Sehen Sie hier mein Video zur aktuellen Bundespressekonferenz
Es sei nicht sicher, dass eine Durchimpfung im Herbst zur sofortigen völligen Aufhebung der Corona-Maßnahmen führen werde, weil man noch nicht genau wisse, wie lange der Impfstoff wirke und wie weit die Übertragung des Virus durch ihn reduziert werde, sagte Klaus Cichutek, der Chef des Paul-Ehrlich-Instituts heute auf der Bundespressekonferenz. Aber man gehe von großen Erleichterungen aus, wenn eine Durchimpfung erfolgt sei, so der Behördenleiter. Eine Herdenimmunität sei nicht erreichbar, meinte Lars Schaade, der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts. Aber die Geimpften seien geschützt und die Virus-Zirkulation deutlich verringert. Er klang optimistischer als Cichutek und betonte, das Virus sei nach der Durchimpfung beherrschbar. Es könne aber nicht verschwinden – eine Ohrfeige für die Anhänger der „Null-Covid-Strategie“, die nach Ansicht von Kritikern ja auch im Kanzleramt sitzen sollen.
Auffällig war in der Bundespressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und seinen beiden Behördenleitern heute, dass manches, was in den Medien oft eher als Gewissheit dargestellt wird, gar keine ist. „Wir wissen noch nicht genau, wie viele Menschen an Long-Covid leiden werden. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass es zehn Prozent sein werden“, sagte etwa Schaade. Dafür, dass Long-Covid eine der wichtigsten Begründungen für die harten Maßnahmen ist, klingt das sehr vage. Ebenso bei einem weiteren brisanten Thema: Inwieweit Geimpfte nicht mehr ansteckend sind und damit Freiheitsbeschränkungen für sie zurückgefahren werden können. Schaade sprach von „weiteren Hinweisen, dass die Ausbreitung des Virus durch die Impfung zumindest reduziert werden kann.“ „Hinweis“ und „reduziert werden kann“ – das klingt nicht nach Gewissheit.
Interessant ist, wie große Medien die Aussagen Schaades wiedergeben. „Und jüngste Studien zeigten, dass zehn Prozent der Infizierten Long-Covid-Symptome aufwiesen“, heißt es etwa bei T-Online – die Einschränkungen „wir wissen noch nicht genau“ und „deuten darauf hin“ in den Aussagen des Vize-Chefs des RKI werden einfach weggelassen.
Doch dies waren noch nicht alle Widersprüche: „Die Fallzahlen scheinen im Moment nicht mehr so rasant anzusteigen“, sagte Schaade. Sie hätten sich jedoch auf einem Niveau eingependelt, das immer noch zu hoch sei. Und weiter: „Für Entwarnung ist es also zu früh.“ Hier stellt sich die Frage, wie dies mit einer massiven Verschärfung der Maßnahmen zu vereinbaren ist. Spahn sagte, die Lage sei „weiter schwierig“, und auf den Intensivstationen „sehr, sehr schwierig“, es gäbe regionale Engpässe, teilweise müsse über Verlegungen nachgedacht werden. Dass dies allerdings auch vor Corona schon vorkam, erwähnte er nicht. Weiter sagte er, bisher habe man aber eine Überlastung vermeiden können – was zwingend die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen aufwirft. „Es ist jetzt der letzte Teil, aber ein sehr schwerer Teil, der jetzt zu gehen ist“, lautete Spahns Statement – mit dem er wiederholte, was er bereits früher sagte.
