Von reitschuster.de
Die Unabhängigkeit galt einst als eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Merkmal der Wissenschaft. Doch diese Zeiten scheinen vorbei – jedenfalls in Deutschland und zumindest wenn es um die Besetzung sogenannter Sachverständigenräte geht. Schon die Corona-Krise hat gezeigt: Kritik, oder auch nur vorsichtiges Hinterfragen in Bezug auf die von Bundes- und Landesregierungen betriebene Politik, war und ist den handverlesenen Experten fremd. Man könnte ja ausgetauscht werden – und wer will schon leichtfertig einen gut dotierten und von Steuergeldern alimentierten Posten aufs Spiel setzen?
Und weil es bei den Corona-Maßnahmen so gut geklappt hat, setzt die Ampel-Koalition auch bei ihrer Klima-Politik zum bereits bestens eingespielten Doppelpass mit der Wissenschaft an. Auch der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (SRU) gilt offiziell als unabhängig und soll Ratgeber der Regierung sein. Doch wer berät dabei eigentlich wen? Diese Frage erscheint nach der Vorstellung eines Gutachtens mit dem Titel „Politik in der Pflicht: Umweltfreundliches Verhalten erleichtern“ berechtigter und dringender denn je.
Verbote, Schuldgefühle und Grundrechte
Wer jetzt denkt, die Empfehlungen der Experten richteten sich nur an die Politik, der irrt sich. Und auch bei der Annahme, die Bürger sollten „nur“ mit dem erhobenen Zeigefinger für Umwelt- und Klimafragen sensibilisiert werden, handelt es sich um einen Trugschluss. Tatsächlich ist in dem Gutachten offen von neuen „Regulierungen“, sprich Verboten, der Erzeugung von Schuldgefühlen, der Einschränkung von Grundrechten oder dem Setzen von weiteren „Preissignalen“ die Rede.
In der Kurzfassung seines Werks schreibt der Sachverständigenrat: „Die Umweltkrisen unserer Zeit lassen sich nur bewältigen, wenn wir die Art und Weise verändern, wie wir leben – also wie wir wohnen, konsumieren, uns fortbewegen und ernähren.“ Bei Robert Habeck, dem Wärmepumpen-Minister der Herzen, müssen solche Sätze runterlaufen wie Öl. Oder bei Ricarda Lang, die die Deutschen – kein Witz! – zu einer gesünderen Ernährung erziehen will.
„Es ist die Aufgabe der Politik, durch entsprechende Weichenstellungen umweltfreundliches Verhalten zu erleichtern, anzureizen und auch einzufordern“, glauben die Experten und liefern der Politik dankenswerterweise auch gleich einige Praxistipps.
Beispiel Fleischkonsum: Es reicht dem Sachverständigenrat zufolge nicht aus, dafür zu sorgen, dass das Angebot der Fleischproduzenten zurückgeht, wenn gleichzeitig nicht auch die Nachfrage nach den entsprechenden Erzeugnissen sinkt. Die Folge wäre dann, dass mehr Fleisch aus dem Ausland importiert werden müsste, wo bei der Produktion gegebenenfalls niedrigere Umweltstandards gelten. Das ist beim Strom spätestens seit der Abschaltung der letzten deutschen AKWs zwar auch so – aber in diesem Fall scheint die Experten das komischerweise nicht zu jucken, jedenfalls wird es nicht erwähnt.
Eingriffe in den Alltag der Bürger
Die Antwort liegt laut Sachverständigenrat bei der Anpassung der sogenannten „Kontextbedingungen“. Diese müssten so verändert werden, „dass sie ökologische Lösungen erleichtern, sei es durch Preissignale, Infrastrukturen oder Regulierung.“
Solche galanten Formulierungen wie „Preissignale“ oder „Regulierungen“ werden offenbar aus gutem Grund gewählt. Denn auch die Experten wissen: „In manchen Bereichen ist es politisch umstritten, ob die Politik das Verhalten der Bevölkerung stärker beeinflussen sollte.“ Deshalb sei eine transparente Kommunikation „zu geplanten Maßnahmen und ihren Wirkungen“ notwendig.
Beispiel Wohnen und Heizen: Hier sieht die „Erleichterung“ von umweltfreundlichem Verhalten nach dem Willen des Sachverständigenrats so aus, dass auf der eigenen Stromrechnung auch Angaben zum jeweiligen Verbrauch der Nachbarn gemacht werden. Damit sollen bei „umweltschädlichem Verhalten Schuldgefühle“ ausgelöst werden. Spannend wird es sein, zu sehen, ob über den Stromverbrauch des Nachbarn auch dann informiert wird, wenn dieser höher liegt als bei einem selbst.
Wer jetzt auf Dinge wie Datenschutz oder Grundrechte verweist, hat die Experten unterschätzt. In dem Gutachten wird klargestellt, dass die Grundrechte „tendenziell stärkere Eingriffe in umweltschädigende Verhaltensweisen“ erlaubten, als „im politischen Diskurs allgemein angenommen“ werde, zitiert ein NZZ-Kommentar aus dem Dokument.
Systemtreue Bürger und Influencer als Regierungsbotschafter
Es wird aber noch besser: Bürger, die sich durch besonders umweltbewusstes Verhalten hervortun, dürfen mit Auszeichnungen etwa in Form von „Aufklebern oder T-Shirts mit entsprechenden Slogans“ rechnen. Mit diesen sollen die Träger in der Nachbarschaft dann auf Werbetour gehen und ein systemtreues Verhalten einfordern. Der Weg hin zur Denunziation von angeblichen oder tatsächlichen Umweltsäuen ist anschließend aber nur noch ein sehr kurzer, sobald das erstmal Schule gemacht hat. Gab es so etwas Ähnliches im östlichen Teil der heutigen Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahr 1989 nicht schon einmal?
Als Verschwörungstheorie galt es bisher auch, zu behaupten, dass die Indoktrination linksgrüner Ideologie bereits in den deutschen Schulen – oder noch früher – beginne. Doch tatsächlich empfehlen die komplett unabhängig arbeitenden Wissenschaftler in ihrem Gutachten die Zusammenarbeit von Behörden mit sogenannten „Influencer:innen“. Dadurch sollen auch und wohl vor allem Jugendliche besser erreicht, für das Thema sensibilisiert und – wie die gesamte Bevölkerung – auf „umweltpolitische Maßnahmen“ vorbereitet werden.
Zusammenfassung: Die Bevormundung der Bürger, die vom SRU als „Erleichterung von umweltfreundlichem Verhalten“ getarnt wird, soll auf drei Standbeinen fußen: Veränderung des Kontextes (oder der Alltagsbedingungen) durch Verbote („Regulierungen“) und/oder Steuern („Preissignale“), Entwicklung grundlegender Einflussfaktoren (siehe „Influencer:innen“) sowie „Unterstützung“ in akuten Entscheidungssituationen (siehe und vergleiche den Stromverbrauch des Nachbarn).
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