Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Thomas Rießinger
„Lasst uns gemeinsam Zukunft machen! Mit euch wollen wir Wege aus der Krise finden, konstruktiv und solidarisch,“ liest man in einem Tweet der Linkspartei, die den Älteren unter uns vielleicht noch als SED bekannt ist. Das hat sich Bodo Ramelow, eigentlich abgewählter, aber dann dank einer urdemokratischen Intervention der Demokratieexpertin, die sechzehn Jahre zu lang im Kanzleramt saß, doch wieder gewählter thüringischer Ministerpräsident, nicht zweimal sagen lassen. Gegenüber dem RND, also dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, das ganz sicher unabhängigem Journalismus, noch sicherer aber der Propagierung von Vorstellungen der sogenannten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands verpflichtet ist, hat Ramelow deshalb geradezu revolutionär progressive Ideen zum Asylrecht vorgeschlagen.
Alle Asylbewerber, „die 2015 oder später nach Deutschland gekommen sind und mindestens drei Jahre ohne Beanstandungen hier gelebt haben“ – so schreibt der RND-Autor – solle man nach Ansicht Ramelows pauschal anerkennen, um das Asylsystem zu entlasten. Lassen wir den merkelgemachten Ministerpräsidenten selbst zu Wort kommen: „Menschen, die länger als drei Jahre bei uns leben und währenddessen nicht auffällig geworden sind, sollte man eine Bleibeperspektive geben, statt alle Asylverfahren zu Ende zu führen,“ denn dann „könnten wir uns die ganze Bürokratie und die Abschiebedebatten sparen. Dann müssten wir auch keine Arbeitskräfte mehr anwerben.“
Ich will hier nicht darauf herumreiten, dass dem RND-Autor nicht der Unterschied zwischen „mindestens drei Jahre“ und „länger als drei Jahre“ aufgefallen ist; er dachte sich wohl in gut sozialdemokratischer Manier, dass es für die gute Sache auf einen Tag mehr oder weniger nicht ankommt. Wichtiger ist doch die Qualität des Ramelowschen Voschlages: Welch eine Schande, dass die Arbeitsmarkt-, Migrations- und Universalexperten nicht schon früher darauf gekommen sind! Ein wenig ungenau mögen vielleicht die Voraussetzungen formuliert sein, denn was soll man unter „nicht auffällig geworden“ verstehen? Das hängt davon ab, was man unter Auffälligkeit verstehen will. Folgt man dem Wikiwörterbuch, so bedeutet „auffällig“ etwas wie „die Aufmerksamkeit auf sich ziehend; Interesse erweckend“. Auch das sind noch recht dehnbare Begriffe, da sie vom mentalen Zustand derer abhängen, deren Interesse erweckt werden könnte und deren Aufmerksamkeit erregt werden soll. Sollten „Menschen, die länger als drei Jahre bei uns leben“ und sich während dieser Zeit mit tatsächlich freundlichen Aktivitäten zugunsten von Menschen, die – um es mit den Worten der Altkanzlerin zu sagen – „schon länger hier leben“, hervorgetan haben, Interesse erweckt und Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben? In diesem Fall entfällt ihre Ramelowsche Bleibeperspektive, weil sie auffällig geworden sind. Und wie sieht es aus mit „Menschen, die länger als drei Jahre bei uns leben“ und sich vor allem durch kriminelle Aktionen verschiedenster Art eingebracht haben? Fällt so etwas wirklich noch auf? Kann das noch echtes Interesse erwecken, zumal man ja inzwischen weiß, dass in solchen Fällen grundsätzlich psychische Probleme der Täter und nicht die Täter selbst verantwortlich gemacht werden müssen? Wie es scheint, zieht so etwas zumindest bei Medien wie dem RND nicht übermäßig viel Aufmerksamkeit auf sich, es sei denn, man kann der mangelnden Willkommenskultur die Schuld in die Schuhe schieben.