Auf der zweiten Bundespressekonferenz am Freitag mit den Regierungssprechern betraf das wichtigste Thema die nächtlichen Ausgangssperren nach dem neuen „Bevölkerungsschutzgesetz“, die in der Nacht auf Samstag in Kraft treten. Sie wurden in meinen Augen nicht kritisch hinterfragt, stattdessen standen Fragen zur praktischen Umsetzung im Vordergrund. Tilo Jung von „Jung & Naiv“ fragte etwa, warum man nicht gleich den S-Bahn-Verkehr ab 22 Uhr einstelle. Für mich hatte das etwas Deprimierendes, ja fast schon Gespenstisches. Warum, sehen Sie in meinem Video der beiden Bundespressekonferenzen heute – ebenso wie meine Fragen nach den Zahlen zu Intensivpatienten, die Karl Lauterbach verbreitet, und nach den Prüfverfahren, die Corona-Tests unterlaufen müssen. Unten die Fragen und Antworten im Wortprotokoll – auch zu der Aktion der Schauspieler gegen die Corona-Maßnahmen.
Schauspieler-Aktion
FRAGE JUNG (zum Online-Dialog „Kulturwandel Digitales Lernen“): Frau Fietz, die Kanzlerin wird ja mitbekommen haben, dass es diese Aktion #allesdichtmachen von Kunst- und Kulturschaffenden gibt. Wie bewertet sie das? Wird sie sich auch mit diesen Leuten treffen? Wie bewertet sie diese Aktion, die ja gerade in der Querdenker-Ecke sehr gefeiert wird?
FIETZ: Die Bundesregierung hat diese Aktion zur Kenntnis genommen. Unsere Haltung ist bekannt: Wir arbeiten daran, dass Deutschland die Pandemie schnell überwinden kann. Darauf sind unsere Entscheidungen ausgerichtet. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.
ZUSATZFRAGE JUNG: Werden Teilnehmer dieser Aktion Teil ihres Online-Dialogs sein?
FIETZ: Die Teilnehmer des Dialogs in der kommenden Woche sind nicht vom Bundeskanzleramt bestimmt worden, sondern von Institutionen aufseiten der Kulturschaffenden.
ZUSATZFRAGE JUNG: Gibt es schon eine Teilnehmerliste?
FIETZ: Ich kann Ihnen sagen, aus welchen Bereichen die Organisationen sind, die ausgewählt haben. Das sind im Bereich Musik die Deutsche Orchestervereinigung, der Deutsche Musikrat und die Initiative Musik, im Bereich Schauspiel der Bundesverband Schauspiel e.V., der Deutsche Bühnenverein, der Bundesverband Freie Darstellende Künstler e.V. und die Spitzenorganisationen der Filmwirtschaft. Im Bereich Buchhandel, Museen und Galerien sind es der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V., der Deutsche Museumsbund e.V. und der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V. Das ist die Bandbreite, über die versucht wurde, die Kunst- und Kulturszene möglichst breit abzubilden.
FRAGE REITSCHUSTER: Frau Fietz, Herr Spahn hat sich gerade dahingehend geäußert, dass er ausdrücklich begrüßt, dass es diese Kritik gibt und sich auch ein Gespräch vorstellen kann. Sie dagegen haben sich jetzt sehr zurückhaltend geäußert. Gibt es unterschiedliche Auffassungen in der Bundesregierung?
FIETZ: Das kann ich nicht erkennen. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir die Aktion zur Kenntnis genommen haben. Es gilt natürlich auch in diesem Fall die Meinungsfreiheit. Die Haltung der Bundesregierung, wie wir in der Pandemie agieren und was diesbezüglich für richtig gehalten wird, ist Ihnen hinlänglich bekannt.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Also sehen Sie es auch so wie Herr Spahn, dass ein Dialog mit diesen Schauspielern möglich ist? Sie sind sich da einig?
FIETZ: Ich habe jetzt nicht verfolgen können, was Herr Spahn genau gesagt hat. Ich habe dem, was ich gesagt habe, nichts hinzuzufügen.
VORS. BUSCHOW: Ich war auch Zeugin dieser Pressekonferenz. Ich glaube, man kann vieles unterschiedlich interpretieren. Ausdrücklich begrüßt – bin ich mir nicht sicher.
ZUSATZ REITSCHUSTER: Er sagte: Es ist gut, dass es die Kritik gibt.
