Von Daniel Weinmann
Am 15. April gehen die drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke endgültig vom Netz. Um das dadurch entstehende Defizit auszugleichen, importiert Deutschland nicht zuletzt mehr Atomstrom aus Frankreich. So führt Grünrot seine Energiepolitik ad absurdum. „Die Risiken der Atomkraft sind unbeherrschbar“, begründete ein Sprecher des Umweltministeriums Ende Januar die Bedenken.
Die garstige Doppelmoral dieser Äußerung ist unüberhörbar: Mit den potenziellen Gefahren sollen sich gefälligst andere Länder auseinandersetzen, aber nicht Deutschland. Den so produzierten Strom nimmt man allerdings mit gutem grünen Gewissen gern. Bekannt ist diese Doppelmoral vom Schiefergas, das Deutschland in den USA kauft, weil SPD und Grüne hierzulande die Förderung verbieten.
Dumm nur für die grünroten Energiestrategen, dass das EU-Parlament Atomenergie im Juli vergangenen Jahres als nachhaltig klassifizierte. Noch demütigender für die deutschen Bewahrer des Weltklimas muss der von der EU-Kommission jüngst präsentierte Industrieplan wirken, der Teil des Green Deals ist. Die so wohlklingende „Netto-Null-Industrie-Verordnung“ soll grüne Industrien in Europa gegenüber Wettbewerbern in China und anderswo stärken. Satte 400 Milliarden Euro aus Steuergeldern ist der Kommission die Förderung der grünen Technologien wie Fotovoltaik, Windkraft oder Wärmepumpen wert.
EU-weite Nuklear-Allianz vertieft Kernkraft-Kooperation
Die Brüsseler Bürokraten erdreisteten sich aber, auch Atomkraft als subventionswürdig einzustufen. Heißt: Frankreich und andere Atomstromerzeuger erhalten zusätzliche Mittel für innovative Nukleartechnologien. „Technologien für die Energieerzeugung aus Kernenergie mit minimalen Abfällen aus dem Brennstoffkreislauf sowie kleine modulare Reaktoren“ seien emissionsfrei, heißt es dazu im Anhang zum Gesetzentwurf.
Dazu passt die Ende Februar vereinbarte Nuklear-Allianz, in der sich elf EU-Staaten darauf verständigten, die Kernkraft-Kooperation zu vertiefen. Dazu zählen Frankreich, die Niederlande, Polen, Finnland, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Rumänien, Slowenien und die Slowakei. Atomenergie sei eines von vielen Werkzeugen, um die Klimaziele zu erreichen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Luxemburg, Österreich, Spanien und selbstverständlich Deutschland lehnten dies kategorisch ab.
Dabei ist Atomstrom laut Umweltbundesamt vergleichsweise klimaschonend. Über den gesamten Lebenszyklus eines Kernkraftwerks hinweg entstehen bei einer produzierten Kilowattstunde Strom im Mittel etwa zwölf Gramm Kohlendioxid. Bei Braunkohle sind es über 1000 Gramm, bei Erdgas über 400 Gramm und bei der Windenergie unter zehn Gramm CO2.
»Wir dürfen Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nicht vorsätzlich beschädigen«
Was insbesondere den Grünen gar nicht gefallen dürfte: Die Bundesrepublik steuert als Hauptzahler rund ein Viertel des EU-Haushalts bei und soll allein in diesem Jahr 38,7 Milliarden Euro nach Brüssel überweisen. Hinzu kommt der EU-Wiederaufbaufonds, an dem die Bundesrepublik in der gleichen Größenordnung beteiligt ist.
Heraus kommt eine absurde Konstellation, die typisch ist für dieses Land: Deutsche Steuerzahler fördern indirekt jene Technologie, die Grünrot missbilligt. „Dadurch ermöglichen wir unseren Nachbarländern günstigen Atomstrom, den wir gegebenenfalls dann von ihnen einkaufen müssen“, brachte FDP-Politiker Gerald Ullrich die Lage in der „Welt am Sonntag“ auf den Punkt. „Wir selbst schalten hingegen Ende April die Atomkraft ab.“
Die Forderung des 60-Jährigen, der für seine Partei im Wirtschaftsausschuss sitzt: „Wir dürfen Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit nicht vorsätzlich beschädigen, indem wir eine Energiequelle der Zukunft pauschal ausschließen.“ Eine ganz andere Frage bleibt derweil gänzlich unbeantwortet: Ist das Stromnetz auch ohne die drei demnächst abgeschalteten Atomkraftwerke stabil genug?
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Daniel Weinmann arbeitete viele Jahre als Redakteur bei einem der bekanntesten deutschen Medien. Er schreibt hier unter Pseudonym.
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