Von Kai Rebmann
Die Bundesregierung beschloss Anfang Oktober 2025 eine „Anpassung des Bundespolizeigesetzes“. Dahinter verbirgt sich laut Mitteilung die Schaffung „zeitgemäßer Befugnisse für die Bundespolizei“, die auf „die veränderte Gegenwart“ zugeschnitten seien. Offen genannt werden darin vorzugsweise solche Maßnahmen, die der Abwehr von Terror und illegaler Migration dienen sollen. Dagegen kann doch niemand ernsthaft etwas haben, oder? Und gut verkaufen lässt sich das Ganze in Zeiten wie diesen beim Wahlvolk sowieso.
Doch wie so oft lohnt sich auch hier der Blick in das Kleingedruckte. Denn zu diesen neuen, sprich erweiterten Befugnissen zählt unter anderem auch die „Durchführung verdachtsunabhängiger Kontrollen in Waffen- und Messerverbotszonen im Bahnbereich“. Das ist freilich nicht vielmehr als eine Alibi-Maßnahme, erlaubt den Beamten aber weitreichende Eingriffe in die Privatsphäre unbescholtener Bürger, da sich das Wort „verdachtsunabhängig“ jederzeit auch mit „anlasslos“ übersetzen lässt. Was das konkret bedeutet, kann auch in diesem Artikel nachgelesen werden.
Aber auch auf Landesebene soll die Polizei mit neuen, also erweiterten Befugnissen ausgestattet werden, so zum Beispiel in Sachsen – und das Bundespolizeigesetz dient dabei durchaus als Vorbild. Die schwarz-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Michael Kretschmer und Innenminister Armin Schuster (beide CDU) will im KI-Zeitalter mit modernster Technik auf Verbrecherjagd gehen – und dabei tief in die Grundrechte und Privatsphäre potenziell aller Bürger eingreifen.
Bei einigen der neuen Befugnisse orientiert sich Sachsen an Instrumenten, die bereits in anderen Bundeländern zum Einsatz kommen. So werden zum Beispiel in Städten wie Freiburg, Heidelberg oder Mannheim sogenannte Scan-Fahrzeuge eingesetzt, die mittels automatischem Abgleich von Kennzeichen Falschparker in bestimmten Wohngebieten identifizieren sollen.
Verhältnismäßigkeit gerät vollends aus dem Blick
Sachsen geht aber noch einen Schritt weiter und will mit Drohnen in das Innere von Fahrzeugen filmen und so Fahrern auf die Schliche kommen, die während der Fahrt ein Handy oder anderes elektronisches Gerät nutzen. Dies jedoch bringt gleich mehrere durchaus problematische Punkte mit sich. Einerseits handelt es sich dabei faktisch um eine anlasslose Überwachung aller (!) Autofahrer, die den ausgewählten Kontrollbereich passieren, andererseits stellt die Maßnahme einen substanziellen Eingriff in die Privatsphäre und damit die Grundrechte dar.
Wörtlich heißt es in dem Gesetzentwurf dazu: „Die Polizei darf im öffentlichen Verkehrsraum personenbezogene Daten durch den offenen Einsatz technischer Mittel zur Bildübertragung und -aufzeichnung zur Verhütung von Verstößen gegen die Verkehrsvorschrift des Paragraphen 23 Absatz 1a der Straßenverkehrs-Ordnung [„Handy-Verbot“] erheben, sofern tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass an bestimmten Streckenabschnitten oder Verkehrsknotenpunkten in regelmäßiger Weise gegen die genannte Vorschrift verstoßen wird oder es sich in sonstiger Weise um einen Bereich mit besonderer Unfallträchtigkeit handelt. […]“
Anders als bei der vorgeblichen oder tatsächlichen Terrorabwehr scheinen die Verhältnismäßigkeiten doch arg ins Wanken zu geraten. Schließlich ist und bleibt die Nutzung von Handys oder ähnlichen Geräten während der Fahrt am Ende des Tages nur eine Ordnungswidrigkeit. Kritiker argumentieren also nicht ganz zu Unrecht, dass hier mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.
