Ein Gastbeitrag von Klaus Kelle
Wer die politischen Entwicklungen in der Hauptstadt intensiv verfolgt, wer die gravierenden politischen und auch handwerklichen Fehler dieser Bundesregierung in den vergangenen Jahren – Migration, Atomkraft, Klimahysterie – verfolgt hat, der hat mit dieser Bundeskanzlerin und ihren Klatschkohorten schon lange abgeschlossen. So wie ich.
Und doch war der heutige Tag wirklich wieder atemberaubend in Berlin. Nachdem Angela Merkel in den Bund-Länder-Beratungen einen verschärften Oster-Lockdown durchgedrückt und einen Sturm der Empörung dafür geerntet hatte, überraschte sie in der kurzfristig einberaumten Videoschalte mit den Ministerpräsidenten nicht nur ihr Umfeld, sondern die Bevölkerung erneut. “Es war mein Fehler. Ich übernehme die volle Verantwortung”, sagte sie heute Morgen dort und man möchte sich mit der rechten Hand mehrfach aufs Ohr klopfen: Was hat sie gesagt? Angela Merkel, die ewige Kanzlerin, von den meisten Parteifunktionären über Jahre kritiklos bejubelt, gesteht einen Fehler ein? Sie zeigt Demut und entschuldigt sich?
CDU-Chef und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet assistierte sogleich: „Das müssen wir alle auf uns nehmen. Wir haben diesen Weg mitgetragen und nicht widersprochen.“ Und da hat er verdammt recht, denn es ist jetzt nicht die Zeit, allein auf Frau Merkel und ihr auch persönliches Versagen in der Krise herumzuhacken. Ja, die Ministerpräsidenten auch der CDU haben alle den Weg mitgetragen, den Irrweg, beim Impfen den Weg ins Nirwana und für die deutsche Wirtschaft den Weg vor die Wand. Ob oder wo wir Urlaub machen dürfen, ist da nur noch eine Randnotiz. Diese Leute haben versagt und sollten in den Ruhestand gehen – jetzt. Die übliche Floskel “wohlverdienten” mag ich nicht mehr dazu schreiben. Und wenn ich eben im Nachrichtenticker die Aussage von Ministerpräsident Daniel Günther lese, es sei “gut, Dinge auch mal zurückzunehmen”, dann denke ich spontan daran, ob das nicht auch für die Wahlentscheidung der Bürger in Schleswig-Holstein bei der vergangenen Landtagswahl gelten sollte.
Und von der Ministerriege im Kabinett Merkel will ich gar nicht anfangen. Sie wissen selber, wen ich meine. Heute haben FDP-Fraktionschef Christian Lindner und Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch die Bundeskanzlerin öffentlich aufgefordert, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. “Um die Handlungsfähigkeit der Regierung von Frau Merkel zu prüfen”, schrieb Lindner auf Twitter.
Wenig überraschend wies Frau Merkel diese Aufforderung postwendend zurück und sagte in einem ARD-«Brennpunkt» (toll, Kollegen, dass Ihr das fehlerfrei hinbekommen habt!): «Das ist nicht nötig. Das werde ich nicht tun.»
Die Grünen wollten sich der Forderung von FDP und Linken nicht anschließen, wer will schon vor der Wahl Zoff mit dem zukünftigen Koalitionspartner anfangen?
Und die AfD? Die hat Hochkonjunktur an einem Tag wie diesem. «Das Chaos ist perfekt. Gestern so, heute anders, niemand weiß mehr, was gilt», sagte Fraktionschefin Alice Weidel in Berlin. Merkel übernehme die Verantwortung, aber keiner wisse, wie diese Verantwortung aussehe.
In manchen Büros der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU brennt auch jetzt, am späten Abend, noch Licht (Foto: Paul-Löbe-Haus). Einige feilen an einem Plan und werben um Unterstützung in den eigenen Reihen für den Befreiungsschlag, der zumindest die CDU vor dem totalen Absturz in der Wählergunst bewahren könnte. Und dieser Plan heißt: Angela Merkel muss aus “Einsicht und staatspolitischer Verantwortung” jetzt in Würde zurücktreten und die Kommandobrücke für einen alten Fahrensmann freimachen, der für die nächsten Monate das Kanzleramt führt. Das könnte niemand anders sein als Wolfgang Schäuble. Und bei der Gelegenheit könnte auch das Elend im Bundeswirtschaftsministerium korrigiert werden – mit einem neuen Bundesminister Friedrich Merz. Zeit dafür wäre es. Wer dann später auf Dauer Kanzler werden will oder kann – das sehen wir später. Aber alles andere sollte jetzt schnell vollzogen werden.
Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Der gelernte Journalist ist jedoch kein Freund von Schubladen, sieht sich in manchen Themen eher als in der Wolle gefärbten Liberalen, dem vor allem die Unantastbarkeit der freien Meinungsäußerung und ein Zurückdrängen des Staates aus dem Alltag der Deutschen am Herzen liegt. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs. Dieser Beitrag ist auch auf seinem Internetportal „The Germanz“ erschienen.
Text: Gast