FRAGE JESSEN: Herr Gülde, ich habe Herrn Spahn auch so verstanden, dass er sagte, er sei zu einem Dialog mit dieser Initiative bereit. Ist das die Position? Ist der Minister zu einem Dialog bereit?
GÜLDE: Herr Spahn hat hier gerade sehr ausführlich Auskunft gegeben. Ich muss dem jetzt hier nichts hinzufügen. Ich belasse es bei den Äußerungen von Herrn Spahn und bitte, das Protokoll nachzulesen.
FRAGE DR. RINKE: Vielleicht zum Abschluss: Frau Fietz, es wäre nett, wenn Sie die Namen hätten. Die Frage von Herrn Jung ist, glaube ich, noch nicht ganz beantwortet, ob Leute, die bei dieser Aktion mitgemacht haben, auch am Dienstag mit der Kanzlerin zusammentreffen. Sie haben ja nur die Bereiche, aber nicht die Namen genannt. Wenn Sie die Namen hätten, wäre das nett.
FIETZ: Ich werde sehen, ob wir die Namen nachreichen können. In diesem Fall würden wir das tun.
Lauterbachs Zahlen
FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, Herr Lauterbach hat bei „maybrit illner“ gesagt, das Durchschnittsalter der Intensivpatienten mit Corona liege bei 47 bis 48 Jahren und die Hälfte davon sterbe. Was für Zahlen hat das Gesundheitsministerium dazu?
GÜLDE: Ich muss ehrlich gestehen, dass mir zum Altersdurchschnitt der Intensivpatienten jetzt keine Zahlen vorliegen. Gegebenenfalls können wir das nachreichen.
Wer testet die Tests?
FRAGE REITSCHUSTER: Herr Gülde, es gibt Kritik, dass die Coronatests nicht ausreichend getestet und zertifiziert seien. Können Sie kurz erläutern, was die Maßstäbe dafür sind, dass Tests zugelassen werden?
GÜLDE: Sie meinen jetzt die Antigentests?
ZUSATZ REITSCHUSTER: Bei beiden gibt es diese Kritik. Es heißt, dass die praktisch jeder anwenden könne und die dann auch zugelassen seien. Wie steht es damit?
GÜLDE: Grundsätzlich muss natürlich für einen solchen Test eine CE-Zertifizierung vorliegen. Das heißt, da gibt es ein reguläres Verfahren, das in der EU einheitlich geregelt ist. Eine solche Zulassung muss tatsächlich beantragt werden und das muss über benannte Stellen in Europa erfolgen. Dort wird dann beispielsweise die Produktion abgenommen und es wird dann auch dargelegt, inwieweit diese Tests tatsächlich wirksam sind. Das muss also vorgelegt werden, und entsprechend werden solche Tests dann auch abgenommen. Darüber hinaus gibt es, wie Sie wissen, Tests, die auch seitens des Bundesinstituts für Arzneimittel- und Medizinprodukte auf dessen Webseite gelistet sind. Diese sind auch speziell darauf ausgelegt, dass sie auch tatsächlich besorgt werden können und auch noch einmal direkt vom BfArM geprüft wurden.
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Also ist diese Kritik, die sich auf eine Auskunft des Berliner Senats stützt, dass sozusagen jeder einen Test ohne Prüfung auf den Markt bringen kann, nicht zutreffend?
GÜLDE: Ich kenne diese Äußerungen des Berliner Senats dazu nicht. Wie gesagt, es bleibt dabei: Es gibt dafür ein Zertifizierungsverfahren, das in der EU einheitlich geregelt ist. Diese Äußerungen des Berliner Senats kenne ich nicht.
ZUSATZ REITSCHUSTER: Ich kann sie Ihnen nachreichen!
