Ein Gastbeitrag von Annette Heinisch
Schloss Meseberg ist schön. Sogar sehr schön. So sehr schön, dass das Kabinett dort Anfang Mai eine Klausurtagung abhielt, um über die Zeitenwende zu beraten. Wenden kann unsere Politik nämlich gut, von der Energie bis hin zu den Zeiten, unsere Regierung ist wirklich tüchtig.
Unser Bundes-Olaf sagte anschließend, es sei eine super Atmosphäre gewesen, man sei sich „menschlich sehr nah“.
Was das bedeuten soll, wollen wir alle wahrscheinlich gar nicht so genau wissen, jedenfalls aber traten der Robert und der Christian vor die Kameras und berichteten aus dem – warum fällt mir das Wort „Stuhlkreis“ ein? – egal, jedenfalls hat der Robert Lösungen gefunden. Man müsse auch weiter global und so, aber Deutschland brauche zusätzlich „strategische Unabhängigkeit“.
Da ist der Zuschauer begeistert, was für eine bahnbrechende, neue Idee! Wie ist er bloß darauf gekommen? Gut, es waren zwei Wirtschaftsprofessoren anwesend, aber das hat der Robert bestimmt selbst gebastelt. Die Idee ist einfach genial, keiner außer unserem Robert würde je auf so etwas kommen. Also lassen wir die AKWs länger laufen, bauen neue, fördern unser eigenes Gas, das für ewig und drei Tage reicht, bauen Halbleiter: Wann fangen wir an?
Dann kam der Christian und der erzählte etwas von den „Erneuerbaren Freiheitsenergien“. Man merkt deutlich, so ein märchenhaftes Ambiente färbt ab! Nur mit der strategischen Unabhängigkeit wird es dann wohl nichts. Da müssen der Robert und der Christian erst noch einmal wenden üben gehen. Aber Hauptsache, alle hatten sich ganz doll lieb.
Keine Partei
Nahezu zeitgleich wurde das Ergebnis einer Forsa-Umfrage zur politischen Kompetenz veröffentlicht. Gefragt wurde: „Welcher Partei trauen Sie zu, mit den Problemen in Deutschland am besten fertigzuwerden?“ Die ernüchternde Antwort: 58 Prozent der Befragten trauen es keiner Partei zu.
Es dürfte sich um eine sehr realistische Einschätzung der Kompetenz handeln, eher etwas zu schmeichelhaft. Kann es sein, dass es den Bürgern gar nicht so wichtig ist, dass sich unsere Politiker gut verstehen und tolle Zeiten (auf Steuerzahlerkosten) haben? Dass sie mehr von politisch Verantwortlichen erwarten als wohlklingende Worthülsen, denen nie entsprechende Taten folgen?
Bemerkenswert ist, dass Union und FDP zusammen auf 10 Prozent kommen, d. h. nur 10 Prozent der Bürger trauen ihnen die Lösung der Probleme in Deutschland zu. Das ist kein Wunder, denn wenn alle grüner als die Grünen und roter als die Roten sein wollen, dann hat man im Versuch, denen das Wasser abzugraben, sich selbst die Grube geschaufelt, in die man nun schwungvoll hineinfällt. Wofür Union und Liberale zuverlässig (!) stehen – keiner weiß es. Statt sich um das Wählerpotential der 58 Prozent zu kümmern, immerhin die absolute Mehrheit, kümmert man sich um die 28 Prozent der Bürger, die für Rot-Grün votieren. Diese Strategie erscheint selbst einem unbedarften Laien eher mäßig intelligent, auch wenn die neuzeitlichen Auguren, heute Demoskopen genannt, dieses propagieren. Aber für das rot-grüne Wählerpotential gibt es bereits Angebote. Angesichts dieser Zahlen muss sich auch niemand über die niedrige Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen wundern: Die Mehrheit will diese Politik schlicht nicht. Jene, die zur Wahl gehen, wählen offenbar nur diejenigen, die halbwegs sympathisch wirken. Deutlicher kann die Verzweiflung der Wähler nicht werden.
Die Dominanz der Minderheit
Wenn die Liberalen und Konservativen so weiter machen, gehen bald nur noch die rot-grünen Wähler zur Wahl, denn nur diese haben noch eine. Die Dominanz der Minderheit über die Mehrheit wird zementiert, der Graben zwischen den Schlossbewohnern und dem „einfachen Volk“ riesig.
Dieser Graben wird verstärkt durch „Helikopter-Mütter“ wie Lambrecht oder in seltsame Tarnorganisationen verstrickte Ministerpräsidentinnen wie Schwesig oder Ex-Kanzler, welche die Interessen fremder Staaten vertreten. Dabei sind das nur wenige Beispiele, die Liste ließe sich beliebig verlängern. Ich vermute, dass eine Befragung bezüglich des Vertrauens in die Integrität unserer Politiker eher noch schlechter ausfiele. Wenn aber die Bürger der Führung Kompetenz und Integrität absprechen, dann ist das selbst in besten Zeiten ein Alarmsignal. Es gab da einmal einen König in Frankreich, der solche Warnsignale ignorierte, stur und bockig weitermachte. Es bekam ihm nicht gut.
