Heucheln und Spalten als Staatsräson?

Horst Köhler musste als Bundespräsident zurücktreten, weil er 2010 auf die Frage eines Journalisten hin sagte, dass für ein Land von der Größe Deutschlands „im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege.“ Christian Wulff musste das höchste Staatsamt verlassen, weil ihm Vorteilsnahme vorgeworfen wurde – die ihm juristisch nicht nachgewiesen wurde. Heute muss man sich fragen, ob beide – vor allem in der Presse, die schließlich ausschlaggebend war – genauso hart beurteilt worden wären, wenn sie einer anderen Partei angehört hätten – und nicht in der CDU.

Sowohl Köhler als auch Wulff übten ihr Amt mit der gebotenen Zurückhaltung aus – sie mischten sich nicht in die Parteipolitik ein, und auch beim Kuscheln mit diktatorischen Regimen wurden sie nicht ertappt. Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier dagegen nutzt sein Amt, um sich massiv in die Innenpolitik einzumischen. Dass wir wieder eine Große Koalition haben, ist ganz wesentlich auf sein Drängen zurückzuführen. Statt sein Amt überparteilich auszuüben, positioniert sich Steinmeier eindeutig. Und er kuschelt mit dem Regime im Iran, dass ein echter Demokrat eigentlich nur mit der Beißzange anfassen darf.

Ausgerechnet Steinmeier, der den Israel-hassenden Mullahs zum 40. Tag ihrer Machtergreifung gratulierte und als „Brückenbauer“ dem Land einen Besuch abstattete, sagte heute im Deutschen Bundestag, Deutschland stehe „an der Seite Israels“. So sehr ich mir genau das wünschen würde – für mich ist Steinmeiers „Bekenntnis“ unerträgliche Heuchelei. Nicht nur wegen seiner Kuschelei mit den Mullahs (auch schon als Außenminister). Er muss wissen, dass sein Parteifreund Heiko Maas die Bundesrepublik regelmäßig in der UNO mit den ärgsten Israel-Hassern gegen den Judenstaat stimmen lasst. Dass ein Antrag im Bundestag, das zu ändern, eine Mehrheit überdeutlich verpasste.

Unter dem Titel „Nein, die Bundesrepublik Deutschland schützt israelisches Leben nicht“ hat gerade Stefan Frank auf der Achse des Guten eine unfassbare Abrechnung mit der deutschen Israel-Politik veröffentlicht. Mit blieb bei der Lektüre dieses Artikels, den ich wärmstens zur Lektüre empfehle, immer wieder der Atem stocken. Nur einer der schlimmsten Momente: Deutschland finanziert de facto mit, dass der Palästinenser-Staat Angehörige von Terroristen, die Juden getötet haben, dafür faktisch Belohnungen bezahlt – etwa in Form von Renten. An Ungeheuerlichkeit ist das kaum zu überbieten.

Und Steinmeier hat die Dreistigkeit, all die Fakten, die etwa Frank in seinem Artikel aufführt, einfach zu ignorieren und dreist das Gegenteil zu behaupten. So ein Umgang mit der Realität erinnert eher an Machthaber in kommunistischen Regimen als an Politiker in einem demokratischen Land.

Genauso verheerend ist, wie Steinmeier, der in jungen Jahren in äußerst linken Kreisen verkehrte und als Adlatus und Apparatschik von Gerhard Schröder in politische Verantwortung gebracht wurde, innenpolitisch spaltet, statt zu versöhnen. Selbst seine Rede in Israel zum Holocaust-Gedenken vor wenigen Tagen nutzte er, um den innenpolitischen Feind anzugreifen. Und heute im Bundestag wieder das gleiche zynische Spiel. Zitat: „Ich wünschte, ich könnte, erst recht vor unserem Gast aus Israel, heute mit Überzeugung sagen: Wir Deutsche haben verstanden“, sagte der Bundespräsident. „Doch wie kann ich das sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten, wenn das Gift des Nationalismus wieder in Debatten einsickert – auch bei uns.“

An Steinmeiers Aussage wäre nichts auszusetzen – wenn die Begriffe „Hass“ und der aus Nazi-Zeit stammende und in der DDR kultivierte Begriff „Hetze“ heute nicht zu Schlagworten geworden wären, mit denen Kritiker der Regierungspolitik etwa in Sachen Migration, Sicherheit und Ausländerkriminalität stigmatisiert werden. So, wie Steinmeier diese Begriffe verwendet, verstärkt er diese Stigmatisierung – statt ein Zeichen zu setzen gegen diese und zu trennen zwischen legaler Kritik an der Regierung und etwa ihrer Migrationspolitik und denjenigen, die tatsächlich Hass schüren und Volksverhetzung betreiben.

