Von Kai Rebmann
Die Impfung von gesunden Kindern gehört in Dänemark schon seit einigen Monaten der Vergangenheit an. Jetzt hat das Königreich die nationale Impfkampagne auch bei den unter 50-Jährigen für beendet erklärt. Damit geht das Land einen ganz anderen Weg als Deutschland, wo die STIKO auf politischen Druck hin die Altersgrenze für die Empfehlung zur vierten Impfung immer weiter absenkt. Zur Frage, warum Dänemark gesunden jungen Menschen keine weiteren Impfungen mehr anbietet, teilt die Gesundheitsbehörde auf ihrer Internetseite mit: „Der Zweck der Impfkampagne besteht darin, schwere Krankheitsverläufe, Hospitalisierungen und Todesfälle zu verhindern.“ Noch wichtiger aber sind die nächsten Sätze: „Der Zweck der Impfung besteht nicht darin, eine Infektion mit COVID-19 zu verhindern. Deshalb wird Personen unter 50 Jahren derzeit keine Auffrischungsimpfung mehr angeboten.“
Damit folgt Dänemark der Auffassung vieler führender Experten. Corona ist gekommen, um zu bleiben, und je früher das menschliche Immunsystem lernt, damit umzugehen, desto eher gelingt die Rückkehr in ein normales Leben. Die Gesundheitsbehörde erklärt dazu: „Menschen unter 50 Jahren haben im Allgemeinen kein besonders erhöhtes Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. Viele von ihnen wurden bereits geimpft und haben sich mit COVID infiziert. Daher besteht bei diesem Teil der Bevölkerung eine gute Immunität.“ Mit anderen Worten: Dänemark sieht den Punkt der Herdenimmunität spätestens jetzt als erreicht an, erklärt damit nicht weniger als den Ausstieg aus der Pandemie und wird Corona künftig wie die Grippe behandeln.
Nur noch wenige Ausnahmen vorgesehen
Ein Angebot für die Impfung gegen Corona soll es in Dänemark bei den unter 50-Jährigen nur noch für ganz bestimmte Gruppen geben. Dazu gehören insbesondere Menschen mit spezifischen Vorerkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf einhergehen, oder Angestellte im Gesundheitswesen wie etwa Ärzte, Krankenschwestern oder Altenpfleger. Die nationale Gesundheitsbehörde empfiehlt außerdem, „dass Angehörige von besonders gefährdeten Personen das Impfangebot annehmen, um ihre besonders gefährdeten Angehörigen zu schützen.“ Für alle anderen Bürger, die ganz große Mehrheit also, sind in Dänemark keine weiteren Impfungen mehr vorgesehen.
Spätestens seit der Ausbreitung der Omikron-Variante spielt Corona im gesellschaftlichen Leben der Dänen kaum noch eine Rolle. Wesentlich dazu beigetragen hat auch der erfrischend unaufgeregte Umgang der Politik mit diesem Thema. Die bis dato letzte Pressekonferenz von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und ihrem Gesundheitsminister Magnus Heunicke, bei der es im weitesten Sinne noch um Corona und diesbezügliche Einschränkungen ging, fand Mitte Juni in Kopenhagen statt. Auch fast alle weiteren Maßnahmen, die einst eingeführt worden waren, weil man sich von ihnen einen Beitrag zur Eindämmung des Virus versprochen hatte, bestehen in Dänemark nicht mehr. Die Gesundheitsbehörde spricht etwa für das Maskentragen allenfalls noch eine Empfehlung aus und bittet nur noch Bürger, die sich wirklich krank fühlen, zu Hause zu bleiben. Alleine aufgrund eines positiven Tests wird in Dänemark niemand mehr in Quarantäne geschickt.
Mehr Eigenverantwortung, weniger staatliche Vorgaben
Die aktualisierten und am 13. September 2022 veröffentlichten Vorgaben zur Impfkampagne werden bei unseren Nachbarn ab Oktober gelten. Bereits bei der Einstellung der bei zahlreichen Experten umstrittenen Kinderimpfung hatte das kleine Königreich eine internationale Vorreiterrolle eingenommen. Viele weitere Länder wie Großbritannien waren dem Beispiel Dänemarks kurz darauf gefolgt und konzentrieren sich bei ihrer Impfkampagne seither zielgerichtet auf die vulnerablen Gruppen, sprich ältere Menschen und solche mit bestimmten Vorerkrankungen, die einen schweren Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit Corona begünstigen könnten.
Es klingt fast wie eine Ironie der Geschichte, dass der Deutsche Bundesrat nur wenige Tage nach dieser wegweisenden Entscheidung in Dänemark das angepasste Infektionsschutzgesetz durchgewunken hat und damit eine gänzlich andere Richtung einschlägt. Während die Regierung in Kopenhagen ihren Bürgern ein Leben in Eigenverantwortung nicht nur zutraut, sondern dieses ausdrücklich unterstützt, überziehen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Deutschland mit einem im internationalen Vergleich beispiellosen Flickenteppich. Bezogen auf die Impfung werden am 1. Oktober 2022 zum Beispiel bis zu 12 Millionen Bundesbürger über Nacht ihren Status als „vollständig Geimpfte“ verlieren.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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