Die guten Vorsätze, keine Superlative zu gebrauchen, sind schwer einzuhalten: Die Hysterie in sozialen und traditionellen Medien darüber, dass Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer das Wort „Neger“ gebrauchte, ist rational nicht mehr nachvollziehbar. Es sind Szenen wie aus einer der finsteren Epochen der Geschichte, über die künftige Generationen – und hoffentlich bald auch noch unsere – nur den Kopf schütteln können. Das Theater erinnert an die britischen Komiker der Gruppe „Monty Python“. In deren Film „Das Leben des Brian“ wird ein alter Mann gesteinigt, weil er das Wort „Jehova“ gesagt haben soll. Genau so ergeht es jetzt Palmer, der seine Mitgliedschaft bei den Grünen aktuell ruhen lässt.
Besonders perfide: Liest man die Artikel in den großen Medien, allen voran der Frankfurter Allgemeine, die das ganze Hetz-Karussell in Fahrt gebracht hat, erfährt man in den meisten Fällen gar nicht, was der konkrete Auslöser des vermeintlichen Skandals war. Die Kollegen vermitteln beim Leser den Eindruck, Palmer habe sich rassistisch und antisemitisch geäußert. Dabei vermeiden die meisten Medien, das verbotene Wort auch nur in den Mund zu nehmen – wie in der Szene der britischen Komiker. Es ist stattdessen von einem „N-Wort“ die Rede.
Ich brauchte eine Weile, um das eigentliche Zitat, das zur Schnappatmung in der Blase führte, zu finden. Es ist eine Aussage, die ich jederzeit unterschreiben würde. Anbei in der Version der Bild-Zeitung, die sich zwar der Hysterie anschließt – aber wenigstens im Kleingedruckten den Auslöser bringt, wenn auch mit Zensur des Wortes „Neger“ – das man offensichtlich überhaupt nicht mehr aussprechen darf. Voilà:
„Palmer erklärte dazu wörtlich: „Wenn ich eine Person, die vor mir steht als N… bezeichne, ist das eine justiziable Beleidigung. (…) Wenn ich aber die Frage diskutiere, ob Astrid Lindgrens Roman in Zukunft Südseekönig oder N…könig schreiben soll, dann ist das eine vollkommen legitime Verwendung des Wortes N… (…) Ich lasse mich nicht aus der Verbindung des Wortes an sich als Rassist abstempeln.“
Nein, Sie haben sich nicht verlesen.
Das ist der Grund dafür, dass der polit-mediale Komplex hyperventiliert.
Wie es dazu kam?
Vor einer Migrationskonferenz vom Forschungszentrum „Globaler Islam“ und der Hertie-Stiftung demonstrierte eine kleine Gruppe Aktivisten. Ihr Vorwurf gegen die Veranstalter und Referenten: Rassismus, wie die „Bild“ berichtet. Weiter schreibt sie unter Zensur des Wortes „Neger“, das sie offenbar für unaussprechlich hält:
„Als Boris Palmer abends vor dem Gebäude eintraf, begegnete er einer Protestgruppe von ca. 20 Personen. Die Demonstranten konfrontierten den Oberbürgermeister Tübingens mit der Frage, ob er das N-Wort benutze. Palmer entgegnete: „Ja, ich benutze das Wort N…“ (Abkürzung durch die Redaktion).„
Im Saal wurde diese Diskussion dann aufgegriffen, die oben aufgeführte Aussage Palmers fiel.
Der Shitstorm begann noch vor Ort. „Der Moderator der Veranstaltung, sichtlich angefasst, verließ den Raum mit den Worten: „Herr Palmer, mit ihnen will ich nichts mehr zu tun haben“, schreibt die „Frankfurter Allgemeine“, die ihre Leser massiv in die Irre führt, indem sie das streitauslösende Zitat weglässt.
Hauptsache Distanzieren!
Umgehend begann die Distanzeritis. „Ich distanziere mich nachdrücklich von den Äußerungen von Boris Palmer“, schreibt Susanne Schröter vom Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam. Auch Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) fühlte sich berufen, Palmer zu tadeln: „Die Wortwahl und die Beiträge von Boris Palmer an der Universität Frankfurt sind indiskutabel. Derartige Provokationen leisten Spaltung, Ausgrenzung und Rassismus Vorschub. Sie schaden in einer Debatte, die mit Sensibilität und Ernsthaftigkeit zu führen ist“. Die Universität selbst distanzierte sich von Palmer und fordert eine Entschuldigung.
