Von Kai Rebmann
Floridas Gouverneur Ron DeSantis (Republikaner) wird in den USA als aussichtsreicher Kandidat für die nächste Präsidentschaftswahl gehandelt. Zu den wichtigsten Themen im demnächst beginnenden Wahlkampf dürfte dabei auch die Einwanderungspolitik der Biden-Administration gehören. Die Südstaaten sehen sich mit dem Migrationsdruck aus Mittel- und Südamerika zunehmend überfordert und klagen schon seit langem über die aus ihrer Sicht mangelhafte Unterstützung aus Washington. Neben zu geringen Finanzmitteln prangern Politiker wie DeSantis oder sein texanischer Parteifreund und Amtskollege Greg Abbott vor allem das mangelnde Verständnis der von Demokraten regierten Bundesstaaten an, die häufig im Norden des Landes liegen. Abbott hat daher seit dem Frühjahr bereits mehrere Busfahrten organisiert, um Migranten aus Texas in Städte wie Chicago, New York oder zum Amtssitz von Vizepräsidenten Kamala Harris nach Washington zu schicken. Berichten aus den USA zufolge sollen auf diese Weise bisher rund 10.000 Migranten über das ganze Land verteilt worden sein.
Zur Begründung erklärte Abbott: „Unsere selbsternannte Grenzzarin, Vizepräsidentin Kamala Harris, hat noch nicht einmal die Grenze besucht, um sich die Auswirkungen der Politik der offenen Grenzen, an deren Umsetzung sie mitgewirkt hat, aus erster Hand anzusehen. Dennoch behauptet sie, die Grenze sei ‚sicher‘. Texas wird auch weiterhin Migranten in Städte wie Washington schicken, bis Präsident Biden und Grenzzarin Harris aufstehen, ihre Arbeit machen und endlich die Grenze sichern.“ Jetzt ist Ron DeSantis dem Beispiel aus Texas gefolgt und hat in der vergangenen Woche in einer aufsehenerregenden Aktion insgesamt 48 Migranten nach Martha’s Vineyard ausgeflogen. Die vor allem bei Reichen sehr beliebte Ferieninsel liegt vor der Küste Massachusetts und kann damit sozusagen als das Sylt der USA bezeichnet werden.
DeSantis fordert gleichmäßigere Verteilung der Belastung
Bei den Migranten handelte es sich in der überwiegenden Mehrheit um Venezolaner, die erst wenige Tage zuvor nach Texas eingereist waren. Nach US-Recht muss dabei zwischen Flüchtlingen und Asylanten unterschieden werden. Erstere stellen ihren Antrag im Ausland und werden dann in das nationale Flüchtlingsprogramm aufgenommen oder auch nicht. Letztere, und dazu gehören die 48 Südamerikaner, reisen in die USA ein und stellen im Inland einen Asylantrag. Von Texas aus ging es für die Migranten zunächst in ein Hotel nach Florida, wo sie jedoch nur zwei Tage lang bleiben sollten. Schließlich ordnete DeSantis am vergangenen Mittwoch den Weiterflug nach Martha’s Vineyard an, wo sie Medienberichten zufolge gegen 15 Uhr Ortszeit gelandet sind. Die Einwohner und Behörden vor Ort zeigten sich überrascht über die gleichermaßen unerwarteten wie auch ungebetenen Gäste.
