Von Kai Rebmann
Tausende Gastwirte und kleine Handwerker mussten zu Beginn der Corona-Krise zunächst monatelang auf die vollmundig versprochenen Staatshilfen warten, nur um dann große Teile des Geldes wieder zurückzahlen zu müssen. Und wo der Staat nahezu barrierefreien Zugang zu Steuergeldern eröffnet, da sind naturgemäß auch Betrüger nicht weit. So war es beim millionenschweren Betrug in den Testzentren und so war es – in wohl noch viel gewaltigerem Ausmaß – auch bei der Beantragung von Corona-Hilfen. Die damalige Bundesregierung hat sich fast schon naiverweise darauf verlassen, dass schon niemand kommen und die Notlage existenzbedrohter Unternehmer und Selbstständiger ausnutzen werde. Und wenn doch, dann könne man sich das Geld später ja wieder zurückholen.
Dumm nur, wenn sich die Gauner inzwischen ins Ausland abgesetzt haben und für die deutsche Justiz nicht mehr greifbar sind. So geschehen im Fall des Youtubers Fayez Kanfash, der im Verdacht steht, schon im Sommer 2021 in seine syrische Heimat nach Damaskus geflohen zu sein. Mit im Gepäck: Erschlichene Corona-Hilfen in Höhe von mehr als einer Million Euro. Davon geht zumindest die Staatsanwaltschaft aus. Doch damit nicht genug. Das von der Berliner Förderbank IBB ausgezahlte Geld soll im Nahen Osten möglicherweise zur Finanzierung von islamistischen Terrororganisationen eingesetzt werden. Hierzu liegen der Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben derzeit zwar keine konkreten Hinweise vor.
Bei der Polizei Berlin hört sich das jedoch schon etwas anders an. Sprecher Benjamin Jendro dazu gegenüber der BZ: „Im konkreten Fall wird sichtbar, dass anscheinend nicht mal davor zurückgeschreckt wird, staatliche Hilfen abzugreifen, um das Töten von Menschen zu finanzieren.“ Berlin stehe als internationale Metropole natürlich auch im Fokus terroristischer Netzwerke, weshalb es gelte, ganz genau hinzuschauen, wenn es um Finanzströme innerhalb extremistischer Strukturen gehe. Jendro spricht damit eine unbequeme Wahrheit aus, die Nancy Faeser (SPD) nur ungern hören dürfte. Erst im September 2022 hat die Bundesinnenministerin den im Vorjahr ins Leben gerufenen Expertenkreis „Politischer Islam“ aufgelöst und tut damit so, als sei die Bedrohung durch Islamismus nur eine Erfindung der bösen Rechten.
Hetz-Youtuber schon mehrfach im Visier der Staatsanwaltschaft
Jetzt stand Fayez Kanfash im Zentrum einer groß angelegten Razzia in sechs deutschen Bundesländern. Neben dem Schwerpunkt Berlin wurden knapp 60 weitere Objekte in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen durchsucht. Dabei soll es Medienberichten zufolge lediglich zur Festnahme eines 24-jährigen Handlangers gekommen sein. Außerdem seien Datenträger und Akten beschlagnahmt worden. Die Ermittlungen richten sich gegen mehr als 70 Verdächtige, die unter anderem aus Ägypten, Tunesien und Syrien stammen sollen.
Und so ging der Millionenbetrug mit den Corona-Hilfen über die Bühne: Kanfash setzte Strohleute ein, um mit Hilfe derer Steuerdaten und Personalien zum Schein mehrere Gewerbetätigkeiten anzumelden. Danach richtete er noch die dazugehörigen E-Mail-Konten auf die Namen der Handlanger ein. So unglaublich es auch klingen mag: Das reichte im Jahr 2020 aus, um beim Staat Corona-Hilfen in mehr oder weniger beliebiger Höhe zu beantragen und in den meisten Fällen unter Vorbehalt bewilligt zu bekommen. Dann hieß es abwarten, denn Wochen und Monate zogen ins Land, ohne dass wirklich von der Existenz bedrohte Unternehmer etwas von den Corona-Hilfen gesehen hätten. Nicht wenige von ihnen sind am ausgestreckten Arm der damaligen Bundesregierung verhungert.
Anders war die Situation bei Fayez Kanfash. Der Syrer konnte sich das Abwarten erlauben. Kanfash lebte in Luckenwalde (Brandenburg) offiziell von Hartz IV und betrieb „nebenbei“ einen eigenen Youtube-Kanal mit zuletzt rund 1,3 Millionen Followern. Auf staatliche Stütze – sei es in Form von Corona-Hilfen oder Hartz IV – war Kanfash also sicher nicht angewiesen. Aber wenn der Sozialbetrug in Deutschland so einfach gemacht wird, wollte sich der Youtuber auch nicht zweimal bitten lassen. In seinen Videos rief Kanfash zu Straftaten auf und verbreitete antisemitische Hetze, weshalb er mehrfach Bekanntschaft mit Polizei und Staatsanwaltschaft machte.
Straftaten durch die ‚Kunstfreiheit‘ gedeckt
Der „Durchbruch“ gelang dem Youtuber im Spätjahr 2020. In einem Video inszenierte Kanfash die Entführung und Tötung von Emmanuel Macron. Frankreichs Präsident hatte wenige Tage zuvor die Enthauptung des Lehrers Samuel Paty in einem Pariser Vorort verurteilt. Kanfash jagte einen mit Macron-Maske ausgestatteten „Schauspieler“, fesselte diesen und verbrannte das Konterfei des Präsidenten. Die folgenden Ermittlungen wurden von der Staatsanwaltschaft schließlich eingestellt. Der Inhalt des Videos sei durch die „Kunstfreiheit“ gedeckt, wie es damals seitens der Ermittlungsbehörde hieß.
Bis zum Sommer 2021 folgten mehrere weitere Videos dieser Art, die zunächst Ermittlungen nach sich gezogen hatten, unter anderem wegen Verstößen gegen das Waffengesetz oder Störung des öffentlichen Friedens. Wie schon beim Macron-Video verliefen diese immer wieder im Sande. Wohl auch, weil Kanfash selbst merkte, dass die Luft für ihn immer dünner zu werden drohte, setzte er sich im Juli 2021 schließlich nach Damaskus ab – mit den Corona-Millionen der Berliner Investitionsbank. Seinen Followern teilte Kanfash dazu in einem weiteren Youtube-Video mit, dass er auf dem Weg von Berlin nach Damaskus „Freudentränen geweint“ habe. Ob das alleine an der Freude über die Heimkehr lag oder dabei auch etwas ungläubiges Staunen über die Naivität der deutschen Behörden eine Rolle gespielt hat, ließ er dabei jedoch offen.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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