Eliten-Revolte gegen die UEFA: Abschlag ins Abseits Der Ausbruch aus korrupten Strukturen kann ohne Fuß(ball)volk nicht gelingen

Von Matthias Heitmann

Für jeden richtigen Fußballfan ist die Idee einer abgeschotteten Eliteliga, in der, unterstützt durch die US-Investmentbank JP Morgan, die besten Mannschaften untereinander bleiben und niemals absteigen können, eine ebenso grauenhafte wie überflüssige Zukunftsvision, die dem Spiel jeden Reiz nimmt. Als Fan von Eintracht Frankfurt, einem Verein, in dem nichts so konstant ist wie der Umbruch, weiß ich, wovon ich rede. Überraschend kommt der jüngste Vorstoß in Sachen Eliteliga jedoch nicht. Seit vielen Jahrzehnten schon wird der Fußball systematisch zu einer abgehobenen Veranstaltung verfremdet, in der das große Geschäft alles ist, der gemeine Fußballfan aber immer weniger zählt. Die wachsende öffentliche und mediale Bedeutung des Sports macht ihn überdies zur Plattform für die Moralisierung der Gesellschaft – in Zeiten, in denen Politikern auf ihrem angestammten Terrain kaum mehr Beachtung geschenkt wird.

Die Kolonisierung des Fußballs durch das Big Business sowie durch diejenigen, die seit Jahrzehnten die Entwurzelung und Zähmung des früher rauen und dreckigen Arbeitersports samt seiner Fankultur vorantreiben, hat Initiativen wie die aktuelle überhaupt erst möglich gemacht. Befördert wird diese Entwicklung zusätzlich durch die Corona-Krise: Entgeistert stehen die Fans nicht nur vor gesperrten Stadien, sondern nunmehr auch ohne Stimme und ohne ernsthafte Öffentlichkeit da. Dennoch wird es an ihnen liegen, den Tod ihres Lieblingssports zu verhindern: Sie müssen sich den Fußball zurückholen, von den mit Milliarden jonglierenden Verbandsbossen genauso, wie von den elitären Moralisten, denen der Pöbel auf den Rängen schon lange ein Dorn im Auge ist.

Zwar behaupten die Verfechter eines neuen, sauberen und politisch-korrekten Fußballs, dass ihre Pläne nicht weniger zum Ziel haben, als die Rettung des nicht zuletzt auch durch die Pandemie gefährdeten Sports. Diese Mär ist aber nicht minder verlogen wie die Empörung der UEFA-Repräsentanten und deren Behauptung, den Fußball ihrerseits nun von den falschen Rettern zu retten und nach Hause in die regulären Verbände zurückholen zu wollen. Es ist unklar, welche der beiden Seiten dem Fußball mehr schadet. Denn die UEFA, die sich nunmehr als moralische Instanz aufspielt, ist seit jeher als zutiefst korruptes Führungsgremium des europäischen Fußballs dafür bekannt, dass sie den Sport als Goldesel betrachtet und die Wettbewerbe immer weiter aufbläht – sei es auf der Ebene von Vereins- oder von Nationalmannschaften.

Dementsprechend gilt nun in der UEFA der Ausbruchsversuch der 12 europäischen Eliteklubs als Hochverrat, dem man mit harten Sanktionen entgegentreten will. Schon wird den Gründungsvereinen der neuen European Super League und ihren Spielern mit dem Ausschluss aus den nationalen Spielbetrieben gedroht. Denkbar ist auch, dass die Spieler nicht mehr für ihre Nationalmannschaften auflaufen dürfen. Insofern ist es gut möglich, dass dieser Ausbruchsversuch scheitert und die UEFA als vorläufige Siegerin vom Platz geht – bis zur nächsten Attacke. Bejubelt werden sollte der Verband aber keineswegs. Denn er selbst hat die Strukturen geschaffen, in denen sogar traditionsreiche und tief verwurzelte Vereine zu Gelddruckmaschinen mutierten und jede Verbindung zu ihrer eigentlichen Basis verloren gehen musste.

Das Problem ist nicht, dass Vereine darüber nachdenken, die alten Strukturen zu verlassen. Das Problem ist, dass sie selbst Produkte dieser Strukturen geworden sind und daher gar nicht auf die Idee kommen können, ihr Aufbegehren gemeinsam mit Anhängern und Fans zu gestalten. Dabei wäre genau das dringend nötig, um dann auch erfolgversprechende Revolten gegen die Kontinental- und Weltregierung des Planeten Fußball möglich zu machen. Fußball ist ein Geschäft, aber ein ganz spezielles: Es produziert und verkauft keine Ware, sondern Erlebnisse, aus denen Bindungen entstehen. Wenn dies nicht gelingt, lässt sich nichts verkaufen – erst recht nicht in Krisenzeiten. Hieraus resultiert die besondere Bedeutung der Fankultur für den Erfolg im Fußball-Business.

Solange das in den Verbänden nicht verstanden wird, bleibt die Lage für Fußballfans schwierig: Ihre unmittelbaren Gegenspieler sitzen in den eigenen Vereinen, gewissermaßen als koloniale Statthalter der großen Verbände, deren Ziel es ist, gesäuberte, zivilisierte und politisch korrekte Familienevents zu veranstalten, bei dem Millionäre vor zahlendem Publikum mit einem Ball spielen. Dieser Entwurzelung des Fußballs müssen wir Fans im eigenen Vereinsumfeld genauso die Zähne zeigen wie gegenüber den Verbänden, die sich als Verfechter der Fußballtradition aufspielen, in Wahrheit aber seit vielen Jahren die Seele des Sports verkaufen.

Hierbei sollten wir nicht den Fehler begehen und in tumben Fan-Traditionalismus verfallen. Früher war nicht alles besser, auch gerade auf dem Platz nicht. Gegen Modernisierung und auch gegen wirtschaftlichen Erfolg ist absolut nichts einzuwenden. Und gerade deswegen gilt hier, wie übrigens auch in der Politik: Ohne den „Pöbel“ auf den Stehplätzen geht auf die Dauer nichts, denn wir sind eben nicht nur Publikum, sondern weitaus mehr. In meiner Kurve würde das heißen: „WIR sind Eintracht Frankfurt!“

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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© Thomas Kießling, www.lichtrichtung.de

Matthias Heitmann (Jahrgang 1971) ist freier Journalist, Buchautor und Kabarettist. Von ihm sind u.a. erschienen: „Zeitgeisterjagd. Auf Safari durch das Dickicht des modernen politischen Denkens“ (2015), „Zeitgeisterjagd spezial: Essays gegen enges Denken“ (2017) und „Schöne Aussichten. Die Welt anders sehen“ (2019). Zudem geistert er als „Zeitgeisterjäger FreiHeitmann“ mit eigenen Soloprogrammen über Kleinkunst- und Kabarettbühnen. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de. Sein Podcast „FreiHeitmanns Befreiungsschlag“ erscheint regelmäßig auf www.reitschuster.de.

 

Bild: Csaba Peterdi/Shutterstock
Text: Gast

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