Filz-Vorwürfe gegen Faeser: Stellen ohne Ausschreibung vergeben? Beamte fühlen sich übergangen

Von Kai Rebmann

Nancy Faeser probt seit Monaten den Spagat zwischen Berlin und Wiesbaden. Hier als Bundesinnenministerin, dort als Spitzenkandidatin ihrer SPD für die am 8. Oktober 2023 anstehende Hessen-Wahl.

Auf der Zielgeraden droht der „doppelten Nancy“ nun beides um die Ohren zu fliegen: In den Umfragen liegen die Sozialdemokraten meilenweit hinter der CDU und könnten im schlechtesten Fall sogar auf den 4. Platz hinter AfD und Grünen abrutschen. Und zu den schwerwiegenden Vorwürfen rund um die Entlassung von Ex-BSI-Chef Arne Schönbohm gesellt sich jetzt zu allem Überfluss auch noch ein Filz-Verdacht im BMI.

Im Haus von Nancy Faeser, so will die „Bild“ von Beamten erfahren haben, sollen hoch dotierte Stellen ohne das übliche Ausschreibungsverfahren vergeben worden sein. Die Rede ist von insgesamt acht Fällen, in denen offene Posten freihändig vergeben worden sein sollen, im Zweifelsfall gerne auch an parteinahe Beamte.

Ganz neu sind die Vorwürfe freilich nicht. Bereits im Mai 2023 musste der Parlamentarische Staatssekretär Johann Saathoff (SPD) einräumen: „Im BMI erfolgte in acht besonderen Einzelfällen aus Gründen der Personalplanung und des Personaleinsatzes die Besetzung ohne Ausschreibung, davon in vier Fällen auf Ebene der Unterabteilungsleitung (Besoldungsgruppe B6), in drei Fällen auf Ebene der Referatsleitung (A15) und in einem Fall auf Referentenebene (A14).“

Einzelfälle oder übliche Ampel-Praxis?

Diese Wortwahl – „in acht besonderen Einzelfällen“ – wurde zwar wohlüberlegt getroffen, ist aber natürlich in sich schon widersprüchlich. Tatsächlich erlaubt die „Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten“ eine Stellenbesetzung auch ohne Ausschreibung. Dies jedoch ausdrücklich nur in „begründeten Einzelfällen“.

Gleich acht (!) „besondere Einzelfälle“? Und das innerhalb von nicht einmal zwei Jahren seit Amtsantritt der Ampel? Kein Wunder, dass das nicht nur bei der Opposition Fragen aufwirft, sondern auch von langgedienten Beamten kritisch beäugt wird.

Vor diesem Hintergrund muss dann auch das Dementi aus dem Innenministerium betrachtet werden. Ein Sprecher sagte dem „Merkur“: „Die Aussage der Bild-Zeitung, das BMI habe acht Stellen rechtswidrig besetzt, ist falsch. Diese Aussage hat weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage. Wir weisen diese falsche Aussage ausdrücklich zurück. Alle Stellen wurden rechtmäßig besetzt.“

Wie gesagt, das mag grundsätzlich stimmen, solange es sich um gut begründete „Einzelfälle“ handelt. Nicht unbedingt besser macht es der Hinweis, der in den Augen des BMI-Sprechers wohl zur zusätzlichen Rechtfertigung dienen sollte, sich aber auch ganz anders interpretieren lässt: „Von diesen Vorschriften wurde in der gleichen Weise, wie dies auch in anderen Ministerien üblich ist, in wenigen Fällen Gebrauch gemacht.“

Die Stellenvergabe ohne Ausschreibung innerhalb der Bundesministerien ist für die Ampel also „üblich“? Ohne sie namentlich zu nennen, bezog sich der Sprecher dabei wohl insbesondere auf Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die sich in der Vergangenheit bereits ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt sahen.

Welche Rolle spielt Sven Hüber?