Das Ramelow-Kriterium ist somit noch etwas ausbaufähig, doch die weitreichende Kraft seiner Folgerung kann überzeugen und hat vielfältige Anwendungen außerhalb des Asylrechts. Warum bei Asylverfahren stehen bleiben, wenn eine gute Idee auf dem Tisch liegt? Werfen wir einen Blick auf das deutsche Bildungswesen, das nicht nur, aber auch unter Lehrermangel leidet. Ramelow wüsste hier zu helfen. Menschen, die länger als drei Jahre die Schule besucht und währenddessen nicht auffällig geworden sind, sollte man eine Abschlussperspektive geben, statt alle Schullaufbahnen zu Ende zu führen. Das würde doch die Bildungsbürokratie entlasten und uns lästige Qualitätsdebatten ersparen. Und wer braucht noch einen Führerschein, wenn man doch das Ramelow-Kriterium hat? Menschen, die länger als drei Jahre Auto gefahren und währenddessen nicht auffällig geworden sind, sollte man eine Fahrperspektive geben, statt alle Führerscheinverfahren zu Ende zu führen. Die Entlastung der Bürokratie ist mit Händen zu greifen, und lästige Prüfungsdebatten würden mit einem Schlag entfallen. Und schließlich ist noch die Frage des Strafvollzugs zu betrachten, der sich mithilfe des Ramelow-Prinzips deutlich vereinfachen lässt: Menschen, die länger als drei Jahre im Gefängnis sitzen und währenddessen nicht auffällig geworden sind, sollte man eine Freiheitsperspektive geben, statt alle Gefängnisaufenthalte zu Ende zu führen. Um Art und Schwere der Straftat muss man sich dann keine Sorgen mehr machen, da uns das Ramelow-Kriterium auch hier von lästiger Bürokratie und unangenehmen Debatten befreit.
'Dann müssten wir auch keine Arbeitskräfte mehr anwerben'
Und was im Hinblick auf Asylverfahren noch hinzukommt: „Dann müssten wir auch keine Arbeitskräfte mehr anwerben.“ Natürlich nicht, sie sind ja schon da. All die Ingenieure, all die Pflegefachkräfte, all die Techniker und Informatiker, all die gut ausgebildeten Handwerker, Facharbeiter und Ärzte aus bekannt bildungsaffinen Ländern wie Afghanistan oder dem Südsudan, deren Einsatz bisher nur daran gescheitert ist, dass wir das Ramelow-Prinzip nicht beherzigt haben – sie alle könnten unverzüglich aktiv werden und ihr segensreiches Wirken entfalten. Wie gut, dass wir Bodo Ramelow haben, der allem Anschein nach unsere Probleme schneller löst als sie die Ampelkoalition verursachen kann.
Man fragt sich, wie er wohl darauf gekommen seim mag. Ein Gedanke liegt nahe. Am 4. März 2020 wurde Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten gewählt, nachdem der zunächst gewählte FDP-Politiker Thomas Kemmerich nach massivem Druck sowohl der Bundespolitik – vor allem der urdemokratischen Kanzlerin – als auch der Straße – vor allem der ebenfalls urdemokratischen Antifa – von seinem Amt zurückgetreten war. Das ist jetzt etwas mehr als drei Jahre her. Versprochen wurden damals Neuwahlen, die mit wechselnden und stets fadenscheinigen Argumenten immer wieder verschoben wurden. Sollte darin der tiefere Grund des Ramelow-Prinzips liegen? Wenden wir es an! Menschen, die länger als drei Jahre Ministerpräsident gewesen und währenddessen nicht auffällig geworden sind, sollte man eine Regierungsperspektive geben, statt die Versprechen der Vergangenheit zu Ende zu führen, indem man sie einlöst. Dann kann man sich auch die ganze Bürokratie und die Politikdebatten sparen, die mit Wahlen einher gehen. Und man sieht: Ramelow wendet nur seine eigenen, auf sich bezogenen Methoden auf das Asylrecht an.
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Thomas Rießinger ist promovierter Mathematiker und war Professor für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Neben einigen Fachbüchern über Mathematik hat er auch Aufsätze zur Philosophie und Geschichte sowie ein Buch zur Unterhaltungsmathematik publiziert.
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