Zwischen den Zeilen wirft das Staatsoberhaupt seinen politischen Gegnern vor, den demokratischen Konsens aufgekündigt zu haben. Etwa wenn er sagte: „Dass die Auseinandersetzung mit der historischen Schuld heute zum Selbstverständnis unseres Landes gehört, wird von Demokraten in diesem Haus nicht bestritten.“

Brav dem linken Zeitgeist hinterher hechelnde Medien wie Spiegel erklären diese Aussage dann sofort für diejenigen, die nicht zwischen den Zeilen lesen können: „Den Gedenkrednern Steinmeier und Rivlin saßen im Bundestagsplenum auch Abgeordnete der AfD gegenüber. AfD-Politiker hatten sich wiederholt verächtlich über die deutsche Erinnerungskultur geäußert – Fraktionschef Alexander Gauland hatte die Zeit des Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte bezeichnet.“ So unerträglich diese Aussage Gaulands war – man hätte zumindest einmal hinzufügen können, dass er sich dafür entschuldigt hat.

Mehr denn ja bräuchte Deutschland heute einen Staatspräsident, der über den Fronten steht, der zum einen Klartext redet statt Floskeln in Dauerschleife zu produzieren, und der versucht, ausgleichend zu wirken. Der sich unideologisch gegen die Spaltung unserer Gesellschaft ausspricht, für einen Dialog wirbt – ohne sich dabei völlig einseitig, ja schwarz-weiß auf eine Seite zu stellen.

Hier ist ein Blick in die Vita des Präsidenten lohnend: Als Student war er laut Frankfurer Allgemeine Redakteur der linken Zeitschrift „Demokratie und Recht“. Unter Beobachtung des Verfassungsschutz stehend forderte er demnach eine „Diskussion über eine linke Verfassungsinterpretation“. In meinen Augen merkt man das seiner Amtsführung auch heute noch an

Deutschland bräuchte heute ein Staatsoberhaupt, das durchaus mahnt vor dem Hass – aber gleichzeitig eben auch hinzufügt, dass nicht jede Kritik etwa an der Migrationspolitik Hass ist.

Ein Staatsoberhaupt, dass ALLE Seiten zur Mäßigung aufruft und daran erinnert, dass Hass von zwei Seiten kommt – und nicht nur Politiker vom rechten Rand diesen verbreiten, sondern auch viele vom linken Rand, etwa, wenn Mitglieder und Sympathisanten einer ganzen Partei entmenschlicht werden.

Ein Staatsoberhaupt, dass bei Mahnung vor autoritären Tendenzen nicht nur in eine Richtung schielt, sonder auch die von der linken und grünen Seite mit einschließt.

Ein Staatsoberhaupt, das nicht glaubt, im Besitz der politischen Wahrheit zu sein, sondern deutlich macht, dass niemand diese für sich in Anspruch nehmen kann.

Ein Staatsoberhaupt, das an Rosa Luxemburgs Worte erinnert, dass Freiheit immer auch die Freiheit des anderen ist. Und an das große Zitat, das – womöglich fälschlicherweise – Voltaire zugesprochen wird: „Ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen.“ Steinmeier klingt eher nach dem Gegenteil. Das ist fatal für die Demokratie und unsere Gesellschaft.


Hier mein aktuellen Wochenbriefing:

Guten Tag aus Berlin,

und einen guten Wochenstart! Zwei Flugstunden von Deutschland entfernt ist die deutsche Welt noch in Ordnung: Das habe ich diese Woche bei einem Interview mit einem ukrainischen Fernsehsender erfahren, als mir der Moderator dort geradezu stolz erzählte, die ukrainische Eisenbahn werde jetzt für zehn Jahre in die Hand der Deutschen Bahn übergehen – und ihm dann fast die Kaffeetasse aus der Hand fiel, als er von mir erfuhr, warum ich das nicht unbedingt für eine gute Nachricht halte. Gegen Ende meiner Erzählungen über die Deutsche Bahn – als ich meinte, es wäre vielleicht besser, wenn die ukrainische Bahn die deutsche übernehmen würde, weil die Züge dort viel pünktliche rund zuverlässiger fahren, schüttelt er nur noch den Kopf. Inzwischen heißt es zwar aus anderen Quellen, die Deutsche Bahn habe nur einen Beratervertrag für die Ukraine – aber als jemand, der sehr, sehr viel Bahn fährt wäre mein großer Wunsch, dass unsere DB erst einmal den eigenen Betrieb auf die Reihe bekommt.

Für Verwunderung bei mir sorgte Georg Restle, heute Chef der WDR-Sendung Monitor im «Ersten», den ich noch aus Moskauer Zeiten kenne. Restle, der sein Handwerk bei einem Sender gelernt hat, der dem Umfeld der linksextremen Antifa zugerechnet wird, ist in meinen Augen das Paradebeispiel für den ideologisch gefärbten Haltungsjournalismus, den ich ablehne. Bei ihm hat man den Eindruck, jeder, der seine sehr linken Meinungen nicht teilt, ist in seinen Augen ein Rechtsextremer. Jetzt hat Restle wieder einmal an einer anderen Front zugeschlagen: Mit einem Bericht zur Russland-Politik wie aus der Kreml-Propaganda-Abteilung. Titel: «Feindbild Russland – wie der Westen die Konfrontation verstärkt“ (LINK). Interviewt hat Monitor darin die üblichen Verdächtigen aus der oft von Moskau unterwanderten «Friedensforschung» und Männer wie Teltschik, die seit Jahren vor dem Kreml strammstehen. Einseitiger und ideologischer geht es kaum noch.