Ausgangssperren
FRAGE CLEMENT: Herr Alter, eine Frage zu dem Bericht der „BILD“-Zeitung zu faktischen Nachtreiseverboten. Das ist ja im Grunde eine Auslegung der Ausgangssperre. Es gibt in Deutschland außer vor allen Dingen in Schleswig-Holstein praktisch keine Landkreise/Städte mit einer Inzidenz unter 100. Gibt es diese Kurzinformation des wissenschaftlichen Dienstes? Können Sie im Grundsatz bestätigen, dass es damit ab Samstag in Deutschland ein Nachtreiseverbot gibt?
Zweitens. Welche Konsequenzen hat das für Personenkontrollen in Autos, Zügen etc.?
ALTER: Zunächst einmal ist das Infektionsschutzgesetz in der neuen Fassung heute in Kraft getreten. Das heißt also, dass die Regelungen, die das Gesetz enthält, morgen in den Landkreisen wirken, in denen bereits am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag dieser Woche die Inzidenz über 100 lag. Das Gesetz enthält Ausgangsbeschränkungen in der Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr und sieht von diesen Ausgangsbeschränkungen nur bestimmte zwingende Ausnahmen vor, etwa zur Berufsausübung, zur Betreuung von Angehörigen, zur Tierpflege, zur Ausübung des Sorgerechts und Ähnliches.
Andere Fälle, die nicht in diesem Katalog enthalten sind, sind von diesen Ausgangsbeschränkungen vollständig erfasst. Das betrifft nicht nur ein stationäres Verhalten, sondern auch ein Reisen von A nach B. Das heißt also, wer in der Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr aus Anlass einer touristischen Reise reisen möchte, sollte besser umbuchen oder umplanen.
ZUSATZFRAGE CLEMENT: Meine Frage zu den Personenkontrollen ist noch offen. In welcher Form wird kontrolliert werden? Wird es als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern geahndet? Wie sind die Konsequenzen?
ALTER: Das Infektionsschutzgesetz sieht bei Verstößen gegen diese Regeln Rechtskonsequenzen vor. Ordnungswidrigkeiten werden von den jeweils zuständigen Behörden erhoben und Verfahren eingeleitet. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Regelung erfolgt in den Städten und Gemeinden durch die Polizeien der Länder, durch die Ordnungsämter und in den Bereichen, in denen die Bundespolizei zuständig ist etwa innerhalb der Deutschen Bahn auch durch die Bundespolizei.
FRAGE HERZOG: Zwar müssen die Länder das Kontrollieren umsetzen, also Polizei und Ordnungsämter, wie Sie es gerade auch gesagt haben, aber wie sollen die Polizisten zum Beispiel nachvollziehen, ob jemand mit legitimem Grund draußen unterwegs ist?
ALTER: Alle Behörden, die rechtliche Befugnisse in Anspruch nehmen, sind es gewohnt, Ermessen auszuüben. Es gibt in jedem Gesetz Fallkonstellationen, die sehr klar umschrieben sind, wo man klar nachweisen kann, ob man in eine Kategorie fällt, wenn ein Bäckermeister mitten in der Nacht seinen Berufsort aufsucht, dann wird man das sehr schnell nachvollziehen können, und dann gibt es Fallkonstellationen, die mit etwas höherem Begründungsaufwand verbunden sind. Die Polizeien in Bund und Länder, auch die Ordnungsämter, gehen dann auch ein Stück weit mit gesundem Menschenverstand an die Prüfung des Sachverhaltes und prüfen schlicht, ob das, was der Betroffene vorträgt, glaubhaft ist. Dann wird man im jeweiligen Einzelfall zu einer Entscheidung kommen.
