frau der Polizei zu übergeben, bewirteten sie sie in ihrem Dienstzimmer mit Tee, bis sie sich beruhigt hatte.

Noch mehr Porzellan, wenn auch nur im übertragenen Sinne, zerschlug der Systemadministrator Pjotr in seiner Firma, nachdem er seine Kündigung erhalten hatte: Am letzten Arbeitstag änderte er einfach im firmeneigenen Computersystem alle „Parolen“, wie die Passwörter auf Russisch heißen. So gemein dieser Schritt auf den ersten Blick aussieht, so sehr hatte Pjotr doch auf gewisse Weise ein moralisches Anrecht darauf: Sein Arbeitgeber war ihm das Gehalt für mehrere Monate schuldig geblieben. Der Direktor fand denn auch einen sehr einfachen Weg, wieder an die Parolen für sein Netzwerk zu kommen: Er zahlte Pjotr einfach das ausstehende Gehalt.

Und plötzlich sah die Assistentin rot

Besonders vorsichtig sollten Chefs sein, wenn sie mit einem Mitarbeiter nicht nur rein dienstliche Bande verknüpfen. Das zeigt das Beispiel von Wladislaw: Der fühlte sich von seiner Chefin gleich doppelt betrogen durch die Entlassung, hatten die beiden doch das, was man auf Russisch einen „sluschebni roman“ nennt, einen „dienstlichen Roman“, also eine Affäre am Arbeitsplatz. Der Wortwechsel nach der Kündigung war derart energisch, berichtet „Trud“, dass die gesamte Belegschaft alles stehen und liegen ließ, um die Szene zu verfolgen. Bevor er seinen Arbeitsplatz endgültig verließ, verschickte Wladislaw an alle Kollegen per E-Mail freizügige Bilder der Chefin, die er offenbar in Tagen aufgenommen hatte, in denen die Beziehung zwischen den beiden weitaus harmonischerer war. Das Fotomaterial war offenbar derart atemberaubend und so wenig mit dem gewöhnlichen Berufsbild der Chefin zu vertragen, dass diese wenig darauf die schiefen und hämischen Blicke ihrer Untergebenen nicht mehr ertragen konnte und selbst kündigte.

Das Beispiel zeigt: Auch wenn die Gesetze nicht funktionieren, ist Gerechtigkeit oft durchaus zu erlangen – wenn auch zuweilen über verschlungene, nicht ganz astreine Pfade. Mit unseren strengen Vorschriften, dem Kündigungsschutz und strikter Justiz sind wir in Deutschland zwar sicherer auf der sichereren Seite – aber eben auch auf der langweiligeren.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Bild: Shutterstock

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