Ein Gastbeitrag von Alexander Wallasch
Jeder kennt irgendjemanden, der sich schon einmal gegen Grippe hat impfen lassen oder ist selber dagegen geimpft worden. Dementsprechend kennt auch jeder jemanden, der Nebenwirkungen wie Fieber und Erkältungssymptome im Zusammenhang mit dieser Grippeschutzimpfung bekommen hat.
Nebenwirkungen sind sogar recht häufig, gefährliche Verläufe allerdings seltener. Wurden in der Saison 2008/09 noch knapp die Hälfte der Menschen über 60 gegen Grippe geimpft, waren es 2016/17 nur noch 35 Prozent. Die Akzeptanz ist demnach gesunken. Erstaunlicherweise gibt es regional große Unterschiede: So ließen sich 2018/19 in Baden-Württemberg nur noch etwa 24 Prozent der Altersgruppe impfen, in Sachsen-Anhalt hingegen 63 Prozent.
Nebenwirkungen sind demnach bekannt und sie gelten auch für sämtliche zur Verfügung stehende Covid-19-Impfstoffe. Es gibt keine von Nebenwirkungen freie Impfung. Aber macht es das einfacher? Ein im direkten Zusammenhang mit Impfungen stehender kurzer Erkrankungszustand ist das eine, aber wie sieht es mit von Impfkritikern befürchteten Langzeitfolgen aus?
Das Robert-Koch-Institut (RKI) ist sich formal durchaus der Problematik bewusst und bietet einen in der Dramatik ansteigenden Dreiklang zur Sicherheit von Impfungen an: „Impfreaktion“, „Impfkomplikation“ und „Impfschaden“. Die Reaktion klingt, so das RKI, nach wenigen Tagen „vollständig ab“. Die Komplikation gäbe es zwar, aber „sehr selten.“ Eine solche Komplikation ist laut RKI gegenüber dem Paul-Ehrlich-Institut meldepflichtig, wird also statistisch erfasst. Um zuletzt zum Impfschaden zu kommen: hier verweist das RKI auf das Bundesversorgungsgesetz, das besage: „Wer durch eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung einen Impfschaden erlitten hat, erhält auf Antrag Versorgung …“
Hierzu ist ein Ausschnitt eines Interviews des ZDF mit der Bundeskanzlerin interessant, die in etwa darauf hinwies, dass die Zulassungen in anderen Ländern deshalb so schnell gingen, weil die Regierungen dort die Haftung übernommen hätten, wozu die EU bzw. die deutsche Regierung nicht bereit gewesen sei. Die Verantwortung bleibt also in Deutschland beim Hersteller? Oder ist schon die Impfempfehlung der Regierung hier bereits eine Art Haftungsübernahme, die zum Versorgungsausgleich führt? Selbst ein Impfzwang wurde ja zeitweilig ernsthaft diskutiert.
Der Bayerische Rundfunk hat sich gerade des Themas angenommen und verortet die Haftung nach § 60 des Seuchenschutzgesetzes bei der Bundesregierung, allerdings auch beim anbietenden Unternehmen selbst. Unter bestimmten Voraussetzungen seien sogar die behandelnden Ärzte und das beteiligte Klinikpersonal haftbar, sowohl, was eine fehlende Abfrage von Vorerkrankungen angeht, als auch bezogen auf eine unsachgemäße Verabreichung.
Ganz eng verknüpft mit der Haftung ist die Notzulassung. So soll sich die EU aus Haftungsgründen gegen eine schnellere, sogenannte „Notfallzulassung“ entschieden haben. Bemerkenswert allerdings: Die Haftung bleibt hier angeblich beim Unternehmen, aber die EU-Mitgliedsstaaten entschädigen die Unternehmen im Falle des Falles unter bestimmten Voraussetzungen dann doch.
Bleiben wir bei der Bundeskanzlerin, die erzählte im Interview mit dem ZDF in etwa, sie sei so „fasziniert“ gewesen davon, dass so rasch ein Impfstoff entwickelt worden sei, dass sie darüber die Sicherstellung der Beschaffung verschlampt hätte, nein, der zweite Teil stimmt so nicht im Wortlaut, aber es klang auf diese Weise entschuldigend. Und angesichts der vom Bayerischen Rundfunk recherchierten Übernahme von Haftungen unter bestimmten Voraussetzungen, scheint die Erklärung der Kanzlerin für die Impfstoff-Beschaffungsengpässe auf dünnem Eis zu stehen.
AstraZeneca ist ein internationaler Pharmakonzern mit Hauptsitz in Stockholm. Mit einem Umsatz von 23,56 Milliarden US-Dollar (2019) und über 70.000 Mitarbeitern gehört AstraZeneca zu den Pharmagiganten. Das Unternehmen ist Hersteller des Sars-Cov-2-Impfstoffes AZD1222. Der allerdings wurde an der Oxford University entwickelt, hier hat man sich als Pharmakonzern die Exklusivrechte sichern können. Auch die EU hatte den Stoff bestellt, die darauf folgenden Lieferengpässe sind bekannt.
Biontech/Pfizer, Moderna, Sputnik V, das chinesische BBIBP usw. – es wurden mittlerweile eine ganze Reihe von Impfstoffen zugelassen (Vektorimpfstoffe wie auch mRNA-Impfstoffe) oder notzugelassen und werden bereits verimpft. Dabei haben sich allerdings in der Wirksamkeit deutliche Unterschiede ergeben: Ausgerechnet das bereits in Deutschland geimpfte AstraZeneca soll hier zu den weniger wirksamen Impfstoffen gehören.
Und aktuell kommen weitere schlechte Nachrichten für den Pharmariesen dazu: Der Impfstoff von AstraZeneca verursacht Komplikationen, die dazu geführt haben, dass in einer schwedischen Region die Impfungen sogar ausgesetzt wurden. In Sörmland sei es zu einer ungewöhnlichen Häufung von Nebenwirkungen gekommen. Dort waren 400 Krankenhaus-Mitarbeiter geimpft worden, ein Viertel der Geimpften hätte Nebenwirkungen gezeigt. Im Ergebnis herrschte daraufhin Personalnotstand, insbesondere wegen Krankenstand aufgrund von Fieber.
Aber Schweden ist kein Einzelfall für Auffälligkeiten bei der Gabe des Impfstoffes von AstraZeneca: Auch beispielsweise eine Impfserie unter Hamburger Feuerwehrleuten endete dramatisch nicht nur für den Personalstand, sondern auch für einzelne Feuerwehrleute bis hin zu vorübergehenden schweren neuralgischen Ausfällen mit Schlaganfall-ähnlichen Symptomen. Die Betroffenen klagten über „Gliederschmerzen, Schüttelfrost, Kopfdröhnen und Schlappheit.“
Probleme, die in weiteren Bundesländern aufgetreten sind: So sollen 304 Angehörige des Dortmunder Rettungsdienstes geimpft worden sein und am Folgetag fehlte ungefähr jeder vierte dieser Mitarbeiter wegen ähnlicher Symptomatiken, wie sie in Hamburg aufgetreten waren. Und es gibt weitere Fallbeispiele in Nordrhein-Westfalen (Bochum, Minden-Lübbecke) und im Bundesgebiet. Unter anderem die deutsche Feuerwehrgewerkschaft fordert Aufklärung, die Städte sollen die Zahlen der Impfnebenwirkungen offenlegen.
Lag es tatsächlich am Impfstoff oder eher an der Verabreichung, spielten gar Faktoren eine Rolle, die mit beidem nichts zu tun haben? Der WDR hat beim Robert-Koch-Institut nachgeschaut, dort allerdings hält man die genannten Reaktionen für erwartbar. Allerdings seien diese Nebenwirkungen bei einem mRNA-Impfstoff wie dem von Biontech weniger häufig bzw. seltener. Vektorimpfstoffe wie AstraZeneca würden eine starke Immunantwort hervorrufen. Da kann man sich in etwa ausmalen, wie sinnvoll welcher Stoff für den Einsatz in Alten- und Pflegeheimen sein könnte.
Und wie immer gibt es auch hier bei den Häufigkeiten Verantwortliche, die der Sache noch etwas Positives abgewinnen können. Eine Mitarbeiterin des schnell einberufenen Krisenstabes in Minden-Lübbecke sieht die Impfreaktionen als positives Zeichen: „Weil damit gezeigt wird, dass der Impfstoff scheinbar wirksam ist.“
Ist eine solche Aussage vergleichbar mit der Bauernweisheit, dass nur bittere Medizin wirksam ist? Der Hersteller selbst teilte gegenüber dem MDR mit: „Derzeit sind die gemeldeten Reaktionen so, wie wir sie aufgrund der Erkenntnisse aus unserem klinischen Studienprogramm erwarten würden.“ Aber offensichtlich war das den deutschen Impfern nicht bekannt gemacht worden, sonst hätten sich die betroffenen Feuerwehren und Kliniken auf den Ausfall doch besser vorbereiten können.
Alexander Wallasch betreibt einen eigenen Blog (alexander-wallasch.de), auf dem dieser Beitrag ebenfalls erschien.
Anmerkung BR: Wie verschiedene Medien vermeldeten, äußerte sich inzwischen der medizinische Leiter von Astrazeneca Nordeuropa, Andreas Hidini, gegenüber dem schwedischen Sender SVT angesichts der starken Nebenwirkungen, welche bei 25 Prozent der geimpften Mitarbeiter des genannten Krankenhauses im schwedischen Sörmland auftraten: „Das stimmt nicht mit dem überein, was wir beobachtet haben.“ (…) „Nein, das ist nicht gut. Das ist ein größerer Anteil, der Nebenwirkungen bekommt, als wir erwartet haben. In unseren Studien liegt der Wert bei rund zehn Prozent …“ Mittlerweile wird empfohlen, den Impfstoff von AstraZeneca dem Personal gestaffelt zu verimpfen, um Personalmangel zu verhindern.
Charité-Virologe Christian Drosten lobte nichtsdestotrotz am Dienstag im Podcast „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info den „sehr guten“ Astrazeneca-Impfstoff: es gebe „immer irgendwo ein Haar in der Suppe“.
Na dann: Guten Appetit.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
[themoneytizer id=“57085-3″]
Bild: rafapress/Shutterstock
Text: Gast