Deutsche Justiz in voller Blüte: „Södolf“ kostet Gerald Grosz 36.000 Euro Prozess gegen österreichischen Politik-Kommentator

Ein Gastbeitrag von Thomas Rießinger

Deutschland – das Land des Grundgesetzes und der Meinungsfreiheit, die sich uneingeschränkter Geltung erfreuen darf, solange nicht Thomas Haldenwang, seines Zeichens hochkompetenter Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu der Auffassung gelangt, eine nicht strafbewehrte Äußerung sei dennoch verfassungsschutzrechtlich relevant, oder Markus Söder, bekannt für seine Neigung zu zurückhaltenden Formulierungen, unbedingter Ehrlichkeit und Prinzipientreue, sich beleidigt fühlt.

Gerade Letzteres kann schnell passieren. In unseren Tagen durfte das Gerald Grosz, ein österreichischer Polit-Kommentator, erfahren, und ebenso hatte er die Freude, die Unvoreingenommenheit der deutschen Justiz in voller Blüte zu erleben. Er ist ein Freund klarer Worte, der vor Überspitzungen nicht zurückschreckt und für eine treffende Pointe gerne den Abscheu der üblichen Berufsempörer und gelegentlich auch eine Klage in Kauf nimmt. Wer in der Lage ist, im Rahmen einer wöchentlich im Sender OE24 stattfinden Diskussion mit seinem bedauernswerten Gegner Sebastian Bohrn Mena den Begriff des „Analakrobaten“ zu prägen, um nicht einen etwas unschöneren Begriff verwenden zu müssen, der sowohl etwas mit der Analregion als auch mit der mehr oder weniger akrobatischen Tätigkeit des Kriechens zu tun hat, von dem darf man erwarten, dass er auch bei anderen Gelegenheiten deutliche und nicht immer freundliche Formulierungen findet.

Der arme, stets rechtschaffene Markus Söder

Und so war es auch, als Grosz „beim politischen Aschermittwoch der AfD im Februar 2023 in Osterhofen“ in Richtung des weisen bayerischen Landesvaters äußerte: „Die Lockdowns sind sinnlos, die Maskenpflicht ist nicht effizient. Danke Södolf. Er ist kein Landesvater, sondern ein Landesverräter!“ Das konnte der überzeugte – hier darf der Leser irgendeine beliebige zur Tages- oder Jahreszeit passende Zuschreibung einsetzen, da man bei Söder nie so recht weiß, worauf sich seine aktuelle Überzeugung wohl richten mag – nicht auf sich sitzen lassen. Grosz wurde wegen Beleidigung, Verleumdung und übler Nachrede verklagt, denn „den Begriff „Södolf“ – eine Anlehnung an Nazi-Diktator Adolf Hitler – verstehe man als „Nazi-Parole und rechtsextremistische Verleumdung“, erklärte die Bayerische Staatskanzlei vergangenen Sommer.“ Es gab einen Strafbefehl in Höhe von 36.000 Euro – leider nicht gegen Söder, sondern gegen Gerald Grosz – der daraufhin Einspruch einlegte.

Am Montag, dem 8. April, wurde über diesen Einspruch verhandelt. Resultat: Sämtliche Anträge des Beklagten wurden abgelehnt, doch die Geldstrafe hat man von 36.000 Euro auf 14.850 Euro reduziert. Zur Begründung sagte die Richterin, Söder werde durch die Beleidigung „in die Nähe des nationalsozialistischen Regimes“ gerückt.

„Das sind Nazis in neuem Gewand, die sich bürgerlich darstellen wollen“

Der arme, stets rechtschaffene Markus Söder, wie konnte man ihm so etwas antun? Er selbst und seine Parteikumpane kämen selbstverständlich niemals auf die Idee, andere Leute in die Nähe des Nazi-Regimes zu rücken. Es war ja auch nur sein Generalsekretär Martin Huber, der im Januar 2024 über die AfD die Auffassung verbreitete: „Das sind Nazis in neuem Gewand, die sich bürgerlich darstellen wollen, aber rechts­extremes Gedankengut verbreiten.“ Denn „die AfD steht nicht auf dem Boden unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, und sie ist eine Gefahr für Deutschland.“ Vielleicht sollte man die Richterin einmal daran erinnern, dass die Corona-Maßnahmen, deretwegen Söder von Grosz angegriffen wurde, alles andere als fest auf dem Boden des Grundgesetzes standen, sondern es ganz im Gegenteil mit Verachtung straften, und Söder als selbsternannter Exponent des „Teams Vorsicht“ lange an vorderster Front der überzeugten Grundrechtsdestruktoren stand. Was Herrn Huber recht ist, scheint Herrn Grosz noch lange nicht billig zu sein. Und erst im Februar 2024 hat Söder höchstselbst „die Vorsitzende der AfD-Fraktion im bayerischen Landtag, Katrin Ebner-Steiner, mit der umstrittenen Nazi-Propaganda-Filmemacherin Leni Riefenstahl verglichen.“ Erstaunlicherweise beim politischen Aschermittwoch der CSU in Bayern. Sollte er damit etwa Ebner-Steiner „in die Nähe des nationalsozialistischen Regimes“ gerückt haben? Merkwürdig, dass er so etwas ungestraft darf, vielleicht hatte die mir völlig unbekannte Fraktionsvorsitzende aber auch einfach die Größe und Gelassenheit, auf eine alberne Klage im Söderstil zu verzichten.

