Doppelmoral beim ZDF: Kopftuch – ja, Israel-Anhänger – nein? Auf dem Weg in die Idiokratie

Diese Zeilen schreibe ich in ca. 11.000 Metern Höhe irgendwo über Zentraleuropa, an Bord eines Flugzeuges. Nach dem Einsteigen sagte der Kabinenchef in einer Durchsage, man möge bitte darauf verzichten, die Crew oder andere Passagiere ohne deren Erlaubnis zu fotografieren. Unmittelbar nach dem Start musste seine Kollegin mehrfach eindringlich darauf hinweisen, dass man doch die Gurte geschlossen halten möge.

„Idiokratie“, sagte ich mir, in Reminiszenz an den legendären Film „Idiocracy“. Der zeigt eine dystopische Zukunft, in der die Menschheit durch zunehmende Verdummung an den Rand des Zusammenbruchs gerät. Es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis die Kabinenbesatzung die Passagiere ermahnen muss, nicht unter die Sitze zu pinkeln, sagte ich mir in einem Anflug von Galgenhumor.

Verzeihen Sie den Abstecher zu Beginn – aber ich werde gleich die Brücke schlagen zum Thema dieses kurzen Textes. Denn „Idiokratie“ – das war auch mein erster Gedanke, als ich heute die Nachricht las, dass das ZDF seiner Moderatorin Andrea Kiewel nach einem „Fernsehgarten“-Auftritt verboten hat, eine Kette zu tragen, die den Umriss Israels zeigt.

„Großer Wirbel um ein kleines Schmuckstück“, schreibt die „Bild“: „Grund: Auch der Ostteil Jerusalems, das Westjordanland und Gaza seien auf der Kette als Teil Israels umrissen – die Gebiete könnten aber im Rahmen einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung einem Staat Palästina zufallen. “

Tatsächlich ging es wegen der Kette im Internet hoch her. Die notorische Berliner SPD-Politikerin Sawsan Chebli polterte: „Die in Israel lebende Moderatorin Kiewel tritt im ZDF mit Kette auf, in der illegal besetzte Gebiete Ost-Jerusalem, Westbank, Gaza und Golan als israelisches Staatsgebiet gezählt werden. Stellt euch vor, eine Moderatorin trägt eine Kette mit der historischen Karte Palästinas.“

Fehlendes Wissen eingestehen

Da könnte man nun – fachlich völlig korrekt – entgegnen, dass es ein historisches, arabisches Gebiet „Palästina“ nie gegeben hat.

Womit wir mitten in einer hitzigen Diskussion wären. Schon heute schreiben mir Leser, ich würde nicht klar genug Stellung beziehen zum Nahost-Konflikt. Die einen wünschen sich mehr Kritik an Israel, die anderen mehr Unterstützung des Judenstaates. So als wäre ich ein Nahost-Experte.

Tatsächlich leben wir in Zeiten, die in vielerlei Hinsicht absurd sind: Zum einen ist heute fast jeder Experte für alles, leider auch bei den alternativen Medien. Ich bin da noch altmodisch und sage mir: Bei Themen, in denen ich mich nicht gut auskenne, übe ich Zurückhaltung.

Die zweite Absurdität: Ein weit verbreiteter Bekenntniszwang. Ich finde: Demokraten unterscheidet von totalitär denkenden Menschen, wie vielen Rot-Grünen, dass sie mit anderen Meinungen leben können. Zumindest sollten sie damit leben können, dass jemand nicht in allem und jedem mit genau der Fahne herumrennt, die man gerne hätte, und sich nicht bei jedem Thema lautstark in der Richtung positioniert, die man sich wünscht.

Kritischer Journalismus ist kein Wunschkonzert.

Gott sei Dank sind hier auf meiner Seite bis auf wenige Ausnahmen Menschen, die das genauso sehen.

Womit wir beim ZDF wären und seinem „Kettchen-Verbot“: Wenn auf der einen Seite die Berliner Polizei ganz offiziell die hoch umstrittene Fahne der „Regenbogen-Community“ vor dem Präsidium der Polizei hisst und andererseits winzige Israel-Anhänger für massiven Wirbel sorgen und ein Verbot auslösen, passt das nicht zusammen.

Diese Doppelmoral ist allgegenwärtig.