FIETZ: Vielleicht kann ich das auch noch mit einigen Beispielen ergänzen. Es gibt triftige Gründe, die Ausnahmen von der Ausgangsbeschränkung bilden. Das ist zum Beispiel die Gefahrenabwehr für Leib und Leben oder Eigentum, insbesondere bei einem medizinischen Notfall oder einem tierärztlichen Notfall oder anderen unaufschiebbaren medizinischen Behandlungen. Außerdem betrifft das den Berufsdienst und die Mandatsausübung, die Berichterstattung durch Vertreterinnen und Vertreter von Presse, Rundfunk, Film und anderen Medien sowie die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts. In diesen Fällen kann natürlich auch das Auto oder die Bahn genutzt werden. Der Lkw-Fahrer darf selbstverständlich auch seine Waren weiter transportieren, und der Enkel seine erkrankte Großmutter ins Krankenhaus fahren.
Ich möchte aber nochmals daran erinnern, worum es bei der Ausgangsbeschränkung geht. Wir sehen weiterhin eine hohe Zahl von Neuinfektionen, und davon müssen wir herunter. Das wirksamste Mittel, um Neuinfektionen zu verhindern, ist eben die Kontaktreduzierung, und bei Ausgangssperren handelt es sich um eine einschneidende, aber durchaus sinnvolle Maßnahme, um die Zahl der Neuinfektionen abzusenken. Dass das Infektionsrisiko in Innenräumen deutlich höher ist als draußen, ist keine neue Erkenntnis. Ausgangssperren tragen aber dazu bei, Mobilität zu begrenzen, und die Begrenzung der Mobilität hilft, Kontakte zu reduzieren und die Zahl der Neuinfektionen zu senken. Das haben wir im vergangenen Frühjahr erkennen können und das können wir auch mit Blick auf das europäische Ausland so erkennen.
FRAGE GUGGEMOS: Gibt es ein Fahrverbot für Fernzüge ab 22 Uhr oder müssen die nach 22 Uhr dann leer fahren?
FRAGE HERZOG: Dürfen diese Züge dann Landkreise, die die Inzidenz von 100 übersteigen, nicht mehr durchfahren?
STRATER: Ich habe den Ausführungen des Kollegen Alter hier eigentlich nicht viel hinzuzufügen. Sie haben ja gehört, was hier die Bestimmungen sind und was die Ausnahmegründe sind, die das Gesetz festlegt. Mit diesen Ausnahmegründen können Sie auch die Wohnung verlassen und somit auch Verkehrsmittel benutzen; das hat Herr Alter hier ja hinreichend beschrieben. Darüber hinausgehend habe ich keine Ergänzungen zu machen.
ALTER: Ich würde gern noch eine Ergänzung zur zweiten Frage anfügen, einfach um das klarzustellen: Wenn man aus einem Gebiet mit einer geringeren Inzidenz als 100 in ein anderes Gebiet mit einer geringeren Inzidenz als 100 fährt also zwei Gebiete, in denen die Ausgangsbeschränkungen nicht gelten , dann wird die Reise von A nach B nicht dadurch aufgehoben, dass die Verbindung durch ein Hochinzidenzgebiet führt. Das heißt also, ein Transit ist nach diesem Gesetz möglich.
FRAGE STEINKOHL: Müssen Reisende in ICE-Zügen der Deutschen Bahn ab 22 Uhr mit Kontrollen rechnen, wenn sie zum Beispiel danach ihren Zielbahnhof erreichen?
ALTER: Reisende müssen 24 Stunden am Tag damit rechnen, dass die geltenden Regelungen kontrolliert werden. Im Moment gibt es auch tagsüber bestimmte Regelungen, die eingehalten werden müssen, etwa die Pflicht, eine Maske zu tragen. Jetzt kommt etwas für die Zeit zwischen 22 und 5 Uhr hinzu, und natürlich wird auch das kontrolliert werden.
FRAGE DR. RINKE: Ich hätte noch eine Nachfrage zu denen, die zum Beispiel eine Flugreise oder eben eine Zugreise gebucht haben und bei denen Umbuchungen möglicherweise gar nicht mehr möglich sind. Können die dann mit einer Entschädigung rechnen oder ist das deren eigenes Risiko?
