Baden-Württemberg: Klimakleber halten Vorträge an Polizei-Hochschulen „Bestmögliche Vorbereitung für spätere berufliche Tätigkeit"

Von Kai Rebmann

An der Polizei-Hochschule in Villingen-Schwenningen erhielten drei Klima-Chaoten am 16. Mai 2023 die Gelegenheit, für sich und ihre Gruppierung zu werben. Die „Bild“ zitiert aus der Einladung zu der Veranstaltung: „Die drei Referentinnen, als Teil der ‚Letzten Generation‘, stellen im Rahmen eines Studium Generale ihre persönlichen Beweggründe, ihre Ziele, die Maßnahmen/Aktionen sowie die weiteren Entwicklungen der Bewegung dar.“

Was ein solcher Vortrag vor angehenden Polizisten zu suchen hat? Völlig unklar und zumindest sachlich kaum zu begründen. Den angehenden Beamten scheint das Gehörte aber gefallen zu haben. Die Redner sollen, so berichten es mehrere Medien übereinstimmend, mit tosendem Beifall verabschiedet worden sein.

Doch damit noch nicht genug. Wie sich aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg ergibt, hielten die Klima-Extremisten im Frühjahr mindestens drei weitere „Vorträge“ an Polizei-Hochschulen: Am 21. März ebenfalls in Villingen-Schwenningen, am 4. April in Pforzheim sowie am 15. Mai in Freiburg.

Doppelmoral im Innenministerium

Die Opposition in Stuttgart sieht sich angesichts der Vorgänge alarmiert. Julia Goll (FDP) hat zwar grundsätzliches Verständnis dafür, dass an der Hochschule auch Themen angesprochen werden, die „den polizeilichen Realtäten vor Ort“ entsprächen, sagt aber auch: „Die Art und Weise, wie hier die ‚Letzte Generation‘ für Vorträge eingeladen wurde, erscheint mir aber dubios und ist für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar.“

Hans-Jürgen Goßner (AfD) bezeichnete das sogenannte „Studium Generale“ gegenüber der JF als „klaren Bruch mit rechtsstaatlichen Prinzipien“ und sprach von einem „erneuten Tiefpunkt der CDU-Sicherheitspolitik.“ Zudem warf er Thomas Strobl vor, Unterschiede zu den Grünen müsse man bei diesem „mittlerweile mit der Lupe suchen.“

Mein Lesetipp

Apropos Thomas Strobl: Der Innenminister verteidigte den Auftritt der „Letzten Generation“ in Villingen-Schwenningen: „Um eine bestmögliche Vorbereitung angehender Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten für ihre spätere berufliche Tätigkeit zu gewährleisten, muss sich die HfPolBW auch nach eigener Darstellung fächer- und fakultätsübergreifend mit der Thematik auseinandersetzen.“ Ob man dazu aber auch Leuten eine Bühne bieten muss, die sich vorsätzlich mit dem Rechtsstaat – und damit auch der Polizei – anlegen, steht freilich auf einem anderen Blatt.

Zumal sich auch der oberste Dienstherr der Polizei in Baden-Württemberg schon ganz anders über die „Letzte Generation“ geäußert hat. Am 14. Juni 2023, also bereits nach (!) den Auftritten an den Hochschulen im Ländle, sagte Strobl im Rahmen der Innenministerkonferenz, dass „alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft“ würden, um Straftaten der Klimakleber „zügig und konsequent zu verhindern und nötigenfalls zu ahnden.“

Man müsse „vertiefte Erkenntnisse über die Strukturen der ‚Letzten Generation‘ gewinnen und ihre Finanzströme aufhellen, um weitere Ermittlungsansätze für eine konsequente und unnachgiebige Strafverfolgung zu erlangen“, so der CDU-Politiker noch vor wenigen Wochen – aber bereits im Wissen, davon sollte man jedenfalls ausgehen können, dass eben diese mutmaßlichen Straftäter Vorträge an den Hochschulen der Polizei halten.

Aufforderung zum Weitermachen

Ein weiteres Beispiel für die Doppelzüngigkeit im Umgang mit den Klimaklebern liefert aktuell das Amtsgericht Tiergarten in Berlin. Dort musste sich mit Paulin F. ein Mitglied der „Letzten Generation“ wegen des Anschlags auf das Denkmal „Grundgesetz 49“ verantworten. Die äußerst symbolträchtige Tat sorgte Anfang März auf allen Ebenen für einen Sturm der Entrüstung.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) findet: „Das gehört nie und für nichts in den Schmutz gezogen.“ Politiker der SPD und CSU verglichen die Störenfriede in ersten, später aber wieder einkassierten Reaktionen sogar mit den Taliban in Afghanistan. Die zuständige Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein und erhob schließlich Anklage wegen des Verdachts der „gemeinschädlichen Sachbeschädigung“, wie Juristen die Beschädigung von Denkmälern bezeichnen.

Knapp ein halbes Jahr später und nach einem „beschleunigten Verfahren“ verlässt Paulin F. das Gericht mit einem Freispruch. Unschuldig im Sinne der Anklage, könnte man auch sagen. Denn vor Gericht legte die Staatsanwaltschaft eine bemerkenswerte Kehrtwende hin.

Denkmal 'nur vorübergehend beschädigt'

Holger M. war als Sachverständiger und Zeuge geladen worden. Der Restaurator kennt die „Letzte Generation“ bestens, wurde er doch schon mehrfach mit der Beseitigung der Spuren von Sachbeschädigungen der Klima-Chaoten beauftragt, etwa nach Anschlägen auf diverse Gemälde in Berliner Museen – oder im März 2023 eben mit der Reinigung des Grundgesetz-Denkmals.

Vor Gericht nimmt der Experte die Angeklagte in Schutz und tritt geradezu wie deren Verteidiger auf. Die schwarze Farbe, mit der das Grundgesetz beschmiert worden war, habe sich „mit einem handwarmen Schwamm leicht lösen lassen“, so Holger M. Spätestens nach dem nächsten Regen wäre davon ohnehin nichts mehr zu sehen gewesen.

Natürlich könnte man sich an dann auch fragen, weshalb die Bundestagsverwaltung dann einen ausgewiesenen Fachmann mit der Reinigung des Denkmals beauftragen musste. Das ist aber nur eine von vielen Merkwürdigkeiten in diesem Fall.

Der Staatsanwaltschaft jedenfalls reichten diese Ausführungen, um ihre Anklage fallen zu lassen. Schließlich sei ja nichts kaputtgegangen oder nachhaltig verändert und das Denkmal deshalb „nur vorübergehend beschädigt“ worden. Also schloss sich auch das Gericht dieser Sichtweise an und sprach Paulin F. „im Namen des Volkes“ frei. Im schlechtesten Fall „droht“ der Kunst-Studentin, dass sie die Kosten für die Reinigung übernehmen muss – falls ihr diese vom Bundestag in Rechnung gestellt werden sollten.

Bemerkenswert ist aber auch, wie einige Kollegen der großen Mainstream-Medien über diesen Fall berichten. Die „Welt“ tut in einem Artikel so, als fände sie den Freispruch ebenfalls empörend. Doch schon in der Überschrift und danach noch ein gutes halbes Dutzend Mal im Text werden Paulin F. und ihre Kollegen als „Aktivisten“ bezeichnet. Dieser Begriff ist durchweg positiv besetzt und erscheint daher als Beschreibung von mutmaßlichen oder auch tatsächlichen Straftaten reichlich deplatziert.

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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: nitpicker/Shutterstock

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