Gewalt ist nicht gleich Gewalt

Angriffe auf Vertreter des ökosozialistischen Lagers lösen erhebliche Empörung aus, während Angriffe auf Politiker der patriotisch-konservativen Opposition meist stillschweigend zur Kenntnis genommen werden. Man denke nur an den Parteitag der AfD, der für viele Delegierte zum Spießrutenlauf wurde – worüber sich viele Politiker und Journalisten freuten.

Auch in der Berichterstattung über politische Korruption wird mit zweierlei Maß gemessen. So werden neue EU-Mitgliedsstaaten wie Bulgarien und Rumänien stärker kritisiert als etablierte Mitgliedsstaaten.

Im Sachen Völkerrecht fällt auf, dass die Besetzung von Gebieten durch Russland in der Ukraine regelmäßig verurteilt wird, während ähnliche Aktionen von Israel in palästinensischen Gebieten weniger stark kritisiert werden.

Ein weiteres Beispiel ist der unterschiedliche Umgang mit Whistleblowern. Während Julian Assange für seine Enthüllungen stark verfolgt wurde, wird Alexei Nawalny im Westen als Held gefeiert, obwohl beide ähnliche Ziele verfolgen.

Autoritär oder nicht?

Während einige Staaten wie Russland wegen der Demokratie-Defizite dort stark kritisiert werden, wird die Zusammenarbeit mit anderen autoritären Staaten wie Saudi-Arabien oft weniger hinterfragt.

Medien und Politik setzen sich vehement für Pressefreiheit in anderen Ländern ein – während hierzulande ohne Gerichtsbeschluss Magazine verboten und kritische Journalisten aus der Bundespressekonferenz herausgeworfen oder ferngehalten werden.

Während bei einigen Demonstrationen, wie etwa gegen Corona-Maßnahmen, schnell und rigoros durchgegriffen wird, bleiben andere, wie Demonstrationen mit linksextremistischen oder islamistischen Forderungen, etwa nach einem Kalifat, oft unbehelligt

In Deutschland rückt die Polizei an, wenn ein falsches Lied gesungen wird oder zu Corona-Zeiten ein Kindergeburtstag stattfand – bei nicht strafmündigen Kriminellen zuckt die Polizei dagegen mit den Schultern und sagt, sie habe „keine Sanktionsmöglichkeiten“.

Die Liste ließe sich schier endlos fortsetzen.

Aber zurück zu ZDF-Moderatorin Kiewel. Sie lebt seit Jahren in Israel. In einem Interview im April sagte sie: „Ich lebe in Israel, weil ich das will. Hier bin ich zu Hause. Als Jüdin, als Ost-Berlinerin, als Mensch, als Andrea. Es ist meine Lebensentscheidung.“

Das ZDF erklärte nun, man habe sich mit Kiewel geeingt, dass sie den Schmuckanhänger zukünftig nicht mehr in der Sendung tragen wird. Die Begründung: Es handle sich um „politisch interpretierbaren Schmuck“.

Ich finde: Es gibt durchaus Argumente dafür, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das von Zwangsgebühren lebt, auf politische Symbolik verzichtet wird. Umgekehrt kann man sagen, wenn jemand offen zu seinen Überzeugungen steht, weiß man, woran man ist – und das ist völlig okay, solange auch die andere Seite zu Wort kommt bzw. ihre Zeichen zeigen darf.

Für beide Positionen gibt es nachvollziehbare Begründungen.

Polit-Parolen an jeder Ecke

Und es gibt noch eine dritte Position: Dass all dieser Hang zur Symbolik eine Mischung aus Potemkinscher Fassade und Gesslerhut darstellt – etwa die Aufkleber „Wir bedienen keine Nazis“ in Kneipen und Restaurants, die Regenbogenfahne bei der Polizei oder der Aufkleber „FCK AfD“.

Ein Mindestkonsens sollte in jedem Fall sein, dass es absurd ist, wenn ständig mit zweierlei Maßstäben gemessen wird.

Denn wie ist es etwa mit dem Kopftuch? Das ist genauso „politisch interpretierbar“ wie der Anhänger von Kiewel.

Aktuell gibt es zwar beim ZDF keine Moderatorinnen mit Kopftuch. Doch 2019 war etwa die Reporterin Nemi El-Hassan für den Sender mit dem Kopftuch unterwegs.

Der Anfang ist also gemacht.

Ich bin gespannt, ob sich beim ZDF jemand an das Thema rantraut?

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Bild: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons/Shutterstock

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