Steinmeier holt Haltungsjournalisten ins Schloss Bellevue Süddeutsche und ZEIT liefern Personal für Agenda des Bundespräsidenten

Von Alexander Wallasch

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat für brave Gefolgsleute noch mehr in der Wundertüte als nur Bundesverdienstkreuze. Mit neu hinzugewonnener Amtszeit beglückt der sozialdemokratische Spalter aus Bellevue jetzt jene an seiner Seite mit hochdotierten Jobs, die ihm und der Bundesregierung in den vergangenen Jahren so fleißig angereicht haben.

Das ist zweifellos die Kür für die Auserwählten. Die Metamorphose hin zum ideologischen Lautsprecher kommentierte beispielsweise der Spiegel gerade ganz neidlos so: „Zudem kommen nach Spiegel-Informationen zwei Topjournalisten an Bord.“

Nein, niemand vom Spiegel. Dafür darf Cerstin Gammelin von der Süddeutschen Zeitung als Sprecherin zu Steinmeier. Ihre Vorgängerin im Amt, Anna Engelke, muss aber auch keine Tränen vergießen: es geht nahtlos zurück zum NDR.

Der Spiegel titelt dazu „Steinmeiers Personalrochade“ und merkt nicht einmal, wie entlarvend diese gequirlte Scharade eigentlich ist, wenn Politik, private und öffentlich-rechtliche Medien hier ihr gemeinsames Personalkarussell anschieben und der Bürger in diesem Beritt wieder nur der Esel ist.

Journalistische Personalie Nummer zwei ist Marc Brost, der war bis hierher Leiter des Hauptstadtbüros der ZEIT. Und der twitterte gerade mit präsidial belegter Stimme:

„In eigener Sache: #Bundespräsident #Steinmeier hat mich gebeten, in der zweiten Amtszeit für ihn zu arbeiten. Ich werde Reden schreiben und mich um Strategie und politische Planung kümmern. Es ist eine Aufgabe, vor der ich großen Respekt habe. Und ich freue mich sehr.“

Wie komfortabel: Der brave Journalist wechselt lediglich den Ort seines Schreibtisches, nicht die Tätigkeit, denn bei der ZEIT hatte Brost schon regelmäßig für die Regierung abgelegt.

Beispiele gefällig?

Zuletzt lieferte Brost via Podcast passend zu Steinmeiers Verunglimpfung der Corona-Maßnahmenkritiker das kakophone Grundrauschen, als er irgendwo zwischen Süffisanz und Unerträglichkeit aus dem Off fragte:

„In Betäubungsmittel getränkte Masken? In der Pandemie gehen die seltsamsten Gerüchte um. Nicht nur Querdenker glauben dran. Woran liegt’s? Und wie gefährlich ist das?“

Auch war Marc Brost 2019 Drehbuchautor des Doku-Dramas „Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge“. Damals schrieb der Journalist dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier eine schnell zu lernende Sprechrolle eines rührenden Dialogs mit Angela Merkel ins Gesangsbuch:

„Angela!“

„Guten Abend, Frank! Ich rufe wegen Ungarn an.“

„Ja, das dachte ich mir … schwierige Situation.“

„Schwierig ja, aber eindeutig: Wir können Österreich nicht alleine lassen. Ich habe gerade mit Faymann telefoniert. Es ist natürlich selbstverständlich, dass wir Österreich helfen, das ist alternativlos.“

Schauen wir noch nach, was die Morgengaben von Cerstin Gammelin gewesen sein könnten. Jedenfalls interviewte die Journalistin Steinmeier Mitte April 2019, das Interview fand den Weg auf die Seite des Bundespräsidenten.

Gammelin stellte damals so verdammt kritische Fragen wie diese hier: „Was würden Sie selbst auf die Fahne einer europäischen Bewegung schreiben?“ Antwort Steinmeier: „’Begegnung‘ (…) – ist das nicht der richtige Zeitpunkt, für mehr Jugendliche Begegnungen und Erfahrungen möglich zu machen, die bleiben?“ Wie nett.

Und das twitterte Gammelin anlässlich ihrer Ernennung:

„In eigener Sache: #Bundespräsident #Steinmeier hat mich gebeten, in der zweiten Amtszeit für ihn zu sprechen. Eine große Aufgabe, jetzt auf der anderen Seite für Demokratie unterwegs zu sein. Ich freue mich sehr.“

Das ist schon spaßig von Gammelin, hier suggerieren zu wollen, sie hätte als Vertreterin der sogenannten Vierten Gewalt schon einmal auf irgendeiner kontrollierenden, gegenüberliegenden Seite des Grabens gearbeitet. Die Wahrheit ist doch die, dass hier die stete Annäherung den vollendeten Akt in Übereinkunft erklärt.


Frisch in Erinnerung ist vielen noch die aalglatte Metamorphose von Steffen Seibert. Der war Fernsehjournalist bei den Öffentlich-Rechtlichen und anschließend über elf Jahre lang Regierungssprecher von Angela Merkel. Er führte vor, dass man sich durchaus noch ein weiteres Mal häuten kann: In den letzten beiden Jahren seiner Tätigkeit versteinerte und erstarrte er regelrecht bei Gegenwind, legendär hier das Aufeinandertreffen mit Boris Reitschuster in der Bundespressekonferenz.

Jetzt ist es grundsätzlich gar nicht anrüchig, die Seiten zu wechseln, schließlich befinden wir uns nicht im Krieg. Tragisch wird es nur, wo Politik, Medien und öffentlich-rechtlicher Rundfunk besagte Personalrochaden vollziehen und der Bauer auf dem Brett von vornherein weiß, dass man bei einer Rochade niemals die Farbe wechseln kann, man verschiebt nur seine Position – das Ziel bleibt dasselbe: den Gegner matt zu setzen, zu vernichten.

Der Bundespräsident möchte mit diesen Personalien noch politischer werden. Und wer wäre dafür besser geeignet in seinem engsten Umfeld als Journalisten mit der passenden „Haltung“? Wieder der Spiegel spricht von einem „großen Umbruch“ im Schloss Bellevue.

Genauer betrachtet, ist es aber etwas ganz anderes: Nämlich eine Verstärkung der politischen Position und der medialen Präsenz des Amtsinhabers. Denn Steinmeier sieht nach Ausscheiden des Alphatiers Merkel seine Stunde gekommen. Und Scholz lässt ihn gerne gewähren. Der Bundespräsident profitiert von der Schwäche des Bundeskanzlers.

Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben immer die Meinung des Autors wieder, nicht meine.

Alexander Wallasch ist gebürtiger Braunschweiger. Er schrieb schon früh und regelmäßig Kolumnen für Szene-Magazine. Wallasch war 14 Jahre als Texter für eine Agentur für Automotive tätig – zuletzt u. a. als Cheftexter für ein Volkswagen-Magazin. Über „Deutscher Sohn“, den Afghanistan-Heimkehrerroman von Alexander Wallasch (mit Ingo Niermann), schrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: „Das Ergebnis ist eine streng gefügte Prosa, die das kosmopolitische Erbe der Klassik neu durchdenkt. Ein glasklarer Antihysterisierungsroman, unterwegs im deutschen Verdrängten.“

Bild: Golden Brown/Shutterstock
Text: wal

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