Sie ist wieder da. Angela Merkel. In Gestalt von Hendrik Wüst. Dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen. Der hat aus seiner politischen Liebe zu „Mutti“ nie einen Hehl gemacht. Und die hält auch – politisch – posthum. Erst kürzlich händigte er der formellen Rentnerin, die nach wie vor die Strippen zieht, den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen aus. Auf den Fotos von der Preisverleihung himmelt er sie geradezu an. Wüst ist Merkelianer durch und durch. Er ist bekannt für seine Aussage, die CDU sei nicht konservativ. Und er zeigte wie sein Idol in Corona-Zeiten totalitäre Züge. Zitat: „Es geht darum, den Geimpften zu zeigen: Wir lassen das nicht länger zu, dass Menschen ihre individuelle Freiheit über die Freiheit der gesamten Gesellschaft stellen. Jetzt kümmern wir uns um die Nichtgeimpften und führen eine Impfpflicht ein.“ (Januar 2022 bei Anne Will).
Jetzt hat der Impfpflicht-Rambo im Vorfeld des Kleinen CDU-Parteitags dieses Wochenende Friedrich Merz den Krieg erklärt. Was insofern etwas absurd ist, als auch Merz brav Männchen macht vor Merkels Erbe. Die Hoffnung der Konservativen, die Partei wieder vom grünen Kurs der ehemaligen FDJ-Sekretärin abzubringen, hat Merz bitter enttäuscht. Statt auf Opposition setzt er auf Brautwerbung bei den Grünen.
Statt auf harte Kritik der Regierung setzt er im Stile der DDR-Blockparteien auf deren Unterstützung. In einem internen Briefing von Merz „Leitungs- und Planungsstab“ an alle Abgeordneten von CDU und CSU hieß es stolz, die Union habe in dieser Wahlperiode 108 von 199 Initiativen der Bundesregierung befürwortet. Damit es auch mangels politischem Disput längst eingeschlafene Abgeordnete kapieren, wurde dann noch einmal explizit erklärt, “ in der Mehrzahl der Fälle“ habe „die oppositionsführende CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Vorschlägen der Bundesregierung zugestimmt“.
Dieses Schreiben vom 3. Juni zeigt, dass die CDU unter Merz zur Karikatur einer wirklichen Opposition wurde. Statt etwa der Klima-Fixierung der Ampel den Kampf anzusagen, will er nur Akzente verschieben. Die angekündigten Änderungen am Entwurf der Regierung begrüßte er explizit.
Merz hat sich selbst kastriert.
Noch mehr Karikatur ist, dass Wüst nun mit einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen“ und einem Interview mit der „Rheinischen Post“ Merz durch die Blume den Krieg erklärte. Und sich für eine Kanzlerkandidatur in Stellung bringt.
Dem Mann mit dem Charisma eines Aktenordners ist der weichgespülte Merz nicht weichgespült genug. Mehrfach lobt Wüst seine Übermutter Merkel. Von Merkel lernen, ist sein Motto. Und angeblich auch von Kohl – aber das wirkt wie eine Schutzbehauptung. Was will Wüst von Merkel lernen? Wie man eine Partei und ein Land an die Wand fährt?
Würde die CDU wirklich Oppositionsarbeit machen, wäre sie die Haupt-Nutznießerin der absurden Politik der Ampel. Die will der Mehrheit in unserem Land eine Kulturrevolution aufzwängen. Vom Reden über das Essen bis zum Geschlecht mischt sie sich in den Alltag der Menschen ein und zerstört Traditionen. Selbst die Kleinsten sollen schon politisch indoktriniert und frühsexualisiert werden. Mit Siebenmeilenstiefeln zerstört Rot-Grün-Gelb Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Aus dem Wirtschaftswunderland soll ein öko-sozialistisches Utopia werden.
Würde sich die CDU klar dagegen positionieren, statt als Steigbügelhalter des „großen Umbaus“ zu funktionieren – ihre Zuwächse bei den Umfragen wären gigantisch. Merz würde sein selbsterklärtes Ziel, die AfD zu halbieren, zwar auch so kaum erreichen – aber er hätte sie zumindest nicht verdoppelt bis verdreifacht.
