Herzlich willkommen im schönen, grünen „Neuen Deutschland“ NRW-Wahl zeigt: "Das bunt geschmückte Narrenschiff Utopia" hat abgelegt

Kurz vor dem Urnengang in Nordrhein-Westfalen hat FDP-Chef Christian Lindner die Landtagswahl als „Richtungswahl“ bezeichnet. Das hätte er rückwirkend wohl lieber lassen sollen. Denn wenn er bei seinem Wort bleibt – was bei dem Chef-Liberalen ja nicht unbedingt zu erwarten ist – dann wäre die Richtung für seine Partei klar: Sie ist im freien Fall. Ein Absturz von 12,6 auf 5,6 Prozent, also den Stimmenanteil mehr als halbiert, und den ganzen Wahlabend am Zittern um den Wiedereinzug ins Landesparlament – das ist für die mitregierenden Liberalen der Super-GAU. Es zeigt, dass immer mehr Wähler die Partei in der Ampelkoalition als Steigbügelhalter für grüne Politik wahrnehmen. Die FDP sollte sich gut überlegen, ob sie den Selbstzerstörungskurs ihres selbstherrlichen Vorsitzenden weiter mitgehen will. Doch die Widerstandskraft gegen dessen autoritären Führungsstil scheint gering – er hat die Partei völlig auf sich zugeschnitten.

Der zweite große Verlierer des Wahlabends ist die SPD mit ihrem historisch schlechtesten Ergebnis in ihrem einstigen Stammland. Insbesondere ist das Votum der Wähler eine Ohrfeige für Bundeskanzler Olaf Scholz. Der hatte den Wahlkampf auf sich zugeschnitten und etwa sein Konterfei breit plakatieren lassen. Dabei scheint er die Wählermeinung völlig falsch eingeschätzt zu haben – denn ganz offensichtlich ist er mehr Hypothek als Aktivposten für seine Partei. Eben wegen seines hohen Einsatzes muss sich Scholz nun auch die historische Niederlage anlasten.

Womit wir beim großen Gewinner des Abends wären: Den Grünen, die ihren Stimmenanteil fast verdreifacht haben und bei 18 Prozent lagen. Sie sind damit fast auf Tuchfühlung mit der SPD in ihrem Stammland. Natürlich spielt dabei auch eine Rolle, dass grüne Minister wie Annalena Baerbock und Robert Habeck eine weitaus bessere Figur machen als erwartet, wie selbst konservative Beobachter eingestehen. Angesichts von Pannen-Ministern wie Christine Lambrecht strahlt der Stern der grünen Kabinettsmitglieder umso heller. Die tiefere Ursache dürfte aber sein, dass die Bundesregierung grüne Politik macht. Was FDP-Wählern bitter aufstößt, da sie tendenziell die Partei gewählt haben, um genau solche grüne Politik zu verhindern. Auch den wenigen noch verblieben traditionellen SPD-Wählern ist grüne Politik nicht unbedingt geheuer; für den Rest ist die Versuchung groß, das grüne Original statt des roten Verschnitts zu wählen.Die Wahl in NRW wird die Zentrifugalkräfte innerhalb der Ampel, die ohnehin schon gewaltig sind, noch einmal erhöhen. Die spannendste Frage ist dabei, wie lange die FDP ihren Harakiri-Kurs beibehält und sehenden Auges Richtung Fünf-Prozent-Hürde sprintet.

Die CDU ist zwar Wahlsieger, was sowohl für Ministerpräsidenten Hendrik Wüst als auch für Parteichef Friedrich Merz ein Achtungserfolg ist. Aber: Wenn früher eine Regierungskoalition keine Mehrheit mehr bekam, sagte man: Die amtierende Regierung hat die Wahl verloren. Unabhängig von der Wählerwanderung innerhalb der Koalitionspartner. Die Adlaten der CDU in den Medien wie Ex-Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz reden denn auch phantasievoll und gegen jede Mathematik von einem „Wahlsieg“ und schreiben einen Regierungsauftrag für die CDU herbei, empören sich denn auch schon, dass bei der SPD an eine Ampel gedacht wird. Allein den Gedanken hält Reitz schon für undemokratisch. Was zumindest dahingehend eine gewisse Logik hat, da die FDP-Wähler ja eher einen Fortbestand der CDU-FDP-Regierung wollten, für den nun die Mehrheit fehlt, und nicht einen Richtungswechsel nach links. Andererseits muss man sagen, wer die FDP wählt, weiß, was er einkauft – Richtungswechsel inklusive.

Einziger wirklicher Sieger dieses Wahlabends sind die Grünen, an denen vorbei nun wohl kaum noch regiert werden kann in Düsseldorf. Und die auch in der Bundespolitik noch mehr Oberwasser erhalten werden. Mit nur 18 Prozent der Wählerstimmen (was bei einer Wahlbeteiligung von 55,7 Prozent gut zehn Prozent der Wahlberechtigten entspricht) haben sie die anderen Parteien praktisch in Geiselhaft genommen; bzw. diese haben sich nur allzu gerne in diese begeben. Das funktioniert aufgrund der Ausgrenzung der AFD, die eine Regierung ohne Beteiligung einer roten oder grünen Partei weitgehend unmöglich macht.

Gebührenfinanzierte Parallel-Realität

Der gebührenfinanzierte WDR, längst vom Rotfunk zum Grünfunk umlackiert, machte denn auch am Wahlabend keinerlei Hehl daraus, dass künftig die Grünen das Zepter in der Hand haben – nach WDR-Auffassung verdient, wo sie doch in Berlin so großartig regiert haben. Was auf den Bildschirm zu sehen war, kann in künftige Journalismus-Lehrbücher eingehen als Beispiel dafür, wie Journalisten selbst Partei werden. „Ist das ein Zeichen der Anerkennung für das Krisenhandeln der beiden Minister Habeck und Baerbock?“, so ein als Frage getarntes Framing einer ARD-Journalistin an Grünen-Chefin Ricarda Lang. Die GEZ-Journalistin trieb es noch weiter auf die Spitze: „Inwiefern werden Sie als Grüne ihre aktuelle neue Stärke nutzen, um ihre originär grünen Ideen noch weiter nach vorne zu bringen in der Ampel?“ Wie als Bestätigung, dass hier mit der Frage bereits alles gesagt sei, schaltete die Redaktion noch vor der Antwort wieder ins Studio nach Düsseldorf.

Herzlich willkommen im schönen, grünen „Neuen Deutschland“. Wo Journalisten so fragen, dass die Regierung – verzeihen Sie mir das Meiden des Gender-Worts „Regierende“ – nicht einmal mehr antworten muss. „Bleiben wir auf dem Boden trockener, spröder, notfalls langweiliger, bürgerlicher Vernunft und ihren Tugenden oder steigen wir in das bunt geschmückte Narrenschiff ‹Utopia› ein, in dem dann ein Grüner und ein Roter die Rollen der Faschingskommandanten übernehmen würden?“, fragte 1988 einst Franz Josef Strauß. Er konnte nicht ahnen, dass auch „Gelbe“ formal mit am Steuer stehen; aber der Rest seiner Warnung war prophetisch. Das Narrenschiff hat heute endgültig abgelegt.

David
Diejenigen, die selbst wenig haben, bitte ich ausdrücklich darum, das Wenige zu behalten. Umso mehr freut mich Unterstützung von allen, denen sie nicht weh tut!

Sehen Sie sich hier mein Interview mit Paul Brandenburg:

Bild: Screenshot globalcovidsummit.org/news
Text: br

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