Die Gedankenpolizei erreicht den Golfsport Ein "homophober Versprecher" und seine Folgen

Ein Gastbeitrag von Hans-Hasso Stamer

Der Irrsinn nimmt kein Ende. Jetzt sind wir bereits bei mittelalterlichen Selbstbezichtigungen angelangt: „Ich Unwürdiger …“

Was ist passiert? Jetzt hat es auch den Golfsport erwischt, den Hort der Reichen und Edlen. Justin Thomas, ehemals Weltranglistenerster und immer noch ein Topgolfer, ist ein Fluch herausgerutscht. So etwas soll ja vorkommen, wenn man bei einem wichtigen Turnier spektakulär am Loch vorbeischiebt.

Das ist etwa so, als wenn ich beim Brötchenschmieren mit dem Messer ausrutsche und laut „Scheiße“ sage – nur eben weniger prominent. Nun hat Justin Thomas etwas gemurmelt, was angeblich homophob war, zwar nur zu sich selbst, das landete aber dank empfindlicher Platzmikrofone in der Öffentlichkeit. Er muss es schon ziemlich leise gesagt haben, denn ich konnte es aus dem Videoausschnitt eines Sportsenders nicht heraushören.

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Vielleicht hat er sich selbst als „Schwuchtel“ bezeichnet oder so etwas, was man eben so tut, wenn man gerade haarscharf eine Million Dollar oder so verpasst hat mit einem einzigen Schlag. Genau herauszubekommen ist das nirgends, denn kein Medium, von RTL bis zur „Golf Post“, zitiert das Corpus Delicti. Man ist hier also auf Vermutungen angewiesen.

Kaum war es in der Welt, kroch Justin Thomas zu Kreuze. Offenbar war ihm klar, was da auf ihn zukommen würde. Wie weit dieser unwürdige Kotau ging, kann man im Originaltext lesen:

„There’s no excuse. … I’m an adult. I’m a grown man. There’s absolutely no reason for me to say anything like that. It’s terrible. I’m extremely embarrassed. It’s not the kind of person that I am … But unfortunately I did it and I have to own up to it and I’m very apologetic. … I deeply apologize to everybody and anybody who I offended and I’ll be better because of it.“

[„Es gibt keine Entschuldigung. Ich bin erwachsen, ein erwachsener Mann. Es gibt absolut keinen Grund für mich, so etwas zu sagen. Es ist schrecklich. Es ist mir sehr peinlich. Es ist nicht die Art von Person, die ich bin … Aber leider habe ich es getan und ich muss mich darauf einstellen und ich entschuldige mich sehr … Ich entschuldige mich zutiefst bei allen und jedem, den ich beleidigt habe, und ich werde mich bessern.“ – Übers. d. Red.]

Tiefer kann man sich nicht mehr im Staub wälzen. Obwohl er sofort nach der Runde diese Sätze äußerte, es nutzte nichts. Seit heute Mittag ist es amtlich: Sein Sponsor Ralph Lauren hat sich mit sofortiger Wirkung von ihm getrennt, „da seine Äußerung mit den Werten unseres Unternehmens unvereinbar …“ blablabla usw.

Auf Twitter hatten sich selbstverständlich sofort die üblichen Ghostbusters gemeldet: Sicherlich sei die Äußerung spontan gewesen. Aber dass sie in Thomas‘ Gedächtnis überhaupt so abgespeichert sei, dass er sie in diesem Moment spontan abrufen konnte, das sei eben Ausdruck eines latenten Rassismus. Die Orwellsche Gedankenpolizei schlug also sofort voll zu.

Nun ist Thomas keiner, um den man sich Sorgen machen muss. Der ist Multimillionär und bleibt es auch. Bei großen Turnieren gibt es für den Sieger jedes Mal Millionen und die Sponsorengelder kamen ja bis heute auch noch dazu. Aber der Vorgang zeigt, wo wir inzwischen gelandet sind: nicht nur ein unbedachter Satz, eine missverständliche Äußerung, sondern sogar ein einziges falsches Wort, und sei es nur zu sich selbst, menschlich völlig nachvollziehbar, kann unter Umständen das Ende der Karriere bedeuten.

Was wird daraus resultieren? Völlig gehemmte Menschen, die versuchen werden, ihre Emotionen jederzeit voll unter Kontrolle zu halten und die die Öffentlichkeit in jeder Form immer nur als potenziell gefährlich und als vermintes Gelände wahrnehmen? Ein dumpfes, ideenfeindliches und gehemmtes gesellschaftliches Klima, wie ich es noch aus der DDR kenne.

Halt, das stimmt nicht ganz: So schlimm war es nicht mal damals. Im privaten und halböffentlichen Umfeld konnte man sich weitgehend angstfrei äußern. Und ich kann es auf meinem Blog auch, immerhin, das geht noch. Es klingt nicht schön, aber es ist angemessen – was Böhmermann recht ist, ist mir billig: Ich scheiße auf diese stets im Rudel auftretenden Blockwartschwuchteln auf Twitter oder sonstwo. Und ob die wirklich homo oder hetero sind, das ist mir aber auch sowas von egal. Und für Firmen, die das mit ihrem Verhalten auch noch unterstützen, gilt das ebenso.

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Hans-Hasso Stamer ist Diplomingenieur, Blogger und Musiker (und war als solcher in der DDR bekannt). Über sich schreibt er: Erfahrungen in zwei Systemen und in verschiedenen Berufsfeldern. Ich lebe „jottwede“ im Land Brandenburg und genieße es. Manchmal schreibe ich auch über Katzen. Stamer betreibt den Blog Splitter & Balken.

Bild: Stokkete/Shutterstock
Text: Gast 

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