Besonders brisant: Neben der Fachabteilung für Digitalisierung soll von der freihändigen Stellenvergabe dem Bericht zufolge insbesondere auch jene für Migration betroffen sein. Das ist vor allem deshalb interessant, weil Sven Hüber als einer der engsten Vertrauten von Nancy Faeser gilt.

Der ausgewiesene Duz-Freund der Innenministerin ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und gleichzeitig Chef des Hauptpersonalrats der Bundespolizei.

Insbesondere die erstgenannte Position verpflichtet Hüber eigentlich dazu, sich vor allem für die Interessen und Forderungen der Polizisten in diesem Land einzusetzen. Außerdem ist die Bundespolizei unter anderem für die Sicherung der deutschen Grenzen zuständig. Diese gleichen aber – sehr zum Leidwesen der Beamten und auf Betreiben der Bundesinnenministerin – seit Jahren eher einem Schweizer Käse denn einem Bollwerk gegen illegale Migration.

Tatkräftige Unterstützung erfährt Nancy Faeser bei diesem Kurs immer wieder durch Sven Hüber. Der GdP-Vize bezeichnete Forderungen nach strikteren Grenzkontrollen, wie sie etwa in Bayern stattfinden, unter anderem als „blanke Volksverdummung“, „politisches Wahlkampffeuerwerk“ oder „Polit-Placebo“.

Ausgerechnet Hüber! Vor der Wiedervereinigung diente Faesers heutiger „Mann fürs Grobe“ beim DDR-Grenzschutz und bildete in den 1980er-Jahren unter anderem Grenzsoldaten aus. Chris Gueffroy, der letzte dokumentierte Mauer-Tote, fiel 1989 in jenem Mauerabschnitt, in dem auch Hüber verantwortlich gedient hatte.

Das Landgericht Berlin bescheinigte Hüber in einem Urteil, in dem es um die Frage nach dessen möglicher Mitverantwortung am Tod von Chris Gueffroy ging, dass dem Kläger [Hüber] zwar nicht direkt etwas vorzuwerfen sei, dieser aber „als Angehöriger des Führungsstabs eines Grenzregiments das System der ‚Grenzsicherung‘ gestützt und dazu beigetragen (hat), dass es funktionierte“.

Doch damit noch nicht genug: Im Rahmen seiner Diplom-Arbeit bezeichnete Sven Hüber den Bundesgrenzschutz als „Instrument imperialistischer Macht- und Herrschaftssicherung“ – also eben jene Institution, die heute Bundespolizei heißt und deren Hauptpersonalratschef Hüber ist.

Unter Beschuss – aber umso wichtiger ist Ihre Unterstützung!  

„Verschwörungsideologe“, „Nazi“ oder „rechter Hetzer“: Als kritischer Journalist muss man sich heute ständig mit Schmutz bewerfen lassen. Besonders aktive dabei: die öffentlich-rechtlichen Sender. Der ARD-Chef-Faktenfinder Gensing verklagte mich schon 2019, der Böhmermann-Sender ZDF verleumdete mich erst kürzlich als „Verbreiter von Verschwörungserzählungen“ – ohne einen einzigen Beleg zu benennen, und in einem Beitrag voller Lügen. Springer-Journalist Garbor Steingardt verleumdete mich im „Focus“, für den ich 16 Jahre lang arbeitete, als „Mitglied einer Armee von Zinn­soldaten“ und einer „medialen Kampf­maschine“ der AfD. Auf Initiative des „Westdeutschen Rundfunks“ wurde ich sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Wehrt man sich juristisch, bleibt man auf den Kosten in der Regel selbst sitzen. Umso wichtiger ist Ihre Unterstützung. Auch moralisch. Sie spornt an, weiter zu machen, und nicht aufzugeben. Ich danke Ihnen ganz herzlich dafür, dass Sie mir mit Ihrem Beitrag meine Arbeit ermöglichen – ohne Zwangsgebühren und Steuergelder.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.

Bild: Foto-berlin.net/Shutterstock

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