Von Mario Martin
Was vor zwei Jahren noch von der Mehrheit der Bevölkerung als Verschwörungstheorie abgestempelt worden wäre, wird inzwischen zur bitteren Realität: Im italienischen Bologna startet im Herbst ein Pilotprojekt zur Einführung eines digitalen Sozialkreditsystems. Das Projekt soll tugendhaftes Verhalten befördern und kommt, wie sonst auch bei anderen die Privatsphäre verletzenden technologischen Neuerungen, unter dem Deckmantel der “Convenience” (Annehmlichkeit) daher.
Staus und andere Unannehmlichkeiten sollen der Vergangenheit angehören. Wer den Müll trennt und besonders wenig CO2 ausstößt, der erhält Auszeichnungen in Form von Punkten, die dann wie herkömmliche Bonuspunkte für Waren und Dienstleistungen eingetauscht werden können. Die App ist natürlich (zunächst) freiwillig und die Bürger könnten mit der Nutzung nur gewinnen, preisen die Behörden das Projekt.
Charakteristisch für derartige Projekte ist die krampfhafte Betonung der Datensicherheit, die angeblich an erster Stelle stehe. Durch das Vortäuschen einer Datensicherheit sollen den zukünftigen Nutzern die Ängste vor einem Missbrauch des Systems genommen werden.
Ein Sozialkreditsystem, wie es bereits in China Realität ist, wurde noch 2017 vom Deutschlandfunk als „IT-Diktatur“ bezeichnet und scheint sich nun auch in Europa zu manifestieren. Aber nicht nur dort, wie von Zauberhand wird im Gleichschritt mit der Umsetzung digitaler Identitäten an verschiedenen Orten und auf verschiedenen Hierarchieebenen begonnen.
Bayern auf dem Weg in den Klimasozialismus
Besorgt schaut man also nach Italien und Österreich, wo die Implementierung nun stattfinden soll. So fern muss der Blick allerdings gar nicht schweifen, haben wir doch bereits ein eigenes Projekt in Deutschland. Es liegt in Bayern schon seit 2019 in der Schublade (S.92).
Im “Klimaschutzoffensive – Maßnahmenpaket von 2019” ist bereits die Rede ist von einem “Ökotoken”, der zur “Förderung von nachhaltigem Verhalten im Alltag mittels Belohnung von umweltbewusstem Handeln” entstehen und “Signalwirkung für Bürger und Unternehmer haben soll”.
Das System soll bereits in diesem Jahr eingeführt werden, wie aus dem “Maßnahmenpaket – Klimaschutzoffensive” vom November 2021 hervorgeht. Das den Geist des Ökosozialismus atmende Dokument liest sich wie eine Bedienungsanleitung für die Vernichtung des Lebensstandards. Die geplanten Projekte umfassen u.a. die “Förderung Pilotprojekte zur Dekarbonisierung”, “100 neue Windkraftanlagen in Bayerischen Staatsforsten”, ein “Umweltkreditprogramm”, “Forschung zur klimaangepassten und klimaschonenden Landwirtschaft”, “Klimabusse im ÖPNV”, die “Förderung von Klimaanpassungsmaßnahmen in Unternehmen”, ein “Bayerisches Zentrum für Klimaresilienz und Klimaforschung”, den Ausbau einer “Bayerische Klima-Allianz”.
Die Urheber scheinen geradezu klimabesessen zu sein. Stammen diese Vorschläge etwa aus der Feder der alptraumgeplagten Kinder, die aus lauter Angst vor der Klimaapokalypse nicht mehr ruhig schlafen können? Wundern würde es einen nicht. Die mangelnde Weitsicht, die durch das Ignorieren der drohenden Folgen derart desaströser Eingriffe offenbart wird, passt zu dieser Altersklasse.
Freilich decken sich die Maßnahmen mit den Plänen des Weltwirtschaftsforums zur “nachhaltigen” Umgestaltung der Gesellschaft. Allerdings ist in diesen Kreisen die Schaffung einer einheitlichen digitalen Identität ebenfalls ein beliebtes Thema, wie es durch die Wohltäter der GAVI-Impfallianz, Microsoft und der Rockefeller Stiftung mit dem Projekt „ID 2020“ vorangetrieben wird.
Der Ökotoken ist aber nur die Spitze des Eisbergs einer Lawine von Maßnahmen, die, falls sie umgesetzt werden, nicht nur zur vollen Kontrolle über die, sondern auch zur schleichenden Verarmung der Bevölkerung führen.
Ökotoken belohnt nachhaltiges Alltagsverhalten
Ziel des Ökotoken ist es, laut Bayerischem Maßnahmenpakt, mit dem Sozialkreditsystem ein nachhaltiges Alltagsverhalten durch umweltbewusstes Handeln zu belohnen. In der Praxis hätten Nutzerinnen und Nutzer dann die Möglichkeit, entsprechend ihres umweltbewussten Verhaltens Pluspunkte in Form der Nachhaltigkeitstoken zu sammeln und anschließend bei verschiedenen Partnern zur Vergünstigung einzusetzen, beispielsweise zum Besuch eines Schwimmbads.
