Von Kai Rebmann
Wann wurde bei internationalen Fußball-Turnieren Geschichte geschrieben? Aus deutscher Sicht wären bei dieser Frage an erster Stelle wohl das „Wunder von Bern“ (WM 1954), das „Wembley-Tor“ (WM 1966), das „Jahrhundert-Spiel“ (WM 1970) oder aber das 7:1 gegen Gastgeber Brasilien bei der WM 2014 zu nennen.
Jetzt wurde offenbar auch bei der Frauenfußball-WM „Geschichte geschrieben“ – so versucht es zumindest die „Welt“ ihren Lesern zu vermitteln. Das Springer-Blatt führt dazu aus: „Als erste Fußball-Spielerin bei einem WM-Turnier der Frauen ist Marokkos Verteidigerin Nouhaila Benzina (25) im Spiel gegen Südkorea am Sonntag mit einem Hidschab auf dem Kopf aufgelaufen.“
Anspruch passt nicht zur Wirklichkeit
Um es vorwegzunehmen: Ja, Frauen sollen Fußball spielen, gerne auch auf professioneller Ebene. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieser Sport niemals den Stellenwert des von Männern betriebenen Pendants erreichen wird. Daran werden auch ständige Forderungen nach gleicher Bezahlung oder die mediale Inszenierung der Endrunde in Down Under nichts ändern.
Tatsache ist und bleibt, dass Frauenfußball auf wirklichem Profi-Niveau auch heute noch eher die Ausnahme als die Regel darstellt. Ob die FIFA sich selbst und dem Frauenfußball einen großen Gefallen damit getan hat, die WM auf 32 Teilnehmer aufzublähen, erscheint zumindest fraglich. Die Leistungsunterschiede sind teilweise doch exorbitant und – seien wir ehrlich – wer will unter dem Vorzeichen einer Weltmeisterschaft schon Duelle wie Sambia gegen Costa Rica sehen?
Aber zurück zum WM-Teilnehmer Marokko und der offenbar historischen Hidschab-Trägerin Nouhaila Benzina. Die Älteren werden sich eventuell an einen gewissen Jens Martin Knudsen erinnern. Der Torwart, im Hauptberuf Lehrer, pflegte seine Arbeit zwischen den Pfosten der Nationalmannschaft der Färöer zu Beginn der 1990er-Jahre mit einer Pudelmütze auf dem Kopf zu verrichten – bis ihm sein Trainer Allan Simonsen dieses liebgewonnene Ritual „aus Imagegründen“ eines Tages verboten hat.
Olympia 2024: Fußball mit Kippa auf dem Haupt?
Und was vor gut 30 Jahren galt, hat auch heute noch Bestand – auch wenn die „Welt“ einen anderen Eindruck erwecken will und dazu Marokkos Kapitänin Ghizlane Chebbak zitiert: „Wir haben das Gefühl, dass wir eine große Verantwortung übernehmen müssen, um ein gutes Image zu vermitteln und die Erfolge zu zeigen, die die marokkanische Fußball-Mannschaft durch die Qualifikation für die Weltmeisterschaft erzielt hat.“
Das Gegenteil ist der Fall! Der Eindruck, der angesichts solcher Bilder entsteht, wie sie das Spiel von Marokkos Fußball-Frauen gegen Südkorea geliefert haben, ähnelt jenem, den Jens Martin Knudsen einst vermittelt hat. Wohl aus guten Gründen hatten sich die allmächtigen Fußballverbände – namentlich FIFA und UEFA – bis vor nicht allzu langer Zeit ausdrücklich dagegen verwahrt, sich und ihre Turniere für religiöse, ideologische oder wie auch immer geartete Motive abseits des Sports vereinnahmen zu lassen. Doch damit ist jetzt offenbar Schluss, wie schon die EM 2021 und WM 2022 in aller Deutlichkeit gezeigt haben.
Apropos Kopfbedeckungen und Fußball: Israel hat sich durchaus überraschend für Olympia 2024 in Paris qualifiziert – wohlgemerkt, die Auswahl der Herren. Wetten, dass wir unter dem Eiffelturm aber trotzdem keine Fußballer mit Kippa auf dem Haupt sehen werden? Allein dieser schlichte Vergleich zeigt die nach wie vor bestehenden Unterschiede auf, wenn es um Fußball und Frauenfußball geht.
Obwohl es durchaus spannend wäre, zu sehen, wie die Medien – und nicht zuletzt die FIFA bzw. das IOC – darauf reagieren würden, wenn bei den Olympischen Spielen plötzlich Fußballer jüdischen Glaubens mit einer entsprechenden Kopfbedeckung auflaufen würden.
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Kai Rebmann ist Publizist und Verleger. Er leitet einen Verlag und betreibt einen eigenen Blog.
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