Nur leben wir nicht in besten Zeiten. In Europa herrscht Krieg. Während unsere erlauchte „Elite“ im Schloss residierte, starben in der Ukraine Menschen. Sie sterben auch wegen Fehleinschätzungen eben dieser hochbezahlten Eliten, die nun zwar sagen „Upsi, da hab ich mich wohl geirrt“, dann aber weitermachen wie bisher. Zwischen Meseberg und Mariupol liegen deutlich mehr als die 2.000 km auf der Landkarte. Auch Deutschland benötigt anderes als schöne Worte und die Vorbereitung auf einen harten Winter, in dem neben Corona-Einschränkungen nun auch noch Frieren und wirtschaftliche Rezession auf uns zukommen. Denn mit den vom lieben Robert bisher durchgeführten Maßnahmen kommt Deutschland definitiv nicht durch den Winter. Auch nicht durch die Jahre danach.
Kann es sein, dass das auch gar nicht gewollt ist? Dass die Methode der ach so sympathischen Grünen, jede noch so schlimme Katastrophe und noch so großes Leid zu eigenen politischen Zwecken zu missbrauchen, gerade wieder am Werk ist? Oder wie anders soll man sich erklären, dass unser Robert wahrheitswidrig erzählt, AKWs könnten nicht länger betrieben werden oder dass LNG-Terminals eine Lösung seien? Warum ist die Förderung unseres eigenen Gases kein Thema? Warum kommen immer wieder Diskussionen über das Tempolimit? Gas ist das Hauptproblem und wie viele gasbetriebene Fahrzeuge haben wir denn?
„Das große Entwicklungsproblem liegt in der Gesellschaftsstruktur mit sogenannten Eliten, die sich nicht um die normalen Bürger kümmern. Es gibt keine Entwürfe für deren Lebensqualität, soziale Sicherheit und Entfaltungsrechte….ein Konglomerat von politischer Gleichgültigkeit und administrativer Nachlässigkeit….Es ist eine Politik des unsystematischen Durchwurstelns. Das Desaster in vielen Staaten … ist, dass von den Machteliten nicht investiert, sondern konsumiert wird. … Das Fehlen objektiver Daten schafft auch heute zahlreiche Möglichkeiten, mit Zahlenakrobatik jeden erwünschten Eindruck zu erwecken.“
Dies beschreibt exakt die Lage Deutschlands. Dumm nur, dass es ein Zitat aus einem Artikel des früheren deutschen Botschafters Volker Seitz über strukturelle Mängel in afrikanischen Staaten ist.
'Bürger, sorgt selber für Euch'
Deutlicher kann man kaum zeigen, wie abgewirtschaftet Deutschland ist. Der bekannte Ökonom Hans-Werner Sinn meint, die guten Jahre seien nicht nur für die nächsten 10 bis 15 Jahre vorbei, sondern für längere Zeit. Dieses läge zum einen an den Grünen und ihrem politischen Ziel, billige Energie abzustellen. Er habe ihnen nie abgenommen, dass es ihnen wirklich ums Klima ginge, denn dann hätten sie die Kernkraft nicht so verteufelt. Zum anderen würden die seit Jahrzehnten bekannten demographischen Probleme überhandnehmen. „Wir haben ein riesiges Versorgungsproblem, weil die Arbeitsbevölkerung wegbricht. Einige sagen dazu Facharbeitermangel, aber es geht in Wahrheit um alle Berufsschichten.“
Es habe zahlreiche Warnungen gegeben, aber die Politik habe sich nicht um die Lösung der Probleme gekümmert. Er rät den Bürgern:
„Sorgt selber für euch. Glaubt nicht daran, dass der Staat das schafft. Der Staat wird heillos überfordert sein mit den sozialpolitischen Aufgaben. Die sozialen Sicherungssysteme sind nicht in der Lage, die Entwicklung des Lebensstandards so fortzuführen, wie wir es gewohnt sind. Je früher das jeder erkennt, desto mehr wird er Vorsorge betreiben für die späteren Lebensjahre. Jungen Menschen kann man nur raten: Besinnt euch auf traditionelle Familienbilder, seht zu, dass ihr Kinder habt, damit ihr mit diesen Kindern alt werden könnt. Der Zusammenhalt in der Familie wird angesichts der Schwierigkeiten des Staates immer wichtiger werden.“
Der Staat ist zur Beute der Clans verkommen, in Deutschland nennt man sie Parteien. Diese schaffen unendlich viele Probleme, sind aber völlig außerstande, diese zu lösen. Die Einschätzung der Bürger über die Problemlösungskompetenz ist also sehr treffend. Momentan hätte wohl „Keine Partei“ die absolute Mehrheit im Bundestag. Offen bleibt, warum bisher keiner „Keine Partei“ gegründet hat.
Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.
Annette Heinisch. Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg, Schwerpunkt: Internationales Bank- und Währungsrecht und Finanzverfassungsrecht. Seit 1991 als Rechtsanwältin sowie als Beraterin von Entscheidungsträgern vornehmlich im Bereich der KMU tätig.
Text: Gast