Södolph, Sötler, Södler, Madolf, Mardolf, ...

Wie dem auch sei, in jedem Fall sollte man sich fragen, ob denn durch die Bezeichnung als „Södolf“ überhaupt zwingend die Grosz zur Last gelegte Unterstellung nachgewiesen ist, Söder weise eine nicht näher spezifizierte Nähe zum Naziregime auf. Denn sprachlich betrachtet – und wie soll man eine sprachliche Äußerung anders betrachten? – erscheint die Folgerung etwas vorschnell. Soweit mich meine historischen Kenntnisse nicht im Stich lassen, hieß Adolf Hitler mit Vornamen Adolf, mit Nachnamen Hitler. Markus Söder dagegen trägt den Vornamen Markus und den Nachnamen Söder. Damit der Vergleich einigermaßen stimmig ist, hätte Grosz den Vornamen Söders verwenden müssen, denn der Nachname Hitlers endet nicht mit „dolf“. „Mdolf“ hätte er also auf dem Rednerpult sagen müssen, vielleicht auch zur besseren Aussprache „Madolf“ oder gar „Mardolf“ – damit wäre die Analogie hergestellt. Wenn er schon mit der Silbe „Sö“ oder auch „Söd“ beginnen wollte, dann hätte er für einen klaren Bezug zu Hitler ohne Frage etwas wie „Sötler“ oder „Södler“ vorbringen müssen: entweder Nachname zu Nachname oder Vorname zu Vorname, wenn man denn unbedingt nach Gleichheiten sucht.

Ist das alles? Nein. Das Problem der Zuordnung von Vor- und Nachnamen kann man um der Diskussion willen einmal beiseitelassen, aber damit ist nichts gewonnen. Denn nicht nur der Vorname Adolf endet mit der Silbe „dolf“. In der bayerischen Geschichte gab es beispielsweise den Herzog Rudolf, der allenfalls deshalb als Grundlage einer Beleidigungsklage herhalten könnte, weil man ihn auch als den „Stammler“ bezeichnete – aber Annalena Baerbock war ja an der Klage nicht beteiligt. Sollte Grosz etwa eine Beziehung zwischen Söder und einem bayerischen Herzog suggeriert haben? Das kann die Richterin wohl kaum wissen, und widerlegen kann sie es schon gar nicht. Vielleicht dachte er als Österreicher auch an Rudolf von Habsburg, den ersten römisch-deutschen König aus dem Hause Habsburg – ein unverdientes Kompliment wäre das, so viel ist klar, aber Komplimente an Politiker sind nicht strafbar.

Es mag aber auch sein, dass andere Gründe vorlagen, denn immerhin ist ein Olf eine Maßeinheit zur Bewertung der Stärke einer Geruchsquelle, und einen bayerischen Ministerpräsidenten in Verbindung zu bringen mit einer olfaktorischen Maßeinheit, mag man originell nennen: beleidigend ist es nicht. Oder war es doch ganz anders? In Wahrheit können wir gar nicht wissen, ob Gerald Grosz tatsächlich das Wort „Södolf“ ausgesprochen hat. Schließlich könnte es auch „Södolph“ gewesen sein, das klingt genauso und meint doch etwas völlig anderes. Welcher Freund von Actionfilmen kennt nicht den Schauspieler – wenn man ihn denn so bezeichnen will – Dolph Lundgren und weiß, wofür er steht? Kraft, Ausdauer, Stärke, ein Mann, wie er im Buche steht, falls man die entsprechenden Bücher liest. Und „Södolph“ ist in diesem Fall nichts weiter als die Zuschreibung eben dieser Eigenschaften an den Ministerpräsidenten, der es fertigbringt, sich davon beleidigen zu lassen.

Kurz gesagt: Ob nun Södolf oder Södolph, das kann alles oder nichts bedeuten, und wer sich davon in die Nähe des Naziregimes gerückt sieht, darf nicht den Redner verantwortlich machen, sondern nur den bewertenden Hörer, nämlich sich selbst. Solche Klagen, an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten, werden an deutschen Gerichten zugelassen und enden auf eine Weise, die jeder Beschreibung spottet. Selbstverständlich hat Gerald Grosz sofort Berufung angekündigt.

Verspottet wurden Politiker schon immer, und sie haben auf sehr verschiedene Weisen darauf reagiert. Über Friedrich II. von Preußen wurde berichtet: „In Potsdam war ein arges Pasquill“, also eine Spott- oder Schmähschrift, „auf den König angeschlagen, der Officier von der Nacht-Patrouille nahm es wahr, nahm es ab und behändigte es des Morgens dem König. Der König, nachdem ers gelesen, fragte den Officier: ob es schon Jemand gelesen habe? Dieser antwortete: Niemand, denn es habe viel zu hoch gehangen; der König erwiederte: So soll ers wieder auf den nämlichen Plaz wieder anheften laßen, aber so niedrig, daß es Jedermann lesen könne.“

Manche Leute können mit Spott umgehen. Markus Söder kann es nicht. Ob er sonst etwas kann, will ich hier nicht diskutieren.

Ich wünsche Gerald Grosz für den Fortgang seines Prozesses jeden erdenklichen Erfolg.

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Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.

 

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