Auch der renommierte Migrations-Experte Ahmad Mansour meldete sich zu Wort, so „Bild“: „Er sprach sich klar GEGEN die Verwendung des N-Wortes aus, und mahnte, dass man Menschen damit verletzen könne. ‘Wir sollten aus Rücksicht auf viele Menschen das Wort vermeiden.‘“
So absurd eine Gleichsetzung mit dem Stalinismus mit seinen unsäglichen und in Deutschland oft verharmlosten Verbrechen wäre – gewisse grundsätzliche Denk- und Politikmuster, die wir hier gerade in Deutschland erleben, haben gemeinsame Wurzeln mit gewissen Denkmustern des Stalinismus.
Hier können Sie sich die entscheidenden Szenen selbst ansehen, um sich selbst ein Bild zu machen – in dem einen Fall ist leider auch die Palmer-Aussage bereits zensiert:
Deutschland 2023 – Migrationskonferenz an der @goetheuni und OB Boris Palmer wiederholt innerhalb von 45 Sekunden allein 5 Mal das rassistische N-Wort und erntet dafür lautstark Zustimmung und Beifall.
Eine Schande für den Bildungsstandort Deutschland! pic.twitter.com/IVfKxVZo1A
— Jasmina Kuhnke (@ebonyplusirony) April 28, 2023
Im Vorfeld einer Konferenz an der @goetheuni Frankfurt sagt #BorisPalmer einem Schwarzen Redner das N-Wort ins Gesicht. Anschließend zieht er einen Vergleich, der den Holocaust relativiert. Er durfte dennoch reden. pic.twitter.com/GukeSMFJsq
— Thomas Kaspar (@Bibliothomas) April 28, 2023
Palmers Vergleich mit dem Judenstern finde ich unpassend – doch daraus eine „Relativierung des Holocausts“ oder gar „Antisemitismus“ zu konstruieren, ist eine Instrumentalisierung der NS-Verbrechen und der Judenfeindlichkeit mit dem Ziel, Andersdenkende zu diffamieren. Es ist an Niedertracht kaum zu überbieten.
Aber leider ist diese Niedertracht heute Standard, wenn es darum geht, Kritiker des rot-grünen Zeitgeists zu diffamieren. Die Hohepriester und Ministranten der „woken“ Kulturrevolution sind sich offenbar sehr bewusst, dass sie nicht einmal ansatzweise eine Mehrheit in der Bevölkerung haben für ihren „Umbau“ der Gesellschaft. Umso mehr müssen sie mit Angst arbeiten und versuchen, die große Mehrheit durch Meinungsterror zum Schweigen zu bringen bzw. in diesem Schweigen festzuhalten.
Hier ist Psychologie gefordert
Ich wende mich immer gegen Pathologisierung in der Politik – also dagegen, politische Gegner für psychisch krank zu erklären, wie das im Kommunismus üblich war. Hier komme ich aber nicht umhin, ganz offen zu sagen: Ich fühle mich hier als Journalist mit meinem Latein am Ende und finde, nur noch ein Psychologe kann das, was wir hier erleben, einordnen und erklären.
Im Geschichtsunterricht habe ich immer wieder von Phasen in der Geschichte gehört, in denen die Hysterie herrschte. Die Hexenjagd im Mittelalter war eine solche Phase, andere kennen wir aus unserer jüngeren Geschichte. Wir sind ganz offensichtlich wieder in so eine Phase getreten.
PS: Ein Bekannter schrieb mir empört, wie ich es wage, Palmer zu verteidigen, wo er doch in der Corona-Zeit und vor allem in Sachen Impfung nicht nur stramm auf Linie war, sondern geradezu übereifrig. Das ist leider wahr. Manche seiner Aussagen, etwa seine Idee von Beugehaft für Ungeimpfte, waren schlicht gruselig. Aber sie haben mit dieser aktuellen Geschichte nichts zu tun. Hier in meinem Bericht geht es nicht um Boris Palmer oder darum, ihn zu verteidigen. Es geht um ideologischen Irrsinn und Hysterie, die sich einer Gesellschaft bemächtigt haben. Und ich denke, wenn wir das eine nicht von dem anderen trennen, drohen wir denen zu ähneln, die wir kritisieren.
Ausschreibung zur Fahndung durch die Polizei, Kontenkündigungen, Ausschluss aus der Bundespressekonferenz: Jeder, der kritisch berichtet, muss mit Psychoterror rechnen. Ich mache trotzdem weiter. Ich glaube, ich bin Ihnen das schuldig. Entscheidend fürs Weitermachen ist Ihre Unterstützung! Sie ist auch sehr, sehr motivierend – sie zeigt einem, dass man nicht allein ist und gibt einem Kraft! Ganz, ganz herzlichen Dank im Voraus!
Aktuell sind (wieder) Zuwendungen via Kreditkarte, Apple Pay etc. möglich – trotz der Paypal-Sperre: über diesen Link. Alternativ via Banküberweisung, IBAN: DE30 6805 1207 0000 3701 71. Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut.
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