Kommentar meines aus der DDR stammenden Kollegen Peter Tiede, der heute Chefreporter der Bild ist, zu dem Monitor-Beitrag: „Die ,aktuelle kamera´ sendet jetzt aus Köln. Genauso hat es die DDR-Propaganda gemacht. Jetzt kommt es vom Haltungsjournalisten G. Restle… Und alle sind sie dabei, die treuen Friedensforscher und der deutsche Redenschreiber Putins….». Eine ausländische Freundin schreibt: „Dieser Beitrag ist ein Skandal, pure Kreml-Propaganda mit den üblichen Wasserträgern des Kremls in Deutschland. Widerlich!»

Ich finde vor allem die Kombination erstaunlich: Strammer Haltungsjournalismus «gegen rechts» (womit alle gemeint sind rechts von Merkel), und gleichzeitig Männchen machen vor dem Kreml. Wächst da zusammen, was zusammen gehört? Es waren ja Moskau und Ost-Berlin, die ständig mit der vermeintlichen „Gefahr von rechts» ihre innenpolitischen Gegner diffamierten – und dafür schon einmal selbst bei der Inszenierung von rechtem Terror mithalfen, damit das Feindbild auch wirksam war – erst kürzlich hatte ich dazu eine Geschichte auf meiner Seite (siehe hier) So sehr ich auch bei diesem Thema – wie bei allen – gegen Verschwörungstheorien bin, so sehr bin ich dagegen, die Geschichte zu vergessen und nicht auf gewisse politische Muster zu achten.

Was mich diese Woche besonders beunruhigte, war Merkels Rede in Davos, in der sie sinngemäß sagte, wir müssten «unsere Art des Lebens verlassen», und «Dialogverweigerung» müsse «sanktioniert» werden (siehe auch meine Geschichte „Warum mir Merkel Angst macht“.). Für mich weht aus den Kanzlerworten der Geist des Sozialismus – eines neuen, gewandelten, ökologischen, der vielleicht auf den ersten Blick nicht so viel mit dem gemein hat, den wir kennen, der schick ist, grün, konsumorientiert. Der aber für dessen verheerende Grundidee steht: Für eine radikale Veränderung der Gesellschaft von oben herab, in Form eines Experimentes. Die Geschichte zeigt, dass dies bislang noch immer ins Elend führte.

Fast im Gleichklang nutzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Holocaust-Gedenktag in Jerusalem für innenpolitische Spaltung – kaum verholen warf er seinen innenpolitischen Gegnern vor, bei ihnen herrsche der Geist derjenigen, die für das unvorstellbare Verbrechen des Völkermords an den Juden verantwortlich sind. Ich stehe – wie allen Parteien – der AfD sehr kritisch gegenüber. Aber die Partei den Nationalsozialisten gleichzusetzen, ist eine unglaubliche Verharmlosung und Instrumentalisierung von diesen – und spaltet nicht nur die Gesellschaft auf völlig unverantwortliche Weise – sondern wird auch der AfD neue Wähler und Sympathisanten zutreiben, weil es eben so offensichtlich absurd ist (siehe auch meine Geschichte „rechts-freie Räume).

Ansonsten will ich hier nicht die Themen auf meiner Seite wiederholen – schauen Sie lieber selbst rein auf reitschuster.de. Ich möchte zum Abschluss noch aus zwei Briefen zitieren, die mich diese Woche erreicht haben – und sehr bewegt.

„Wir werden Sie auch in Großbritannien weiterlesen. Im Sommer werden wir dorthin auswandern in der Hoffnung, damit Deutschland sowie der EU zu entkommen und mit unseren Kindern nebst 5 Hunden ein positives, freies Leben führen zu können» schreibt mir ein Leser, der meinen Artikel über den Handball-Bericht des WDR («zu blond») kommentierte und beklagte, dass der WDR ganz wesentliche Aspekte einfach ausgelassen habe. Immer öfter bekomme ich Briefe von Menschen, die Deutschland den Rücken zugekehrt haben oder das planen. Menschen, die auf mich einen sehr bodenständigen, klugen Eindruck machen. Ich finde es sehr traurig, dass sie gehen.

Und hier noch eine Mut machende Zuschrift – eine Reaktion auf meine Bemerkung im letzten Wochenbriefing, dass es so schwer ist, positive Nachrichten zu finden in diesen Zeiten:

«Doch es gibt etwas Positives, viel: Wir leben. Wir haben Arbeit. Unser Kühlschrank ist voll. Und erfahren Liebe und Wertschätzung. Und: durch diese unglaubliche, irre politische Situation in Deutschland wird sich eine vernetzte Gruppe bilden, die Rückgrat ausbildet, sich nicht mehr den Mund verbieten lässt und bereit ist, über die eigene Bequemlichkeit hinaus, aktiv zu werde.
Darauf vertraue ich.
Ich wünsche Ihnen eine gute Woche!»

Diesem Wunsch meienr Leserin schließe ich mich gerne an!

Herzlich
Ihr
Boris Reitschuster

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert