Von Kai Rebmann
Die Meldungen über Engpässe bei der Lieferung von teils lebensnotwendigen Medikamenten in Deutschland erreicht immer neue Höchststände. Obwohl das Problem seit Jahren bekannt ist, werden die Lücken in den Regalen und Schränken der Apotheker immer größer.
Mit insgesamt 960 Meldungen wurde im Jahr 2022 in der Bundesrepublik ein historischer Höchststand bei den Lieferengpässen verzeichnet, wie eine Auswertung der beim Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) hinterlegten Daten zeigte. Selbst in den Pandemie-Jahren, als Produktionskapazitäten und Lieferwege teilweise erheblich eingeschränkt waren, blieb Deutschland weit unterhalb dieser Marke.
Und jetzt die Schock-Nachricht: Im Jahr 2023 wurden dem BfArM zwischen Januar und Dezember nicht weniger als 1.426 Lieferengpässe bei Medikamenten und Arzneimitteln gemeldet. Eine nochmalige Steigerung gegenüber dem ohnehin schon rekordverdächtigen Vorjahr um geradezu astronomische 48,5 Prozent – und ein Armutszeugnis für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dessen Prioritätensetzung.
Gesundheitsministerium antwortet ausweichend
Neben Fiebersäften für Kinder und Antibiotika sind es vor allem Krebsmedikamente, die in Deutschland fehlen. Eine Ärztin, die selbst in der Palliativmedizin tätig ist, bestätigt dies gegenüber reitschuster.de. Die Aussagen der Insiderin lassen sich wie folgt zusammenfassen: Selbst die dringend notwendigsten Medikamente für die Palliativmedizin fehlen und Krebspatienten in fortgeschrittenen Stadien können nicht mehr ausreichend schmerzstillend versorgt werden. Die Situation sei sehr dramatisch. Als Beispiele wurden Mischinsuline wie etwa Actraphane oder weitere Medikamente wie Hydromorphon und Tavor Expidet genannt.
Doch damit noch nicht genug: Auf der anderen Seite seien völlig überteuerte Medikamente, die in der Krebsbekämpfung oft kaum etwas ausrichten könnten, sehr leicht und in ausreichenden Mengen erhältlich. „Weil man da einen Reibach machen kann“, spricht die Ärztin einen ungeheuerlichen, aber sehr naheliegenden Verdacht aus.
Wir wollten es genau wissen und haben deshalb bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. (ABDA) und im Bundesgesundheitsministerium nachgefragt. Beide Stellen haben auf die eingangs erwähnte Datenbank des BfArM verwiesen. Das Haus von Karl Lauterbach ließ zudem wissen, dass man „zu konkreten Lieferengpässen“ nichts sagen könne. Tatsächlich wurde das Ministerium aber auch ganz allgemein mit dem von der Ärztin geäußerten Verdacht konfrontiert – wozu es allerdings keinen Kommentar gab.
Die entsprechende Recherche ergab für die oben genannten Medikamente folgendes Bild:
Actraphane 30 FlexPen 100 IE/ml (Lieferengpass seit 17. Januar 2024 bis mindestens 4. April 2024); Grund: erhöhte Nachfrage; Alternativpräparat: NovoMix 30 FlexPen 100 I.E./ml Injektionssuspension in Fertigspritze – OP (10x3ml) – Einreichungsnummer: 2701708
Hydromorphon-HCl Glenmark 8 mg Hartkapseln, retardiert (Lieferengpass seit 26. Oktober 2023 bis mind. 22.März 2024); Grund: Probleme in der Herstellung; Alternativpräparat: nicht angegeben
Hydromorphon-HCl Glenmark 4 mg Hartkapseln, retardiert (Lieferengpass seit 11. August 2023 bis mind. 29. März 2024); Grund: Probleme in der Herstellung; Alternativpräparat: nicht angegeben
Tavor 1,0 mg Expidet (Lieferengpass seit 10. Juli 2023 bis mind. 28. Februar 2025); Grund: unzureichende Produktionskapazitäten; Alternativpräparat: nicht angegeben
Wohlgemerkt, bei den angegebenen Zeiträumen handelt es sich um Idealannahmen. Es ist durchaus nicht unüblich, dass sich das voraussichtliche Ende eines aktuell bestehenden Lieferengpasses teilweise sogar mehrfach verlängern kann.
‚Unzureichende Kapazitäten‘ bei Pfizer!?
Für Actraphane 30 FlexPen und das vom BfArM empfohlene Alternativprodukt (NovoMix 30 FlexPen) scheint sich die Befürchtung unserer Insiderin zu bestätigen. Bei gleicher Packungsgröße kosten 10 mal 3 Milliliter bei Actraphane 89,98 Euro, während Selbstzahler für NovoMix mit 146,73 Euro zur Kasse gebeten werden (Stand: 04.03.2024) – ein Unterschied von 63 Prozent also.
Und noch etwas fällt auf: Hersteller des ebenfalls fehlenden – und den Angaben zufolge bis mindestens Ende Februar 2025 jedenfalls nicht in ausreichenden Mengen erhältlichen – Medikaments Tavor Expidet ist ein Pharmakonzern namens Pfizer.
Hier drängt sich natürlich insbesondere die Frage auf, weshalb dort als Grund für den offenbar schon chronisch gewordenen Lieferengpass „unzureichende Produktionskapazitäten“ angegeben werden. In anderen Zusammenhängen war und ist die Bereitstellung eben dieser bei Tavor derzeit fehlenden Kapazitäten ganz augenscheinlich kein Problem.
Auf Ihre Mithilfe kommt es an!
Auf meiner Seite konnten Sie schon 2021 lesen, was damals noch als „Corona-Ketzerei“ galt – und heute selbst von den großen Medien eingestanden werden muss. Kritischer Journalismus ist wie ein Eisbrecher – er schlägt Schneisen in die Einheitsmeinung.
Dafür muss man einiges aushalten. Aber nur so bricht man das Eis. Langsam, aber sicher.
Diese Arbeit ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich!
Helfen Sie mit, sichern Sie kritischen, unabhängigen Journalismus, der keine GEZ-Gebühren oder Steuergelder bekommt, und keinen Milliardär als Sponsor hat. Und deswegen nur Ihnen gegenüber verpflichtet ist – den Lesern!
1000 Dank!
Per Kreditkarte, Apple Pay etc.Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71 oder BE43 9672 1582 8501
BITCOIN Empfängerschlüssel auf Anfrage
Mein aktuelles Video
Bild: Jenari/ShutterstockMehr von Kai Rebmann auf reitschuster.de