Lockdown: Noch mal „ganz dolle draufhauen!“ Es kracht im Gebälk

Ein Gastbeitrag von Sönke Paulsen

„Ich lasse mir nicht anhängen, dass ich Kinder quäle oder Arbeitnehmerrechte missachte“, soll Merkel am 19.01.2021 auf der Ministerpräsidentenkonferenz gesagt haben. Das ist nicht der einzige Hinweis darauf, dass die Nerven blank liegen.

Im Vorfeld gab es allerlei Durchstiche an die Medien. Auch eine Diskussionsvorlage des Kanzleramtes mit zahlreichen Streichungen der Ministerpräsidenten.

Die Ministerpräsidenten luden außerdem in ihrer Vorbereitungsrunde die Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut nicht mehr ein. Priesemann hatte einen harten Lockdown mit Einschränkung der Bewegungsfreiheit auf 5 Kilometer in Hotspots gefordert und muss wohl sehr vehement geworden sein. Jedenfalls hatten sich die Ministerpräsidenten von ihr wie Kindergartenkinder behandelt gefühlt und dankend auf sie verzichtet.

Die Rede war auch von einer einseitigen Auswahl von Wissenschaftlern durch Merkel und dem Aufbau einer „Drohkulisse“, sogar der Vergleich mit einer „gelenkten Demokratie“ sei in der Runde gefallen!

Schon im Dezember hatte es Unstimmigkeiten mit Drosten gegeben, der in seinem Podcast wieder einen harten Lockdown gefordert hatte. „Die Botschaft der Wissenschaft“, warnt er, sei in den vergangenen Wochen „stark verwässert” worden. Die Politik habe sich „nicht mehr für die Wissenschaft entschieden“. Dies wurde Drosten als „Diktat der Wissenschaft“ ausgelegt, dem man sich nicht beugen wolle. Dennoch wurde danach die Verschärfung am 17.12.20 beschlossen. Die offensichtliche Wirkungslosigkeit dieser Maßnahmen kann jetzt zu den verschärften Auseinandersetzungen beigetragen haben.

Zumindest mögen sich die Ministerpräsidenten nicht mehr mit Parolen wie der von Melanie Brinkmann (Virologin) zufriedengeben, die kürzlich in den Medien äußerte, man müsse nun noch mal „ganz dolle draufhauen“, damit die Maßnahmen wirken können. Das klingt auch schon recht unqualifiziert und erinnert an die Sprache Drostens, der gern als Sprecher des SARS-CoV2-Virus auftritt: „Das Virus erzwingt einen Lockdown, es verhandelt nicht.“ Wie kommt Drosten darauf? Hat das Virus ihm das gesagt? Dabei bedient er sich einer Sprache, die zumindest zwiespältig ist. In Bezug auf Quarantäne spricht er von „wegisolieren“, eine Mischung aus isolieren und wegsperren. Letzteres war ja für Quarantäneverweigerer gerade im Gespräch.

Nun ist bekannt, dass Naturwissenschaftler häufig autoritär geprägt sind und gewohnt, den „diktatorischen Gesetzen der Natur“ zu folgen. Auch Merkel ist Naturwissenschaftlerin. Menschliche Gemeinschaften aber, außerhalb von Labor und Experiment, haben so etwas entwickelt wie Kommunikation auf Augenhöhe, die eben nicht autoritär sein und demokratischen Ansprüchen genügen sollte. Das passt einigen dieser Hardcore-Wissenschaftler nicht.

Wenn dann der Erfolg der dringend vorgeschlagenen Restriktionen ausbleibt, gibt es eben doch Unmut in der Politik.
Verärgert war man, wie gesagt, auch über Merkels Auswahl der Wissenschaftler.

Mit dem Virus ‘auf Null‘ kommen

Sie habe verhindert, dass der Epidemiologe Klaus Stöhr zur Beratung hinzugezogen wird. Stöhr pocht auf mehr Eigenverantwortung bei den Bürgern, hält FFP2-Masken für sinnvoll, aber eine Verschärfung des Lockdowns für kontraproduktiv und wenig wirksam. Er plädiert dafür, dass die Menschen nicht nur bevormundet, sondern auch gedanklich und inhaltlich überzeugt werden müssten. Daran mangelt es seiner Meinung nach. Er könne auch nicht sehen, wie man die ehrgeizigen Ziele, mit dem Virus „auf Null“ zu kommen, jemals erreichen solle. Auch die europäischen Nachbarländer hätten mit ihren drastischen Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg.

Klaus Stöhr ist der Kanzlerin offensichtlich nicht autoritär genug, weshalb sie eher auf Wissenschaftler wie Christian Drosten, Melanie Brinkmann und Viola Priesemann setzt. Das trifft den Geschmack der Ministerpräsidenten, insbesondere der SPD-regierten Länder, ganz und gar nicht mehr.
Noch ein Wort zum ewigen Jammerlappen Lothar Wieler, der nun auf jeder Pressekonferenz des RKI darüber klagt, wie wenig sich die Bürger an die Corona-Regeln halten würden. Er habe das so im Internet gesehen.

Herrn Wieler müsste man endlich einmal erklären, dass wir eine Gesellschaft sind und keine Armee. Wenn das RKI Befehle herausgibt, können wir diese nicht im absoluten Gehorsam umsetzen.

Linksschritt Marsch

Warum nicht? Im Unterschied zu einer Armee haben wir diverse und hochdifferenzierte gesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen, die eine Gleichrichtung des Verhaltens (Linksschritt Marsch) geradezu ausschließen. Autoritäres Denken ist eben leider nicht sehr komplex, und daran scheitern die politischen und wissenschaftlichen Akteure, die das Heft in der Hand haben, derzeit krachend.

Differenzierte Vernunft wäre in der Pandemie eben doch besser als autoritärer Zwang.

Wie gesagt, es kracht im Gebälk und die Ergebnisse der gestrigen elfstündigen Verhandlungen spiegeln das wider.

Die Kontaktregeln werden nicht verschärft, es wird keine weiteren Einschränkungen der Bewegungsradien geben, der Lockdown wird verlängert aber nicht ausgeweitet und die FFP2-Masken kommen stärker als zuvor zum Einsatz.

Viele Ministerpräsidenten spielen eben nicht mehr so gerne mit der Kanzlerin. Sie ist zu rechthaberisch und zu autoritär.

Die Kanzlerin steht am Ende, wie in ihrer Europapolitik, dann doch allein da und fühlt sich, wie das anfängliche Zitat zeigt, sogar gemobbt.

Gastbeiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine. Ich schätze meine Leser als erwachsene Menschen und will ihnen unterschiedliche Blickwinkel bieten, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können.

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Sönke Paulsen ist freier Blogger und Publizist. Er schreibt auch in seiner eigenen Zeitschrift „Heralt“.

Bild: Sergey Chayko/Shutterstock
Text: Gast

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