Kirmes in Neuss: Greif-Buden mit Regenbogen-Penissen erhitzen die Gemüter Frühsexualisierung oder harmloses Gimmick?

Von Kai Rebmann

Es ist eine Diskussion, die zwischen Prüderie und Frühsexualisierung geführt wird. Und über allem schwebt dabei noch die Frage, ob Deutschland und seine Bürger derzeit keine anderen Probleme haben, um sich über Plüsch-Penisse auf einem Jahrmarkt aufzuregen. Man kann diese Frage ohne weiteres bejahen – und muss deshalb die neueste „Attraktion“ auf einer Kirmes in Neuss (NRW) trotzdem nicht gutheißen.

Die doch recht eigentümlichen „Stofftiere“ locken als potenzieller Gewinn in einigen dieser Greif-Automaten, wie man sie von einer Kirmes eben kennt. Adressaten dieses Glücksspiels sind in aller Regel Kinder, und deren Eltern sollten daher doch davon ausgehen dürfen, dass sich in den Maschinen auch altersgerechte Angebote befinden. In Neuss ist das aber offensichtlich nicht der Fall, wie unter anderem die „Rheinische Post“ berichtet.

Wie das Blatt berichtet, könnten die Pimmel in mehreren Varianten aus den Spielgeräten gezogen werden. So gebe es Exemplare mit Aufschriften wie „I love you“ oder „Dickpic“. Werden solche „Schwanzbilder“ – so die etwas derbe, aber korrekte Übersetzung – etwa per Mail verschickt, ist das unter bestimmten Voraussetzungen sogar dann strafbar, wenn es sich bei den Empfängern um Erwachsene handelt. Und natürlich dürfen auf der Kirmes in Neuss auch Penisse in Regenbogen-Optik nicht fehlen.

Deutsche Schausteller – eine vom Aussterben bedrohte Branche

In den sozialen Medien haben die Greifbuden bereits zu sehr kontroversen Diskussionen und Meinungsbeiträgen geführt, die inzwischen auch das Rathaus erreicht haben. Dort ist eine Sprecherin um Deeskalation bemüht und bezeichnet die Maschinen mit dem schlüpfrigen Inhalt als eine Art Notlösung: „Aufgrund kurzfristiger Absagen anderer Aussteller wurden diese ‚Leerstandorte‘ mit Automaten-Geschäften befüllt, sofern keine anderen Aussteller aktiviert werden konnten.“

Hinter diesen Worten verbirgt sich freilich eine Wahrheit, die in der bisherigen Berichterstattung noch keinerlei Beachtung fand. Denn tatsächlich hat die Zahl der Automaten-Buden auf der Kirmes in Neuss im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zugenommen. Die Frage ist natürlich, warum? Und weshalb konnten nach den angeblich kurzfristigen Absagen „keine anderen Aussteller aktiviert werden“?

Fakt ist, dass von den Maßnahmen, die während der Corona-Jahre erlassen wurden, kaum eine Branche schwerer getroffen wurde als jene der Schausteller – und nicht wenige von ihnen wurden zur Aufgabe ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Existenz gezwungen. Gut möglich also, dass die Ersatzlösungen, nach denen die Stadt Neuss eigenen Angaben zufolge gesucht hat, schlicht und einfach nicht mehr existieren.

Müssen wir uns also daran gewöhnen, dass es auf Jahrmärkten in Deutschland – Festen für die ganze Familie – anstelle der klassischen Wurf-Buden und Box-Autos immer mehr wie auch immer geartete Automaten und Glücksspielgeräte gibt? Die Antwort wird die Entwicklung der kommenden Jahre liefern.

Die Sprecherin belässt es in der weiteren Erklärung zu den Plüsch-Pimmeln jedoch bei dem Hinweis, dass verschiedene Darstellungsformen naturgemäß von jedem Menschen unterschiedlich wahrgenommen würden. Sollte es jedoch Hinweise auf möglicherweise anstößige Inhalte geben, so „überprüft das Kirmes-Team dies unverzüglich und sucht, sofern erforderlich, das Gespräch mit den Schaustellern.“

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Rokas Tenys/Shutterstock

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