Mehr als 80 Prozent der erwachsenen Deutschen sind geimpft. Das ist zumindest die aktuelle Zahl, die das Robert Koch-Institut vermeldet. Nachdem es zuvor von einer deutlich geringeren Impfquote ausging. Was mich heute zu folgender Frage auf der Bundespressekonferenz veranlasste: „Gerald Gaß, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sagt laut Welt: ‚Die vom RKI und den Gesundheitsämtern definierten Meldeverfahren sind immer noch unzureichend und einer Pandemie dieses Ausmaßes unangemessen.‘ Und: ‘Auf Grundlage offenbar falscher und unzureichender Daten werden für Millionen Menschen gravierende Entscheidungen getroffen und Grundrechte eingeschränkt.‘ Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Wird es Entlassungen geben?“
Die Antwort werde ich Ihnen in Tradition der Bundesregierung in meinem Bericht über die heutige Bundespressekonferenz nachreichen. Soviel sei aber schon hier verraten – sie war nicht wirklich überraschend (sie können Sie sich auch hier in der Aufzeichnung der gesamten Bundespressekonferenz von heute ansehen).
Die offizielle Impfquote ist bei uns jetzt halbwegs vergleichbar mit jenen 72 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dänemark als Anlass nahm, schon am 10. September alle Corona-Maßnahmen zu beenden. Damals hieß es, die Nachbarn im Norden könnten sich das aufgrund einer höheren Impfquote leisten – wobei unsere, niedrigere, ganz offensichtlich falsch war. Der Rückschluss, den man aus diesen Zahlen ziehen kann, ja muss, ist offensichtlich. Gesundheitsminister Jens Spahn weigert sich dennoch hartnäckig, eins und eins zusammenzuzählen. Er behauptet, „wir“ seien „noch nicht am Ziel“. Und verschweigt dabei, wo er dieses Ziel sieht.
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, zählt dagegen eins und eins zusammen. Im Gespräch mit der „Bild“ forderte er jetzt, alle Corona-Maßnahmen aufzuheben: „Was die Dänen können, müssen wir auch können. Es ist an der Zeit, jetzt alle Corona-Maßnahmen zu beenden – nach dem Vorbild Dänemarks“, so der Arzt: Die Ausgangslage in Deutschland sei heute dieselbe wie am 10. September in dem skandinavischen Land, „wenn nicht sogar besser. Dank der vermutlich deutlich höheren Impfzahlen, die das Robert Koch-Institut gemeldet hat.“
Nach Aufhebung der Maßnahmen stiegen die Infektionszahlen in Dänemark nicht etwa an, wie die „Corona-Heulbojen“ (Zitat Oskar Lafontaine) hierzulande voraussagten. Sie blieben in etwa in der Größenordnung, die wir auch in Deutschland haben. Auch bei den Intensivpatienten oder Corona-Toten gab es nach Aufhebung der Maßnahmen keinen sonderlichen Anstieg.
Angesichts der für heutige Verhältnisse geradezu revolutionären Tragweite seines Vorschlags zeigte sich Ärzte-Chef Gassen dennoch geschmeidig. Sein Vorschlag solle nicht bedeuten, „dass wir ohne Leitplanken fahren: Wir sollten weiterhin die Hospitalisierungsrate und Todesfälle als Indikatoren im Blick behalten, um im Zweifel gegenzusteuern. Und natürlich sollten wir versuchen, noch mehr Menschen von der Impfung zu überzeugen.“
Aber statt auf verpflichtende Maßnahmen sollte man auf freiwilligen Selbstschutz setzen, so Gassen: „Natürlich ist jedem freigestellt, sich weiter mit Maske und Abstand zu schützen – die Pflicht muss aber weg.“
Bild: eroxx/ShutterstockText: br