Von Kai Rebmann
Das Prinzip ist ein altbekanntes: Mit der Teilnahme an einem oder gerne auch mehreren Bonusprogrammen kommen Kunden an der Kasse in den Genuss von vermeintlichen Rabatten und Zusatzleistungen. Im Gegenzug liefern sie den Discountern, Tankstellenketten oder Online-Shops – bewusst oder unbewusst – wertvolle Informationen über ihr Einkaufverhalten und machen sich so selbst zum gläsernen Bürger.
Dasselbe plant jetzt offenbar Sam Altman, nur eben in einem ganz und gar universell angelegten Maßstab. Der Co-Gründer von OpenAI, also jenes Unternehmens, das hinter dem umstrittenen KI-Bot ChatGPT steht, verspricht allen Menschen ein fixes Grundeinkommen. Als Gegenleistung müssen diese jedoch ihre Iris scannen und der Umwandlung der entsprechenden Daten in eine sogenannte „World-ID“ zustimmen.
Diese wiederum ist das Herzstück von Altmans neuestem Spielzeug – einer Kryptowährung namens „Worldcoin“. Denn auch der KI-Pionier ist überzeugt: Es gibt genug Geld auf dieser Welt, es ist nur schlecht verteilt. Dieser Ungerechtigkeit will sich der moderne Robin Hood offenbar annehmen und erklärt den globalen Finanzmarkt kurzerhand zu seinem ganz persönlichen Sherwood Forest.
Wenn sich der Bock zum Gärtner macht
Wer bei all dem an die finstere Zukunftsvision eines größenwahnsinnigen Silicon-Valley-Veteranen glaubt, der könnte sich schon bald getäuscht sehen. Denn in Spanien, Portugal und einigen weiteren Ländern sind die Iris-Scans bereits Realität. Nach Abschluss dieser Testphase soll der weltweite Launch erfolgen, nach Möglichkeit noch im Sommer 2023.
Und so soll es funktionieren: Die menschliche Iris ist ähnlich einzigartig wie zum Beispiel der Fingerabdruck. Aus diesen Daten soll ein „globaler digitaler Reisepass“ erstellt werden, der – so zumindest das Versprechen – ausschließlich auf dem eigenen Smartphone gespeichert wird und die Nutzer als „einzigartige Individuen“ ausweisen soll. Die Angabe weiterer „sensibler Daten“, etwa der Telefonnummer, soll dann entbehrlich werden.
Ausgerechnet der Vater von ChatGPT will jetzt also einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen im Internet den Nachweis ihrer Menschlichkeit antreten können. Oder anders ausgedrückt: Identifiziere ein Problem, das du zuvor geschaffen hast, und präsentiere anschließend die vermeintlich perfekte Lösung dafür. Damit macht sich Sam Altman gut erkennbar selbst vom Bock zum Gärtner.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Natürlich weiß auch der OpenAI-Chef, dass Milliarden von Menschen nicht ohne weiteres dazu bereit sein werden, ihre Iris scannen zu lassen. Deshalb will Altman etwas nachhelfen und sie mit einem Grundeinkommen in noch nicht bekannter Höhe ködern. Dieses soll in „Worldcoins“ ausbezahlt und in einer speziellen Wallet – einer Art digitaler Geldbörse – gespeichert werden. Die dazugehörige „World-App“ steht auf der Worldcoin-Website bereits als Download zur Verfügung.
Sam Altman – und wer weiß, wer sonst noch alles – kommt also zumindest temporär in den Besitz von im Gegensatz zur Telefonnummer tatsächlich äußerst sensiblen Daten. Die Zusage, dass diese nicht gespeichert, sondern sofort wieder gelöscht werden, kann man nun glauben oder auch nicht. Darüber hinaus ist der „Worldcoin“ ein weiterer eher größerer als kleinerer Schritt auf dem Weg zur Abschaffung des Bargelds, die wohl eher früher als später kommen wird.
Denn: Auch wenn vieles im Zusammenhang mit der „World-ID“ noch unklar scheint, zum Beispiel die konkrete Finanzierung eines globalen Grundeinkommens, so muten die Dimensionen schon jetzt gigantisch an. Einerseits soll das Geld aus einer eigens gegründeten Stiftung kommen, andererseits scheint man sehr solvente Investoren von der Idee überzeugt zu haben.
Das in Indien ansässige Unternehmen „A2Z Crypto Investment“ teilte dazu am 15. Mai 2023 via Twitter mit: „Sam Altman von OpenAI sorgt im Krypto-Bereich für Aufsehen! 100-Millionen-Dollar-Finanzierung für Worldcoin-Projekt, das die Zukunft der Kryptowährungen neu gestalten soll, (ist) abgeschlossen. Behalten Sie dieses bahnbrechende Unterfangen im Auge!“
Und auch die Macher der „World-ID“ scheinen vom eigenen Erfolg mehr als überzeugt zu sein. Geht es nach Altman und Co, so wird uns die KI – und damit sind wir wieder beim eigentlichen Steckenpferd des ChatGPT-Gründers – in eine „Ära des Überflusses“ führen, womit an dieser Stelle selbstredend der monetäre Überfluss gemeint ist.
Mit anderen Worten: Die KIs dieser Welt schaffen das Geld ran – für die vermeintlich gerechte Verteilung erklärt sich dann eine Handvoll Menschen im Silicon Valley zuständig. Und so kommt auch das Portal „Gamestar“ zu einem Fazit, das man – je nach Sichtweise – als Verheißung und Bedrohung zugleich auffassen kann: „Ein spannendes Projekt, das die Welt verändern könnte, wenn es so läuft, wie es sich Sam Altman vorstellt.“
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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