Von Daniel Weinmann
Geht es um die Rettung des Klimas, spielen Kosten hierzulande keine Rolle. Um den Transport von Waren klimaneutral zu gestalten, kamen findige grüne Geister auf die glorreiche Idee, Hybrid-Lkw auf Deutschlands Autobahnen zu schicken, die ihren Strom wie Straßenbahnen aus Oberleitungen entnehmen.
Drei Teststrecken wurden bislang gebaut: An der A5 zwischen Zeppelinheim nahe dem Frankfurter Flughafen und Weiterstadt bei Darmstadt, an der A1 zwischen Lübeck und dem schleswig-holsteinischen Reinfeld sowie an der B462 im Murgtal bei Rastatt.
„Bald könnten Oberleitungen für Lkw auf den meisten Autobahnen normal sein“, frohlockte „mdr Wissen“ im Oktober vergangenen Jahres. 4.000 Kilometer Oberleitung auf deutschen Autobahnen würden ausreichen, damit zwei Drittel der Brummis hierzulande komplett elektrisch fahren könnten. Der öffentliche-rechtliche Sender bezog sich dabei auf eine gemeinsame Studie des Öko-Instituts mit der Hochschule Heilbronn und dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation aus dem Februar 2020.
„Zeit und Geld sind kostbar und werden an anderer Stelle dringend gebraucht“
Einige Experten sahen die Technik überaus kritisch. Daimler-Truck-Chef Martin Daum etwa hatte dem Konzept schon im Oktober 2021 eine deutliche Absage erteilt: „Wir dürfen uns nicht verzetteln und weiterhin alle möglichen Entwicklungspfade verfolgen. Oberleitungen bräuchten eine flächendeckende, europaweite Infrastruktur über abertausende Kilometer. Die damit verbundenen Planungsverfahren wären hochkomplex, langwierig und mit großer Unsicherheit behaftet“, schrieb Daum in einem Gastbeitrag für die „FAZ“.
Damit sei diese Technologie praktisch nicht realisierbar: „Starre Oberleitungen würden Spediteuren zudem das nehmen, was für sie bei ihren täglichen Transportaufträgen so wichtig ist: Flexibilität. Politische Entscheider sollten deshalb keine weiteren Mittel in teure Pilotanlagen investieren. Zeit und Geld sind kostbar und werden an anderer Stelle dringend gebraucht.“
Außerdem machte der Daimler-Truck-Boss ein Problem deutlich, das zwar auf der Hand liegt, von den rotgrünen Klimaaktivisten in ihrer simplen Propaganda aber stets ausgeklammert wird: „Wenn sich die Zahl der elektrischen Pkw, Lkw und Busse auch nur annähernd so rasant entwickelt, wie wir alle das im Sinne der Nachhaltigkeit erhoffen, reichen Batterien hier schon bald nicht mehr aus.“
„Dauerhaft technische Probleme“
Dass dieses kaum durchdachte Vorhaben auch die Steuerzahler teuer zu stehen kommen könnte, erkannte der Bund der Steuerzahler bereits im Mai 2019. Das deutsche Autobahnnetz für Elektro-Lkw mit Oberleitungen zu versehen, sei „völlig unfinanzierbar“, wetterte BdSt-Schleswig-Holstein-Geschäftsführer Rainer Kersten im „Focus“.
Nun hat sich die bislang rund 190 Millionen Euro teure Oberleitungs-Lkw-Phantasmagorie in Luft aufgelöst. Der „Hessische Rundfunk“ berichtet mit Bezug auf befragte Behörden von absehbaren Anfangsproblemen, überraschenden Schwierigkeiten und dauerhaft technischen Problemen. So mussten etwa die Isolatoren an den Masten getauscht werden oder die GPS-Ortung war zu ungenau, um die Stromabnehmer automatisch ausfahren zu lassen. Nicht einmal die Übertragung der Daten von den Lastern zur wissenschaftlichen Auswertung klappte zuverlässig.
Selbst der ökologische Nutzen ist höchst zweifelhaft. Forscher der TU Darmstadt haben auf einer hessischen Teststrecke 16 bis 21 Prozent weniger Treibhausgase für die gesamte Strecke gemessen. Auch bei stabilem Betrieb und hoher Auslastung sind demnach höchstens 22 Prozent möglich. Dies gilt ohnehin nur, wenn grüner Strom genutzt wird.
Zehn bis 16 Milliarden Euro Baukosten für die Oberleitungen
Als wäre dies nicht genug, entbehrt der wirtschaftliche Nutzen jeglicher Vernunft. Laut einer von „tagesschau.de“ zitierten Studie des Öko-Instituts wäre der Betrieb von Oberleitungslastern über viele Jahre hinaus teurer ist als der von Diesellastern. 4000 Kilometer elektrifizierte Autobahn wären notwendig, um die Betriebskosten der Hybrid-Brummis unter die von Diesel-Lkws zu senken. Dafür müssten zehn bis 16 Milliarden Euro Baukosten in die Leitungen investiert werden – zuzüglich jährlicher Wartungskosten von knapp 300 Millionen Euro.
Die Elektro-Highways wurden 2019 zunächst vom damals sozialdemokratisch geführten Bundesumweltministerium finanziert und danach – kritiklos und ohne jegliche Überprüfung – von Robert Habecks Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz übernommen. Die Verluste tragen die Steuerzahler: Die Teststrecke in Baden-Württemberg wird im kommenden Jahr als erste abgerissen.
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
Bild: gerd-harder/Shutterstock