Beamtenstatus: Wenn Parteitreue mehr zählt als Qualifikation Kretschmann will neue Laufbahn für "grüne" Beamte

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Wichtigste Aufgabe einer Landesregierung ist nicht etwa das sachgemäße und effiziente Regieren des jeweiligen Bundeslandes mit dem Ziel, die Lage seiner Bürger zu verbessern. Es mag Zeiten gegeben haben, in denen das üblich war, aber daran können sich nur noch die Älteren unter uns erinnern. Heute muss man vor allem die eigene Klientel voranbringen und dafür sorgen, dass sie mit gut dotierten Posten versorgt wird. Dazu gibt es mehrere Methoden. Man kann beispielsweise völlig überflüssige Nicht-Regierungs-Organisationen, die beliebten NGOs, so intensiv mit Steuergeldern fördern, dass noch der talentloseste Soziologe – wobei ich nicht sicher bin, ob man für die Profession eines Soziologen wirklich Talent braucht – ein brauchbares Auskommen findet, selbst dann, wenn seine Haupttätigkeit darin besteht, dem Publikum vorzugaukeln, sein Arbeitgeber sei tatsächlich und wahrhaftig regierungsunabhängig.

Wichtige Voraussetzung für den höheren Dienst soll nun wegfallen

Man kann es aber auch direkter angehen und sich den lästigen Umweg angeblicher Regierungsferne ersparen. Ein schönes Beispiel dafür liefert gerade der gelernte Maoist und ungelernte Ministerpäsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann. Denn wie wir von der FAZ erfahren, plant Kretschmanns Staatskanzleichef Florian Stegmann etwas ganz Besonderes: Eine „Verordnung über die Einrichtung der Laufbahn des höheren geistes- und sozialwissenschaftlichen Dienstes“, die der Zeitung vorliegen soll. Allem Anschein nach verfügen nicht alle Besucher von faz.net über die geistige Reife, dieses Vorhaben zu verstehen, da der Bericht hinter einer Bezahlschranke verborgen bleibt, aber das schadet nichts, man findet ihn auch anderswo.

Ziel sei es, so lernen wir von der FAZ, „Mitarbeiter, die nicht über die normalerweise vorgeschriebenen Voraussetzungen für den höheren Dienst verfügen, doch verbeamten zu können.“ Das erinnert ein wenig an die Schulpolitik im einstmaligen Musterland der Bildung, deren Ziel offenbar darin besteht, Schülern, die nicht über die normalerweise vorgeschriebenen Voraussetzungen zur Erlangung der Hochschulreife verfügen, doch noch das Abitur hinterher werfen zu können. „Es wird“, so heißt es im Entwurf der Verordnung, „die Laufbahn des höheren geistes- und sozialwissenschaftlichen Dienstes eingerichtet.“ Und die FAZ berichtet, was das bedeuten soll: „Absolventen von sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern wie Geschichte, Soziologie, Rhetorik, Ethnologie oder Journalistik sollen nach einer dreijährigen Berufstätigkeit und sofern sie ‚fundierte Kenntnisse im Verwaltungsrecht, in Regierungs-, Ministerial- und Parlamentsangelegenheiten oder der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit’ nachweisen können, in den Beamtenstand versetzt werden können.“

Was die Zeitung verschweigt: Üblicherweise kann man dann Beamter des höheren Dienstes werden, wenn man erstens ein Hochschulstudium – früher mit dem Diplom oder Magister, heute mit dem Master als Abschluss – erfolgreich absolviert und dann einen Vorbereitungsdienst absolviert hat. Bei Juristen dauert er beispielsweise zwei Jahre, bei Lehrern sind es je nach Bundesland zwischen 12 und 21 Monate, für den höheren technischen Dienst muss man zwischen 18 und 24 Monate investieren.

Und das soll nun wegfallen, sofern man Historiker, Soziologe, Rhetoriker, Ethnologe oder gar studierter Journalist ist. Warum gerade solche sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächer? Nun ja – aus welchen düsteren akademischen Quellen speisen sich denn die Grünen und solche, die es werden wollen? Es sind mit Vorliebe eben solche Disziplinen, die sich nicht unbedingt durch Präzision und Klarheit auszeichen und pseudowissenschaftlichen Plaudereien freundlich entgegenkommen; es wundert mich ein wenig, dass nicht auch die Genderwissenschaften explizit erwähnt wurden. Die eigenen akademisch geprägten Anhänger will man mit dem Beamtenstatus belohnen.

Aber nicht jeden. Eine dreijährige Berufstätigkeit muss man schon nachweisen können und dazu „fundierte Kenntnisse im Verwaltungsrecht, in Regierungs-, Ministerial- und Parlamentsangelegenheiten oder der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“. Wie diese Kenntnisse nachgewiesen werden sollen, auf welchem Wege man sie sich angeeignet haben muss, wird in der Verordnung nicht ausgeführt.

Beamtenstatus für getreue Parteisoldaten

Und alles andere wäre auch ausgesprochen kontraproduktiv. Ich bezweifle nicht, dass es auch unter Geistes- und Sozialwissenschaftlern Kompetenz und Intelligenz gibt; nicht alle sind nichts weiter als Gender- und Ideologieschwätzer. Aber die kompetenten sind nicht gemeint, die könnten ja eigene Ideen entwickeln, die von der Staats- und Parteimeinung abweichen. Wer beispielsweise drei Jahre lang Propaganda für die Amadeu Antonio Stiftung betrieben hat, wird doch bestimmt über fundierte Kenntnisse in „Regierungs-, Ministerial- und Parlamentsangelegenheiten“ verfügen, schließlich gehört das zu seiner propagandistischen Tätigkeit. Wer drei Jahre lang bei der taz oder sonst einem grünroten Blatt sein Dasein fristen durfte, kann sich auf ebenso fundierte Kenntnisse in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit berufen, denn selbst solche Publikationen zählen erstaunlicherweise noch immer zur Presse und nicht zur Regierungspropaganda. Jede berufliche Aktivität im grünroten Umfeld trägt ihre Qualifikation in sich, da braucht es keinen gesonderten sachlichen Nachweis. So kann man getreuen Parteisoldaten und ideologisch gefestigten Dampfplauderern schnell und problemlos zum Beamtenstatus verhelfen.