ALTER: Wir haben ein Gesetz, das zum Teil ab morgen schon Ausgangsbeschränkungen für die Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr vorsieht. Auf diese Situation müssen sich die Menschen in unserem Land einstellen und prüfen, ob es möglich ist, ihre Planung außerhalb dieser Zeiten zwischen 22 Uhr und 5 Uhr, also beispielsweise tagsüber, noch umzusetzen.
Grundsätzlich gilt ja zum Thema touristische Reisen auch losgelöst von dieser gesetzlichen Änderung, dass alles, was unverzichtbar ist, möglichst unterlassen werden soll, damit sich das nicht negativ auf das Infektionsgeschehen auswirkt.
ZUSATZFRAGE DR. RINKE: Was passiert mit einem Abflug, der möglicherweise um 22.30 Uhr stattfindet und der ins Ausland geht? Wäre das möglich oder müsste da auch umgebucht werden?
ALTER: Man kann diese Frage deswegen nicht pauschal beantworten, weil es auf den Reisezweck ankommt. Wenn jemand mitten in der Nacht aus Anlass einer Dienstreise von einem Flughafen aus fliegen muss, dann ist das möglich, weil die Ausübung des Berufs von den Ausnahmetatbeständen explizit erfasst ist. Hingegen ist eine Reise aus touristischen Zwecken von den Ausnahmetatbeständen nicht erfasst. Insofern gilt für beide Reisende ein unterschiedliches Regime, weil der Reisezweck sich unterscheidet.
FIETZ: Und über all dem steht der Appell der Bundesregierung an die Bürgerinnen und Bürger, auf nicht notwendige Reisen zu verzichten.
FRAGE JUNG: Nehmen wir einmal das konkrete Beispiel des Hauptbahnhofs, an dem die Bundespolizei ja auch ist: Wie kontrolliert man da die Ausgangssperre?
ALTER: Sie meinen, wenn man am Hauptbahnhof in der Nacht, zwischen 22 Uhr und 5 Uhr, Streife läuft?
ZUSATZ JUNG: Da fahren ja zum Beispiel auch S-Bahnen.
ALTER: Man kann ja auch in die S-Bahnen reingehen. Eine Kontrolle läuft üblicherweise so ab, dass ein Polizeibeamter einen Reisenden anspricht und seine Identität feststellt und in dem Fall, während einer Ausgangsbeschränkung, fragt: „Aus welchem Grund sind Sie jetzt unterwegs?“. Dann wird der Reisende eine Antwort darauf geben, und aus dieser Antwort folgen Konsequenzen. Das ist jetzt also eine Kontrollsituation wie jede andere auch, nur aus einem anderen Anlass.
ZUSATZFRAGE JUNG: An das BMVI: Wäre es nicht sinnvoll, einfach die S-Bahnen ab 22 Uhr nicht mehr fahren zu lassen? Die S-Bahn gehört ja zur Deutschen Bahn.
STRATER: Noch einmal: Sie haben ja gehört und Sie wissen auch, dass das Gesetz eben Ausnahmegründe und Ausnahmetatbestände zulässt, und zwar eine ganze Reihe davon. Wenn diese für Sie zutreffen, dann dürfen Sie ja auch unterwegs sein. Insofern muss es auch ein Angebot dafür geben.
FRAGE HERZOG: An das BMI: Gibt es länderübergreifende Absprachen, wie die Durchsetzung der Notbremse nach 22 Uhr und nach Mitternacht auf Autobahnen kontrolliert werden soll?
ALTER: Ich kann nur noch einmal wiederholen: Wir haben im Prinzip ja keine neue Situation. Wir haben diese Gespräche auch schon einmal geführt, als die Maskenpflicht in Zügen eingeführt wurde; ach da gab es die Situation, dass Reisende durch mehrere Bundesländer reisen. Es gibt eine ganz feste Abstimmung zwischen den Landes- und Bundesbehörden, wenn es darum geht, länderübergreifende Kontrollmaßnahmen durchzuführen. Auf den Autobahnen ist es so, dass der Bund überhaupt nicht zuständig ist, sodass die jeweiligen Länderpolizeien sich an den jeweiligen Landesgrenzen abstimmen müssen. Das tun sie auch. Die Autobahnpolizeien stehen in permanentem Kontakt und müssen ihre Kooperation aus Anlass dieser gesetzlichen Änderung jetzt nicht neu erfinden; das existiert bereits.
