Messerangriff in Wedel: Justiz muss Tatverdächtige laufen lassen Syrer stehen „weiter im Zentrum der Ermittlungen“

Von Kai Rebmann

Der heimtückische Angriff auf den Lehrer einer Musik- und Volkshochschule in Wedel bei Hamburg sorgte vor wenigen Tagen für bundesweites Entsetzen. Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen umgehend Ermittlungen wegen versuchten Mordes auf und stießen dabei auf vier Brüder aus Syrien im Alter von 17, 19 und 21 Jahren. Am heutigen Montag wurde bekannt, dass die Geschwister wieder auf freien Fuß gesetzt werden mussten, letztlich aus formalen Gründen.

Der „Spiegel“ nutzt diesen Umstand sofort, um daraus einen glatten Freispruch für die Flüchtlinge zu formulieren: „Vier Geschwister, die nach einem Messerangriff auf einen Lehrer in Wedel festgenommen worden waren, stehen nicht mehr unter Tatverdacht. Die Polizei sucht weiter nach zwei männlichen Tätern.“ Das ist nicht nur eine Verdrehung der Fakten, sondern auch eine Irreführung der eigenen Leser – und leider kein Einzelfall.

Richtig ist hingegen: Die Brüder stehen sehr wohl „weiter im Zentrum der Ermittlungen“, wie eine Sprecherin der Polizeidirektion Itzehoe unmissverständlich betont. Es bestehe laut Einschätzung der Ermittler lediglich „kein dringender Tatverdacht“ mehr, der ausreichende Gründe für eine weitere Inhaftierung geliefert hätte. Bei der weiteren Suche der Polizei „nach zwei männlichen Tätern“, von der der „Spiegel“ schreibt, dürfte es sich dem Vernehmen nach um die beiden 21-jährigen mutmaßlichen Haupttäter handeln, die aber eben dieser Gruppe zuzuordnen sind.

Mit anderen Worten: Polizei und Staatsanwaltschaft können zum aktuellen Zeitpunkt wohl noch nicht mit der notwendigen Sicherheit sagen, welcher der Brüder zugestochen hat und welche mutmaßlichen Mittäter „nur dabei“ waren. Im Juristen-Deutsch heißt das dann eben, dass kein „dringender“ Tatverdacht besteht und folglich keine objektiven Haftgründe vorliegen.

Ermittlungen zu Hintergründen der Tat dauern an

Und das ist passiert: Ein Musikdozent der Volkshochschule war am Freitag auf dem Parkplatz von mehreren Tätern angegriffen worden. Dabei wurden dem 67-jährigen Opfer mehrere Stichwunden im Oberkörper und Halsbereich zugefügt, die entgegen ersten Medienberichten aber nicht lebensgefährlich gewesen sein sollen. Über den aktuellen Gesundheitszustand des Mannes hielt sich die Polizei am Montag ansonsten aber bedeckt.

Klar scheint nur, dass sich das Opfer und seine Angreifer gekannt haben. Auch dazu, ob die derzeit weiterhin tatverdächtigen Syrer aktuell oder zu einem früheren Zeitpunkt zu den Schülern des Dozenten gehörten, wollte sich die Polizei nicht weiter äußern. Dies sei ebenso wie die weiteren möglichen Hintergründe zu der Tat noch Gegenstand der Ermittlungen, so eine Sprecherin.

Dass die stark zunehmende Gewaltkriminalität in Deutschland auch vor der Provinz nicht Halt macht, musste auch Wedels Bürgermeisterin Julia Fisauli-Aalto (CDU) konstatieren. Die Rathaus-Chefin zeigte sich gegenüber der Springer-Presse „zutiefst erschüttert und schockiert“ von dem Angriff und hatte es offenbar nicht für möglich gehalten, „dass so eine Tat in unserer kleinen Stadt“ passieren kann.

Dem normalen Bürger sind solche Entscheidungen und Abwägungen des Rechtsstaats aber ohnehin nicht mehr zu vermitteln. Ein Land, das Ärzte wegen der Ausstellung vermeintlich gefälschter Impfzertifikate monate- oder gar jahrelang wegsperrt, entlässt Gewalttäter fast schon regelmäßig nach wenigen Stunden wieder in die Freiheit. Oder kommt es letztlich nur auf den wie auch immer gearteten Hintergrund der Tatverdächtigen an?

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: photocosmos1/Shutterstock

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