Ein Sprecher der Landesregierung weist das zurück. „Die Zahl der Beamtenstellen legt der Haushaltsplan fest. Es wird keine Planstelle zusätzlich geschaffen.“ Es gehe doch nur darum, die Mitarbeiter gleichzubehandeln, da Angestellte und Beamte für gleiche Arbeit ein sehr unterschiedliches Netto-Salär bezögen. Erstaunlicherweise gab es diesen Gehaltsunterschied schon immer, und er existiert auch heute nicht nur für Geistes- und Sozialwissenschaftler. Sollte man dieses Argument ernst mehmen, müsste man einfach alle öffentlichen Angestellten verbeamten, und schon wäre die Ungleichheit beseitigt. Die scheint aber nur für das grünrote akademische Proletariat eine Rolle zu spielen, das hier versorgt werden soll. Und es sollen keine weiteren Planstellen geschaffen werden? Jetzt vielleicht noch nicht. Doch auch höhere Beamte gehen irgendwann in Pension, und dann stehen die neu definierten Hochqualifizierten bereits Gewehr bei Fuß. Und auch Haushaltspläne gelten nicht ewig. Ein neuer Haushaltsplan kann auch neue Beamtenstellen enthalten, und da man nach der neuen Verordnung über ein Heer aus bestens geeigneten Kandidaten verfügen wird, liegt nichts näher, als künftige Haushaltspläne an die ideologischen Bedürfnisse anzupassen.

Aber keine Angst: „Juristen im Landesdienst“ haben das Problem bereits weitgehend gelöst. Sie stehen, wie man bei der FAZ lesen kann, der neuen Laufbahn zwar kritisch gegenüber, wollen es jedoch mit der Kritik nicht übertreiben: Man muss nur die bisherigen Laufbahnmöglichkeiten von der neuen trennen, und schon fällt nichts mehr auf. „Es wäre besser, für die neue Laufbahn deshalb eigene Amtsbezeichnungen zu schaffen – zum Beispiel einen ‚Ethnologierat’, heißt es in der Stellungnahme der Juristen.“ So einfach geht das. Kein bisher üblicher Regierungsrat mehr, sondern ein Ethnologierat für Ethnologen, vielleicht auch ein Soziologierat oder ein Genderrat, wobei es sich dann eher um eine Genderrätin handeln dürfte, von Bezeichnungen mit den obligatorischen Sternchen will ich gar nicht erst reden. Das gleiche Gehalt, der gleiche rechtliche Status, und das Problem ist gelöst, weil die Leute einen anderen Amtstitel tragen. Wir kennen das vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Man bezeichne den zwangsweise zu zahlenden Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe, und mit einem Schlag sind alle glücklich. Manches ist einfach in Baden-Württemberg.

Das Ziel ist klar. Parteitreue Landesangestellte sollen schnell und problemlos in die freundliche Sicherheit des Beamtenstatus überführt werden, und wer es bisher noch nicht geschafft hat, in die beamteten Dienste des Landes zu treten, soll es in Zukunft auch mit erheblich geringerer Qualifikation schaffen, sofern er einen passenden ideologiegefährdeten Studiengang absolviert hat. Das kann man für eine gute Idee halten, denn Absolventen der Genderwissenschaften oder einer linksdurchwirkten theoretischen Soziologie dürften am gewöhnlichen Arbeitsmarkt ähnlich schwer unterzubringen sein wie Atommüll im deutschen Endlager. So wirkt das Land Baden-Württemberg wenigstens daran mit, die Zahl der Bürgergeld-Empfänger etwas niedriger zu halten.

Doch nicht mit der nötigen Konsequenz. Immerhin ist gerade die grüne Partei bekannt für die überwältigende Qualifikation ihres Personals; man denke nur an die beiden Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour, die beide eine ganze Weile an der Universität verbracht haben, ohne einen Abschluss vorweisen zu können. Warum sollte man auch jemanden benachteiligen, nur weil er sich nicht den diskriminierenden Prozeduren von Abschlussprüfungen unterwerfen wollte? Das ließe sich problemlos auf die neue Verordnung übertragen. Muss es denn wirklich ein abgeschlossenes Studium sein? Fünf Jahre auf der Universität sind auch ohne Abschluss prägend genug. In Verbindung mit drei Berufsjahren, gerne auch als Kellner, Animateur oder Parteimitarbeiter, sollte das als Zugangskriterium für den höheren Dienst genügen – sofern es sich um geistes- oder sozialwissenschaftliche Studiengänge gehandelt hat; Naturwissenschaftler oder gar Ingenieure stören da nur.

„Non scholae, sed vitae discimus“, zitieren Lateiner gerne: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Der römische Philosoph Seneca hat es allerdings ursprünglich etwas pessimistischer formuliert: Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir. Und das lässt sich auf die Politik und ihre Protagonisten übertragen: Nicht für das Volk, sondern für die Partei regieren wir.

Es gibt verschiedene Arten, ein Land zugrunde zu richten. Eine grüne Regierung gehört zu den sichersten.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

Bild: Screenshot Video X

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