Es kommt aber noch dicker: Die erweiterten Befugnisse für die Polizei in Sachsen sollen es den Beamten künftig auch ermöglichen, im Bereich sogenannter „Vorfeldstraftaten“ zu ermitteln. Dabei handelt es sich um eine durchaus kreative Wortschöpfung, die es der Polizei erlauben soll, gegen Bürger vorzugehen, die eine Straftat planen könnten. Der bloße Verdacht reicht dabei aus. In der Regel geht es dabei um die Überwachung sämtlicher Kommunikationskanäle von Verdächtigen – aber eben nicht ausschließlich.
Denn auch hier soll KI jeden Bürger zum potenziell Verdächtigen machen. Selbst Kontakt- und/oder Begleitpersonen von jemandem, der der KI aufgrund seines Verhaltens verdächtig vorkommt, sollen so observiert und in letzter Konsequenz sogar zur Fahndung ausgeschrieben werden können. Eine solche Kontakt- oder Begleitperson kann laut Gesetzentwurf jeder sein, der mit einem Verdächtigen „nicht nur flüchtig oder in zufälligem Kontakt“ steht; es bahnt sich also so etwas wie eine „Kontaktschuld“ an.
Karlsruhe pfeift Polizeigesetz reihenweise zurück
In der Vergangenheit hat das Bundesverfassungsgericht schon mehrere Länder zurückgepfiffen, die die Befugnisse für ihre Polizei massiv ausweiten und damit gleichzeitig die Grundrechte der Bürger einschränken wollten. So erklärten die Richter in Karlsruhe im Februar 2023 zum Beispiel die entsprechende Novelle des Polizeigesetzes zur automatisierten Datenauswertung in Hessen für verfassungswidrig.
Dasselbe Schicksal ereilte in diesem Frühjahr auch das novellierte Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen. Dort war ein aus der Haft entlassener Rechtsextremist auch weiterhin von der Polizei observiert worden. Auf den in diesem Zusammenhang angefertigten Bild- und Tonaufnahmen war teilweise aber auch dessen Freundin zu sehen bzw. zu hören, im Sinne der Polizeigesetze also eine „Kontakt- oder Begleitperson“, weshalb diese vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zog – und Recht bekam.
Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass eine heimliche Observation nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar sei, wenn „entweder eine konkrete oder zumindest konkretisierbare Gefahr“ nachgewiesen werden könne. Und weiter: „Insbesondere, wenn diese Maßnahmen [hier: die Observation] gebündelt durchgeführt werden und dabei unter Nutzung moderner Technik darauf zielen, möglichst alle Äußerungen und Bewegungen zu erfassen und bildlich wie akustisch festzuhalten, können sie tief in die Privatsphäre eindringen und ein besonders schweres Eingriffsgewicht erlangen.“
Im Klartext: Befugnisse, wie sie jetzt auch die Polizei in Sachsen bekommen soll, sind zwar nicht per se verfassungswidrig, dürfen jedoch nur innerhalb klar definierter Grenzen erteilt werden. Diese umfassen nach gängiger Rechtsprechung regelmäßig die Verhütung oder Aufklärung terroristischer und/oder staatsgefährdender Straftaten oder solcher Straftaten, die dazu geeignet sind, Leib und Leben Dritter zu gefährden. Die Jagd auf Falschparker oder Verkehrsteilnehmer, die während der Fahrt mit dem Handy telefonieren, dürfte demnach genauso wenig dazugehören wie die Observation bzw. Erstellung ganzer Bewegungs- und Verhaltensmuster eines mehr oder weniger beliebig großen Personenkreises.
Damit aus dem Entwurf aber tatsächlich ein Gesetz wird, ist die schwarz-rote Minderheitsregierung in Dresden auf Hilfe aus der Opposition angewiesen. CDU und SPD fehlen rechnerisch 10 Stimmen zu einer eigenen Mehrheit, das Zünglein an der Waage müssten also Abgeordnete aus den Reihen von AfD (40 Sitze), BSW (15), Grüne (7), Linke (6) und/oder ein Fraktionsloser (Ex-Freie Wähler) spielen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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