Der Demokrat Julian Cyr vertritt Martha’s Vineyard im Senat von Massachusetts und teilte gegenüber CNN mit: „Soweit ich weiß, gab es im Vorfeld keinerlei Benachrichtigung an irgendjemanden auf Martha’s Vineyard oder in Massachusetts, dass diese Einwanderer kommen würden.“ Die Migranten seien in weißen Lieferwagen abgeholt und an verschiedenen Orten auf der Insel erstversorgt worden, wie Cyr weiter erklärte. Auch die Demokraten in Florida kritisierten den Gouverneur für sein Vorgehen scharf. Der dortige Parteichef Manny Diaz sprach davon, dass dies selbst für Ron DeSantis „ein neuer Tiefpunkt“ sei und warf ihm vor: „Es gibt nichts, was DeSantis nicht tun würde, und niemanden, den er nicht verletzen würde, um politische Punkte zu sammeln.“
Der Kritisierte verteidigte den ungewöhnlichen Schritt dagegen: „Die Belastung sollte gleichmäßig auf alle Städte und Gemeinden in Amerika verteilt werden. Es kann nicht sein, dass alles an einer Handvoll roter Staaten im Süden hängen bleibt.“ Auf einer parteiinternen Veranstaltung der Republikaner äußerte sich DeSantis dann weniger diplomatisch und sprach davon, dass er mit dieser Aktion den Jackpot geknackt habe. Damit spielte er auf die Tatsache an, dass es ihm gelungen ist, den Demokraten genau das zu liefern, wonach diese immer lauthals rufen. Die Einwanderungspolitik der Biden-Administration bezeichnete DeSantis angesichts der katastrophalen Zustände an den Grenzübergängen von Mexiko in die USA als gescheitert.
Stimmung auf Martha’s Vineyard schlägt binnen weniger Tage um
In den ersten Stunden und Tagen nach ihrer Ankunft im Ferienparadies sei den Lateinamerikanern noch eine große Welle der Hilfsbereitschaft entgegengeschlagen, so der Tenor in den US-Medien am Donnerstag und Freitag. Dylan Fernandes, ein Sprecher der Regierung von Massachusetts, twitterte stolz: „Unsere Insel hat gehandelt, indem sie 50 Betten bereitstellte, allen etwas zu essen gab, einen Spielplatz für die Kinder zur Verfügung stellte, die medizinische Versorgung der Menschen garantierte und ihnen jede Unterstützung zukommen ließ, die sie brauchten.“ Einige Restaurants sollen kostenloses Essen angeboten haben und in mehreren Kirchen, etwa der Gemeinde San Andrés, seien provisorische Schlafplätze eingerichtet worden, wie es weiter hieß.
Als sich dann aber herausgestellt hatte, dass die Migranten sich keinesfalls nur auf der Durchreise sahen, sondern von einem dauerhaften Aufenthalt ausgingen, begann die Stimmung umzuschlagen. James Hagerty, der Ortsvorsteher von Edgartown, berichtete CNN von diversen Gesprächen mit den Venezolanern. Demnach sei diesen vor ihrer Abreise aus Florida gesagt worden, dass man ihnen auf Matha’s Vineyard Arbeit und Wohnraum anbieten werde. Ebenso hätten viele von ihnen Flyer bei sich gehabt, auf denen ihnen Anlaufstellen genannt wurden, an die sie sich nach ihrer Ankunft wenden können.
Langsam dämmerte es also auch den Demokraten, die ansonsten immer so laut nach mehr Diversität rufen, dass die Migranten nicht nur einige schöne Tage am Strand erleben wollten. Vielmehr waren sie gekommen, um zu bleiben. Was also tun? Ganz einfach – einen Hilferuf nach Boston schicken. In der Hauptstadt des Bundesstaats reagierte man umgehend und ließ die Asylanten abholen und in ein nahegelegenes Camp des US-Militärs bringen, wo sie bis auf Weiteres in Sammelunterkünften untergebracht wurden.
Über diesen Schritt sowie die Reaktionen der Einwohner auf Martha’s Vineyard finden sich in den US-Medien dann schon deutlich weniger Berichte, aber es gibt sie. Laut Fox News seien die Migranten unter dem „Jubel und Klatschen der ‚woken‘ Einwohner“ vom Militär von der Insel eskortiert worden. Die Aktion von Ron DeSantis mag umstritten sein, dennoch hat er damit den Finger tief in die Wunde jener gelegt, die nach immer mehr Zuwanderung schreien. Wer in New York, Washington oder auf Martha’s Vineyard lebt, und damit weit weg von den Hotspots in den Südstaaten, für den ist es ein Leichtes, den Gutmenschen heraushängen zu lassen. Ron DeSantis und Greg Abbott haben unterdessen angekündigt, auch weiterhin vollbesetzte Busse und Flieger in Richtung Norden zu schicken.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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