FRAGE MARKMEYER: Zum Inkrafttreten der Änderung des Infektionsschutzgesetzes: Tritt das Gesetz rückwirkend in Kraft? Eigentlich sieht es ja vor, erst einmal die Inzidenzen von drei Tagen zu beobachten, bevor dann die Notbremse greift.
ALTER: Das Gesetz tritt heute, am Tag nach der Zeichnung durch den Bundespräsidenten, in Kraft. In § 77 Absatz 6 des Gesetzes ist geregelt, dass für die Wirksamkeit der daraus resultierenden Maßnahmen die Inzidenzen der vergangenen drei Tage, also Dienstag, Mittwoch und Donnerstag dieser Woche, mit berücksichtigt werden. Das hat zum Ziel, dass jetzt keine Lücke nach dem Inkrafttreten des Gesetzes entsteht, sondern dass dort, wo die Inzidenzen bereits erreicht sind, die Notbremse auch schnellstmöglich wirken kann.
FRAGE HERZOG: Das heißt, die Ausgangsbeschränkungen gelten erstmals in der kommenden Nacht, also in der Nacht zu Samstag?
ALTER: In den Landkreisen, in denen die Inzidenz seit Dienstag ununterbrochen über 100 liegt, greifen die Maßnahmen ab heute Nacht 24 Uhr freitags, 0 Uhr samstags.
Nawalny
FRAGE REITSCHUSTER: Der Zustand von Herrn Nawalny verschlechtert sich weiter. Was hat die Bundesregierung konkret getan, um ihn zu unterstützen?
FIETZ: Wir haben hier schon des Öfteren wiederholt, dass die Meldungen über den Gesundheitszustand von Herrn Nawalny beunruhigend sind. Wie die Bundeskanzlerin am Dienstag auch vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg gesagt hat, macht sich die Bundesregierung große Sorgen um Herrn Nawalny. Er benötigt unverzüglich eine adäquate medizinische Behandlung und Zugang zu Ärzten seines Vertrauens.
Mit Blick auf die Inhaftierung von Herrn Nawalny möchte ich noch einmal unsere Forderung an die russischen Behörden und die russische Führung wiederholen: Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte müssen vollständig umgesetzt werden. Das hat die Bundeskanzlerin am Dienstag auch noch einmal ausdrücklich betont. Ich darf sie zitieren: „Gerade in Fällen, in denen Menschen zu Unrecht in Haft sitzen, ist die Umsetzung der Urteile, also die Freilassung der Inhaftierten, besonders dringlich und geboten.“
ZUSATZFRAGE REITSCHUSTER: Sie haben die Position dargelegt. Dafür danke ich. Aber ich stelle noch einmal die Frage: Welche konkreten Schritte gab es oder wird es geben – eine Einbestellung des Botschafters, wirtschaftliche Sanktionen?
FIETZ: Die Kanzlerin hat sich auf verschiedenen Wegen immer wieder für die Freilassung und für die adäquate Behandlung von Herrn Nawalny eingesetzt. Etwas anderes kann ich Ihnen im Moment nicht vermelden. Ich weiß nicht, ob das Auswärtige Amt etwas ergänzen möchte.
ADEBAHR: Sie dürfen davon ausgehen, dass wir mit der russischen Seite im Gespräch stehen und dass der russischen Seite unsere Forderungen übermittelt wurden, sowohl im Gespräch als auch auf diesem öffentlichen Wege als auch zum Beispiel durch die Kanzlerin vor dem Europarat.
Bild: Liberty News Berlin – mit bestem Dank!
Text: br
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