Folgende Schritte sind im Zuge der Einführung vorgesehen:
– Entwicklung eines Dokumentationssystems samt Bewertungsrahmen, bei dem Nutzer entsprechend ihres umweltbewussten Verhaltens Pluspunkte in Form der Nachhaltigkeitstoken sammeln können; diese können dann bei Partnern für Vergünstigungen eingesetzt werden (Theater, Schwimmbad, ggf. Biomarkt)
– Einrichtung einer staatl. Geschäftsstelle, Schaffung eines Konsortiums für das operative Geschäft
– Einbindung eines Finanzdienstleisters, z.B. Landesbank, für in-Wert-Setzung und Umtausch für die Partner
– Vernetzung der Partner aus Wirtschaft und dem öffentlichen Bereich
Dies wurde durch eine Anfrage von Frau MdL Annette Karl (SPD) an die Bayerische Landesregierung vom 4. August 2021 bekannt. In der Antwort der Staatsregierung wird ebenfalls erklärt, warum das Projekt bisher noch nicht umgesetzt wurde:
“Der ‚Ökotoken‘ (Arbeitstitel) ist bislang noch nicht zum Einsatz gekommen. Die Maßnahme ist vor allem aufgrund der Pandemiesituation ausgesetzt worden, insbesondere wegen der Bonusleistungen für umweltfreundliches Verhalten, die vorzugsweise analoge Aktivitäten betreffen sollen, wie z.B. den Besuch von Kultureinrichtungen o.Ä.”
Löblich, dass man bei der Behörde noch auf “analoge” Belohnungen, für die digitalen Bonuspunkte setzt. Diese anachronistischen Konzepte hätte man den federführenden Entscheidern gar nicht mehr zugetraut, denn wie “convenient” wäre eine direkte Umwandlung in digitales Zentralbankgeld, das auf die Accounts der sich so artig betragenden Bürger transferiert werden könnte?
Workshops gestartet – “Innovationslabor” beauftragt
In einer weiteren Anfrage von Karl zum Stand des Projekts vom 25. Oktober 2021 erläutert die Staatsregierung: “Die Gespräche mit potentiellen Partnern für den Ökotoken wurden im März 2021 aufgenommen und entsprechende Partner konnten zwischenzeitlich auch gewonnen werden.
Nach Workshops der beteiligten Partner und Einigung auf die Grundlagen und den Projektzuschnitt im Juli 2021 hat das StMD im August 2021 ein sog. Innovationslabor beauftragt, um mithilfe von strukturierten Tiefeninterviews ein für potenzielle Nutzerinnen und Nutzer des „Ökotokens“ optimales Angebot zu konzipieren.
In einem Antrag des Bayerischen AfD-Abgeordneten Gerd Mannes von Anfang April 2022 wird dazu aufgefordert, das Projekt aufzugeben. In der Begründung des Antrags heißt es:
“In der Praxis sollen Bürger entsprechend ihres Verhaltens Pluspunkte in Form der digitalen Nachhaltigkeitstoken sammeln, um diese anschließend bei verschiedenen Partnern für diverse Vergünstigungen und andere Vorteile einzutauschen. [..] Das vom Staatsministerium für Digitales geleitete Ökotoken-Projekt ist eine äußerst fragwürdige und potenzielle freiheitsfeindliche Entwicklung, da es einen staatlichen Eingriff in den Entscheidungsmechanismus und in das Konsumverhalten der Bürger (‚Nudging‘) mithilfe von ‚gamifizierten‘ bzw. „’okenisierten‘ Belohnungsmechanismen darstellt.”
'Bonus-System' auch auf Bundesebene
Wie sich die Politik die Zukunft der Bundesbürger für das Jahr 2030 vorstellt, lässt sich an dem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projekt “Vorausschau” erkennen. Auch dort schwärmt man von der Einführung eines “Bonus-Systems”: “Ein Punktesystem als zentrales politisches Steuerungsinstrument bestimmt das Deutschland der 2030er Jahre. Trotz freiwilliger Basis und demokratischer Spielregeln erzeugt es sozialen Druck zur Teilnahme, zum Beispiel über den ständigen Wettbewerb in sozialen Netzwerken.”
„Für bestimmte Verhaltensweisen können im Punktesystem, das vom Staat betrieben wird, Punkte gesammelt werden (z. B. Ehrenamt, die Pflege Angehöriger, Organspenden, Altersvorsorge, Verkehrsverhalten, CO2-Abdruck). Neben der sozialen Anerkennung ergeben sich durch das Punktesammeln auch Vorteile im Alltag (z. B. verkürzte Wartezeiten für bestimmte Studiengänge).“, heißt es in dem Papier des Bildungsministeriums.
Freuen Sie sich schon auf die „soziale Anerkennung“, die Ihnen durch das Punktesammeln zuteil werden wird?
Was dort noch als Szenario deklariert wird, soll also nun schon im laufenden Jahr in Bayern Realität werden. Dazu kommt die Ausarbeitung eines digitalen Impfregisters bis Herbst, wie es die Bundestagsabgeordnete Ottilie Klein (CDU) im Februar ankündigte.
Einen weiteren Blick auf die technokratischen Vorhaben der Gesellschaftsingenieure liefert die überarbeitete Fassung der “Smart-City-Charta” des Bundesinnenministeriums aus dem Mai 2021. Hier wird detailliert beschrieben, wie durch “Smarte Technologien” unsere Städte umgestaltet werden sollen. Natürlich geht es dabei um so hehre Ziele, wie “Nachhaltigkeit”, “Inklusion”, “ökologische Tragfähigkeit” und all die andern so wohlklingenden inhaltsleeren Schlagwörter, die das ökosozialistische Utopia sonst noch verspricht.
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Mario Martin ist Ökonom und arbeitet als Software-Projektmanager in Berlin.
Bild: ShutterstockText: mm