So aber ist es die Union, die dafür sorgt, dass der Unmut über die rot-grünen Kulturkrieger und ihre gelben Büchsenspanner direkt der AfD zugute kommt.
Wenn Wüst die CDU noch nicht stramm genug auf Ampel-Kurs ist, und er den Schmusekurs von Merz mit der Regierung noch verschärfen will (Zustimmung bei allen Ampel-Projekten statt bei mehr als der Hälfte wie Merz), wird das der AfD weiter Wähler zutreiben.
Zugespitzt könnte man sagen: Wüst hat das Projekt „AfD 40 Prozent“ eröffnet.
Weder Rot-Grün noch FDP und Union scheinen den wirklichen Grund für den Anstieg der AfD zu verstehen – die Alternativlosigkeit ihrer Politik. Immer mehr Wähler, die keinen Total-Umbau unserer Gesellschaft wollen, begreifen: Wenn sie FDP, CSU oder CDU wählen, bekommen sie doch Rot-Grün.
Die Reaktion des polit-medialen Komplexes, dem sich FDP und Union anbiedern, ohne wirklich dazuzugehören (Sie werden nie kapieren, dass sie vor den Medien noch so sehr kriechen können – für diese bleiben sie immer die rechten Schmuddelkinder): Sie reagieren mit Panik, Beschimpfungen der Wähler und noch mehr Stigmatisierung der AfD.
Was die AfD noch stärker macht
Merz hat die öffentliche Selbstkastration zum Ritual gemacht und betont bei jeder Gelegenheit: Lieber tot als blau. Genauso gut könnte er sagen: Ich werde immer nur mit Rot-Grün regieren.
Effektiver kann Wahlwerbung für die AfD kaum sein.
Die Partei wird also stark wachsen, wenn ihre Gegner die Ursachen dieses Wachstums weiter verdrängen und sich weiter an ihren fatal falschen und gescheiterten Rezepten festklammern.
Irgendwann bleibt dann nur noch ein Verbot der AfD.
All diese Gedanken habe ich heute einem ausländischen Freund geschildert, der seit langem die deutsche Politik aufmerksam beobachtet.
Er war soweit einverstanden
Erst, als ich ihm schrieb, dass ein Verbot der AfD zu einem Aufstand führen würde, widersprach er mir entschieden. „In Deutschland wird es keinen Aufstand geben! Von wem denn?“, schrieb er mir.
„In Westdeutschland sicher nicht. Aber im Osten?“ schrieb ich zurück.
Seine Antwort: „Nein, dort auch nicht. Die Deutschen wissen nicht, was das ist – ein Aufstand. Haben sie nie in ihrer Geschichte gemacht. Sie werden viele Protestbriefe schreiben. Vorher wird man irgendeinen ‘Staatsstreich der AfD` aufdecken. Und alle werden daran glauben. Und damit ist die Sachen gegessen.“
Sicher scheint nur eines: Wir leben in spannenden Zeiten.
PS: Kaum hatte ich diesen Artikel fertig geschrieben, fand ich einen Hoffnungsschimmer. Der Bundesvorsitzende der Jungen Union (JU), Johannes Winkel, habe die CDU aufgefordert, mit konkreten inhaltlichen Angeboten auf AfD-Wähler zuzugehen, schreibt die „Welt“. Winkel sagte demnach in einem Interview: „Wir dürfen 20 Prozent AfD-Wähler nicht ignorieren.“ Es habe auch keinen Sinn, sie alle „als Rechtsextreme und Nazis“ abzuschreiben. Die Mehrheit, so zeigten es die Umfragen, wählten die AfD aus Protest gegen die Bundesregierung, so der JU-Chef: „Für diese 12, 13, 14 Prozent, die die AfD eben nicht aus Überzeugung wählen, müssen wir ganz konkrete Angebote machen. Das haben wir als Union lange Zeit nicht gemacht.“
Als Beispiel nannte Winkel die Themen Energie und Migration, die Wähler „gerade umtreiben wie noch nie“. Da müsse die Union „ganz klare Vorschläge liefern und insbesondere bei der Migration auch Fehler der Vergangenheit zugeben“, so Winkel. Er mahnte, niemand brauche eine Union, „die grüner als die Grünen ist“. Es gibt sie also noch – kluge Köpfe in der CDU, die das Problem verstehen.
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